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Das dicke Ende

Veröffentlicht: 29.10.2023

Am Samstaggmorgen sind die Scheiben der Autos um uns herum vereist. Wie gut, dass wir den Wohnwagen dabei haben und nicht frieren müssen. 

Abschied!

Wir beginnen, ein bisschen herumzuräumen, denn möglichst viel von unseren Schätzen sollen mit auf die Heimreise gehen. Aber so richtig Sinn hat das nicht, so lange wir keine Ahnung von dem fahrbaren Untersatz haben, den wir nun in St.-Ètienne abholen dürfen. 

Also stellen wir die Klappstühle in die wärmende Oktobersonne und warten auf Joe-le-Taxi-Velay. Der kommt pünktlichst und garniert die Fahrt mit allerlei Wissenswertem aus der Region: hier feiert man gerade die Fête des marrons, rechts das Zisterzienserkloster, links wird die Brücke repariert, die Kohleminen rund um St.-Ètienne, das Dortmund Frankreichs sind schon länger dicht, jetzt darf sich die Stadt "Unesco City of Desing" nennen.

Unesco City of Design

Monsieur Hertz übergibt uns in aller Eile einen Renault Arkana mit stolzen 147 PS, der zur Begrüßung piept, tutet und in vielen bunten Farben blinkt. Alles ist automatisch und elektronisch und macht erst mal ein bisschen verrückt.

Chez Hertz

Beim ersten Halt am nächsten Lidl, nur wenige Kilometer entfernt entdecke ich das gesplitterte linke Rücklicht, das wir alle drei bei der Übergabe übersehen haben. Also noch fix ein Foto davon gemacht und dann nichts wie zurück nach Tence zu unseren Habseligkeiten.

Bei der Übergabe übersehen - bei der Abgabe aber auch...

Wir stopfen alles, was geht in das merkwürdige Auto, das leider kein Lieferwagen ist. Der Rest muss mit der Räuberhöhle auf den Autotransporter. Der Wohnwagen wird komplett leer geräumt bis zum letzten Teelöffel, zur letzten Socke und zum letzten Klopapierfitzelchen, denn keine Ahnung, ob wir es jemals schaffen, den treuen Reisebegleiter hier aus den Bergen wieder heimzuholen.

Leer...

Nach einer allerletzten Mahlzeit und wie ich befürchte auch der allerletzten Nacht im geliebten Schlösschen starten wir am Sonntagmorgen die 1200 km lange Rückfahrt.

Mediterrane Paprika-Kartoffel-Pfanne im aromatisch gebratenen Zwiebel-Knoblauch-Nest mit einer Corona aus pikanten Sardellen und einem Herz aus sonnengelbem, frischem Landei

Irgendwo im Elsass bei einem kleinen Füßevertreten zwischen Zwiebel- und Kohläckern hat der Held mal wieder eine Idee: wir könnten doch Opa Achim fragen, ob er uns nicht seinen roten Flitzer mit Anhängerkupplung leihen würde. Schließlich haben wir noch eine ganze Woche Urlaub und könnten das Château nach Hause holen. Ein kurzer Anruf genügt und schon ist es beschlossenen Sache.

Zahnarzthaus in St.-Ètienne

Am Montag stellt sich heraus, dass es in Braunschweig schon lange keine Hertz-Filiale mehr gibt. Egal, dann geben wir das Geschoss eben unterwegs in Magdeburg auf den 350 km zu meinen Eltern ab. Frau Hertz begutachtet den Wagen mit deutscher Gründlichkeit, übersieht dabei zwar das geplatzte Rücklicht, jedoch nicht die schwarzen Stellen an den Felgen, die Monsieur mit französischem Laissez-faire egal waren. 

Schmutz an der Felge - nichts entgeht Frau Hertz

Frau Hertz ist jedoch der Meinung, wir wären beschädigend irgendwo dagegengefahren. Zappa legt sich im Anhaltinischen Regen aufs nasse Pflaster, zieht seinen Pulli aus und beweist ihr glasklar, dass das nur Dreck ist, denn er kann es abreiben.
Am frühen Abend endet unsere heutige Tour an der Oder und nach einer leckeren Merguezpfanne taumeln wir bald ins Bett.

Tunnel in Lyon

Dienstagmorgen um 6:00 Uhr, lange vor dem Sonnenaufgang wecken wir noch fix Nachbars Hahn und schwingen uns, ohne Frühstück und ohne Dusche in Opa Achims roten Flitzer mit 110 Pferdestärken. An der nächsten Tanke kaufen wir zwei Milchkaffee, um dann die 1400 km nach Tence in einem Rutsch durchzusausen.

Milchkaffee an der Tanke

Nach 16 Stunden Autobahnmarathon und rasanten Serpentinenfahrten trudeln wir gegen 22:00 Uhr am Wohnwagen ein, in den erst einmal der Teelöffel, die Socke und das Klopapierfitzelchen zurückgeräumt werden müssen, damit wir wenigstens gemütlich schlafen können.

Endlich wieder am Château

Am Mittwoch sind die Autos um uns herum nicht vereist. Wir ordnen unsere Siebensachen im Caravan wieder an ihre Plätze. Monsieur Chef ist heute in der Werkstatt und denkt, dass er in fünf Wochen den Kangoo reparieren kann. Ich befürchte, dass ich das KFZ-Französisch nicht gut verstehe. Doch glücklicherweise gibt es Monsieur Franz, der deutsch, französisch + autochinesisch fließend beherrscht und noch einmal telefonisch nachfragt. Nun, eins der Steuergeräte ist kaputt, welches muss noch erforscht werden. Der ADAC transportiert aber nur defekte Fahrzeuge, also muss der Wagen nach Hause.

Abschied!

Opa Achim ruft zwischenzeitlich an, der Twingo startet nicht. Nachdem ich selbst erst mal googeln muss, wo die Batterie ist und ihm erkläre, mit welchen Trick 17 er die Klappe öffnen kann, passiert das Unglaubliche!

Les Ballons d'Alsace

Doch das erzählt Zappa euch hier selbst:

Die morgendliche Sonne scheint auf uns herab, alles ist hin- und hergepackt, ich zerre das Château auf den Haken der Anhängerkupplung, werfe mich unter den roten Flitzer und hänge das Sicherheitsseil vom Wohnwagen ein.

Ankoppeln

Und da passiert es: ein lautes „puuuuuuups“ entfährt meinem Allerwertesten und kurz darauf wabert ein bestialischer Gestank unter dem Auto hervor - Hiiiiiimmel!!!
Dann fluche ich laut los: Merde! Merde! Merde! Ich krieche unter dem Skoda hervor und stehe breitbeinig wie John Wayne beim großen Showdown mit verzerrtem Gesicht vor der mich anstaunenden Maus, hole tief Luft und spreche laut, klar und langsam: „Ich hab mir in die Hosen geschissen - aber richtig!“

Au weia… das Aroma ist höllisch, beißt in Nase und Augen und die Maus erfleht eine Klammer. Ich stapfe jetzt zum Wohnwagen und entledige mich dort meiner reichlich ausgebeulten Unterhose.

Problem Nummer 1: es gibt keine weitere Unterbuchse - wir reisen ja gerade mit ganz leichtem Gepäck.
Problem Nummer 2: die Maus quengelt mit einer nichtigen Frage.
Ich fauche sie an - ich hab jetzt andere Sorgen!
Wir stehen mitten auf dem sonnigen Platz vor der Werkstatt, nix ist mehr im Wohnwagen und bei mir bimmeln alle Alarmglocken mit mächtigem Getöse!

Ihr sinn im Elsass?

Praktisch veranlagt, greife ich mir schnell einen Müllbeutel, reiße ihn auf und stecke mein Achterteil in selbigen... gutes Manöver - leider falscher Winkel: der braune Pamps knattert laut, kräftig und stark stinkend vorbei und sprenkelt einen guten Meter tief in den Wohnwagen… Merde! Merde! Merde!

Oh weh - im ganzen Château verteilt sich ein säuerliches Aroma! Schnell wird das Malheur mit viel, viel Glasreiniger und Küchentuch beseitigt, der kleine Teppich kommt an der Autowaschstelle unter den Hochdruckreiniger und strahlt hinterher wie neu - sieh da, sieh da - so sauber war er noch nie…

Kaum ist der Teppich gereinigt, wiederholt sich das Ritual mit immer neuen, spannenden und blumigsten Duftnoten - aber diesmal geht die Astronautenkacka in die Tüte, wird oben zugebunden und fliegt in den nächsten Poubelle… Schluss, aus, fertig!

Tunnel in Jena

Endlich los! Noch schnell verabschiedet, gewunken, den Automatik-Gang auf D, hühhh!!! und 110 Pferde traben an: 1250 km liegen vor uns. Doch kaum ein paar Serpentinen gefahren: rechts ran, in die Büsche und blitzefix die Hose runter… na - das kann ja heiter werden…

Und weiter gen Norden… immer ein nur ein kleines Stück, immer das gleiche Ritual: Blinker setzen, rechts raus, Warnblinker, raaaatsch - Handbremse. Ich springe flink wie ein Zickenbock über die Deichsel, hänge den mittlerweile reichlich ledierten Popo über die Autobahnleitplanken und erschaffe auf den ersten 700 km eine neue Line Maginot - ähhhh Merde.

Abschied!!!

Auch in der Nacht auf dem Parkplatz an einem Friedhof finden die Toten keine Ruhe - immer wieder klappt die Tür und die Maus berichtet mir später von lauten, windigen bis stürmischen Geräuschen, die sich mit leisem Gejamma mischen. 

Mittlerweile ist der Allerwerteste ein wenig wundgeputzt und verträgt nur noch zartestes Abtupfen mit leicht angefeuchtetem Küchenpapier… und für alle, die es noch nicht wussten: man kann auch während des Schlafens unbemerkt ein feinstes Häufchen Merde ins Bettchen legen - Erfahrungswert - bon merde!
Morgens benötigt auch die linke Seite des Wohnwagens eine dringende Außenreinigung und ratet mal warum?

Sonnenuntergang auf der Autoroute im Burgund

Während die Maus noch ein letztes Mal in diesem Reisejahr im Supermarché all die leckeren Sachen wegkauft, fällt Monsieur Merde bei einem dringenden Geschäft noch fast in die Moder, einem kleinen lieblichen Flüsschen am Fuße der Vogesen.

Dann ab über die Grenze…

Glücklich kommen wir irgendwann spät nachts zu Hause an und unsere gute Nachbarin meinte später, sie hätte mich noch nie soooo feeeertig gesehen…

Ankunft zu Hause

Als krönendes Topping darf gern weiter geschmunzelt werden:
Wie sich später herausstellt, hat sich vermutlich durch verdorbene H-Milch in einem großen Milchkaffe aus der Tanke in meinen Eingeweiden eine derbe Lebensmittel- und Salmonellenvergiftung breitgemacht.

So fahre ich am Montagmorgen in die große Stadt zum Onkel Doktor. Dieser, selbst krank, hält keine Sprechstunde, die freundliche Arzthelferin verweist auf die Vertretung und auf die Bitte, Adresse und Telefonnummer aufzuschreiben, kommt die Antwort: die können Sie sich auch googeln… Bon merde!

Rhône in Lyon

Selbst ist der Mann - mit einer aus Küchenpapier gebastelten Pampers in der Hose (sicher ist sicher!) gehts zurück aufs Land. Wenn schon Google, dann bitte auch gleich um die Ecke… Praxis in den umliegenden Dörfern gesucht, angerufen… die junge Frau, sehr entsetzt, schüttelt den Kopf: „11:20 Uhr bei uns… kriegen wir schon hin“, doch es wird noch eine ganze Woche und Berge von Pillen dauern, bis der Held wieder auf seinen noch wackligen Beinen stehen kann… bon merde!

Musée des Confluences Lyon
Alles muss mit!

Zappa sagt abschließend, er hat immerhin vier Kilo abgenommen.
Der rote Flitzer bringt unseren Wohnwagen trotz allem sicher in den heimischen Hafen und nachdem das Auto wieder bei Opa Achim an der Oder abgeliefert und ein Ersatzwagen für Zappa organisiert ist, müssen wir nach knapp 4000km Wegstrecke in einer Woche in einen tiefen ökologischen Fußabdruckgraben schauen. 

Pause im Franche-Comté

Aber seid mal ehrlich: hätten wir das Wohnwägelchen unter einer tonnenschweren französischen Schneelast zusammenbrechen lassen sollen?
Na also!

Antworten (1)

Hobbit
Wenn ich euch den Samstag nicht gesehen hätte würde ich jetzt lachen. PS: Ich hätte die Vorhänge auch mitgenommen... 😂

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