Veröffentlicht: 25.10.2023
Am Donnerstagmorgen sind die Scheiben der Autos um uns herum vereist. Wie gut, dass wir den Wohnwagen dabei haben und nicht frieren müssen.
Nach einer kurzen Stippvisite in den heiligen Werkstatthallen machen wir den Spaziergang zum hiesigen "Markt", der mit einem Obst- und Gemüse-, einem Puschen- und Schürzenhändler und einem Maronenstand ausgefüllt ist. Es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir dieses sonnige Wochenende hier im Ort verbringen, deshalb decken wir uns großzügig mit Lebensmitteln ein. Bei der ausgesprochen und fast unbeschreiblich netten und fröhlichen Madame Boulangerie ergattern wir neben Brot und Criossants Eier, Mülltüten und Zahnpasta und kehren optimistisch zur Werkstatt zurück.
Die Campingstühle stellen wir nun in die wärmende Vormittagssonne und harren der Dinge. Die lassen nicht lange auf sich warten. Mademoiselle Garage unterrichtet uns bald darüber, dass es den Kollegen hier nicht möglich ist, den Fehler an der Räuberhöhle zu finden, denn sie verfügen nicht über die richtigen Gerätschaften. Wir müssen in eine andere Werkstatt.
Die Dejavu-Blase, in der ich gerade versuche, mich zurechtzufinden, zerplatzt mit einem lauten Puff, als Mademoiselle berichtet, dass sie bereits in Tence angerufen hat und wir dort nicht vor nächsten Donnerstag unsere Aufwartung zu machen brauchen. Bon merde!
Da staunen wir nun beide und die richtigen Worte und Ideen fehlen erst einmal. Nächsten Donnerstag? Wir müssen am nächsten Sonntag allerspätestens wieder zu Hause sein! Auch wir müssen ja wieder zur Arbeit! Was in Spanien wenigstens für mitleidige und verständnisvolle Blicke gesorgt hat, ruft bei Mademoiselle lediglich ein sehr französisches Schulterzucken hervor.
Ich beschließe, mir beim ADAC Rat zu holen. Der junge Mann am Apparat hat jede Menge Ähs und Ems parat, dafür aber auch gute Vibrationen. Anders als seine Kollegin gestern, macht er mir ganz viel Mut und Hoffnung, in dem er verspricht, dass wir Anspruch auf eine Reparatur innerhalb von drei Werktagen haben, er sich kümmern und bald zurückmelden wird.
Und tatsächlich kommt die positive Nachricht noch vor der Mittagspause: wir werden nach Tence gebracht und noch heute Nachmittag kümmert sich ein Fachmensch um das Problem - hurraaa! Nur den Wohnwagen hat man mal wieder vergessen, aber auch das ist schnell geklärt: das Schlößchen darf mitkommen. Vor lauter Freude verschiebe ich die Erkundung des Botanischen Gartens und wir machen Midi.
Dann nimmt uns Monsieur Depannage fix wieder huckepack und allez-hop können wir unsere Plätze im Klappstuhl vor der Garage in Tence einnehmen und das Geschehen beobachten.
Drei sehr junge Herren, zwischen 19 und 23 Jahren bemühen sich, des hektischen Treibens rund um die Werkstatt Herr zu werden. Immer mal wieder zwischendurch werfen sie einen Blick unter die Motorhaube unserer Räuberhöhle.
Wir informieren uns erst einmal, wo wir gelandet sind. Tence ist ein Städtchen im Velay im Südosten des Massif central, eine von Vulkankegeln geprägte Landschaft, deren bekanntester Ort wohl Le Puy am Jakobsweg ist. Keine hundert Meter von uns entfernt gibt es einen Carrefour, einen Netto und einen Agrarbaumarkt. Es gibt einen Campingplatz und das Flüsschen Lignon du Velay plätschert durch den Ort. Wir sind also bestens versorgt.
Als der Feierabend naht, naht auch Antoine. Er ist scheinbar der Mutigste der drei Jungs und wird verdonnert, uns die schlechte Nachricht zu überbringen. Sie können den Fehler nicht finden, sie haben Fotos gemacht und schicken die dem Chef und sie würden unseren Caravan zum Camping ziehen. Leider hat der schon die Saison beendet und deshalb bleiben wir vor den Toren von Renault.
Um die Botschaft zu verdauen, wandern wir die zwei Kilometer zur Badestelle, um im eiskalten Wasser des Lignon den Ratlosigkeitsschweiß des Tages abzuwaschen.
Am Freitagmorgen sind die Scheiben der Autos um uns herum vereist. Wie gut, dass wir den Wohnwagen dabei haben nicht frieren müssen.
Wir wollen die örtlichen Nahversorger erkunden und obwohl wir eigentlich nichts brauchen, da wir uns gestern auf dem Märktchen bereits für das Wochenende eingedeckt haben, bummeln wir durch alle Supermärkte und bestaunen das Angebot.
Zurück in der Werkstatt belagern wir Antoine. Der bekommt einen panischen Gesichtsausdruck, erklärt uns, dass er heute allein in der mit reparaturbedürftigen PKWs vollgestopften Garage ist, sein Lesegerät sich nicht mit unserem Kangoosystem verbindet und er sowieso nicht vor oder zurück weiß. Er kann unser Auto nicht reparieren, er findet den Fehler nicht, er ist überfordert. Bon merde!
Was sollen wir denn jetzt machen? Die Lage erscheint mehr als aussichtslos. Ich rufe beim ADAC an. Meine Mitgliedsnummer kenne ich inzwischen auswendig.
Nachdem der Kollege selbst mit Antoine gesprochen hat, informiert er mich über die Möglichkeiten: wir fahren mit dem Mietwagen nach Hause, der Kangoo wird durch die gelben Engel transportiert, was aber mindestens fünf Wochen dauert, der Wohnwagen bleibt in Tence.
Das will erst mal verdaut werden! Zappa nimmt mich an die Hand und zieht mich in das Städtchen, das eigentlich sehr hübsch ist, wofür wir aber gerade so gar keinen Blick haben. Wir lassen die Köpfe hängen und versuchen, eine Lösung auf das Dilemma zu ersinnen. Wie wir die Geschichte auch drehen und wenden, dieses Mal ist leider kein Happy End in Sicht - https://vakantio.de/chateaugeschichten/happy-end-0 - dieses Mal ist die Reise hier und jetzt vorbei.
Auf dem Rückweg beschließt Zappa, dass wir noch einmal das Gespräch mit den Verantwortlichen suchen müssen.
Wir gehen zu Madame Garage, die uns zunächst einen Kaffee unter die Nase hält, der Tote weckt. Dann ruft sie Antoine dazu, der des Weiteren versichert, dass wir keine Chance haben, das Auto hier bis nächsten Donnerstag repariert zu bekommen. Ich berichte Madame über unsere derzeitigen Aussichten und dass das Château nicht transportiert wird. Sie reißt entsetzt die Augen auf, ruft nun doch noch Monsieur Chef an, der bestätigt, dass es kein Problem ist, den Wohnwagen bei ihnen zu lassen, auch wenn wir nicht sagen können, wann wir ein Auto haben, um ihn abzuholen. Vielleicht erst im November - wobei ich das für sehr optimistisch halte und Madame erschrocken ausruft: "Herrjee, da liegt hier schon meterhoch Schnee!"
Ich teile dem ADAC mit, dass wir mit dem Mietwagen nach Hause fahren werden, aber ein Kleinwagen nicht ausreicht, da wir unsere persönlichen Sachen aus dem Wohnwagen und dem Kleintransporter mitnehmen müssen.
Nun muss zunächst nach so einem Auto geforscht werden. Das gibt es entweder in Le Puy, in St.-Ètienne, in Valence oder - weil das Wochenende vor der Tür steht, erst im etwa 120km entfernten Lyon. Dann müssen wir uns ein Taxi nehmen und den Wagen abholen. Dafür werden uns von den gelben Engeln 50 Euro zur Verfügung gestellt. Weil wir bisher keine Übernachtung in Anspruch genommen haben, erhöht sich dieser Betrag auf 128 Euro. Ob wir damit nach Lyon kommen? Na ja, wir wollen ja nicht mit dem Taxi nach Paris!
Als wir eine Stunde später im eiskalten Lignon duschen, erhalte ich die SMS, dass wir in wenigen Minuten den Mietwagen bei Hertz in St-Ètienne abholen können.
Na prima, im vorherigen Gespräch hiess es noch, das wird vor Montag nix, weil die alle nicht am Wochenende offen haben! Eine halbe Stunde für 50km über Hoppelpisten, Serpentinen, enge Sträßchen! Wie soll das gehen, wir haben ja noch nicht mal ein Taxi?
Zum Glück erreiche ich einen Mitarbeiter bei Hertz, wir können den Wagen am Samstag um 14:00 Uhr abholen und ein sehr netter Monsieur Taxi-Velay bringt uns pünktlich dorthin.
Alles geregelt, wir können uns Nudeln kochen und im warmen Château ziemlich geplättet vom Tag Kräfte sammeln.