Veröffentlicht: 08.10.2024
Heute will ich nach Saint-Remy-de-Provence, heute will ich Kulturprogramm!
Seit Tagen halten wir Sieste in den Alpilles, gehen auf kleine Wochenmärkte, genießen den blauen Himmel und die warme Sonne. Aber heute will ich was erleben.
Ohnein - ohnein - ohnein, jammert Zappa dieses Mal!
Das ist eine ganz-ganz schlimme Touristenfalle. Man wird uns abzocken, schröpfen, plündern, aubeuten, austricksen, ausnehmen wie Weihnachtsgänse, die letzten Pfennige aus der Tasche ziehen, bis aufs Blut aussaugen, wir werden verarmen wie die Kirchenmäuse und bis ans Ende unserer Tage auf Almosen angewiesen sein.
Ohnein - ohnein - ohnein!
Pfennige gibts nicht mehr, außerdem müssen wir sowieso einkaufen und wir könnten im Office de Tourisme vorbeischauen, wische ich seine Bedenken mit einem Handstreich beiseite.
Wir machen uns also auf den Weg und finden auf dem Parkplatz des örtlichen Stadions gegenüber der Schule genügend Raum für unser Gefährt. Unter den wachsamen Augen der aufmerksamen Elterntaxis, die ihre Sprößlinge für die Mittagspause einsammeln, bestens vor heimtückischen, schändlich-garstigen Autoknackern geschützt.
Ein kleiner Spaziergang weckt die Lebensgeister.
Doch am Tourismusbüro angekommen, müssen wir feststellen, dass auch in einem gut besuchten provenzalischen Städtchen nicht auf Midi verzichtet wird und wir vor verschlossenen Türen stehen.
Also zuerst das Sightseeing.
Saint-Remy-de-Provence liegt zu Füßen der Alpilles, hat die Ruinen der Stadt Glanum zu bieten, Nostradamus wurde hier geboren und vor allem hat Van Gogh ein Jahr lang in der hiesigen Psychiatrie verbracht.
Pensionierte deutsche Kunstlehrerinnen pilgern durch das Örtchen und huldigen dem Meister, der wohl im Grabe routieren würde, müsste er das erleben.
In der hochglanzgepflasterten Fußgängerzone können wir exklusive und mondäne Boutiquen, elegante und vornehme Galerien sowie ausgesuchte und erstklassige Immobilienmakler besichtigen.
Unser Versuch, in den noblen Rattansesseln der hippen Bar am Marktplatz einen Milchkaffee zu trinken, scheitert am Desinteresse des Services, wir sehen wohl zu abgerissen aus.
Mein heißer Wunsch auf eine kleine Kugel Eis, verebbt beim Preis von 3 Euro schlagartig.
Pünktlich um 14:00 Uhr finden wir Einlass im Office de tourisme, doch die Hochglanzbroschüren informieren uns lediglich darüber, wo wir schick essen gehen, schick übernachten, schick shoppen und schicke Immobilien kaufen können.
Für unsere ungehobenen Ansprüche wie Wandern, Natur und Abenteuer erhalten wir keine Auskünfte.
Reichlich desillusioniert kehren wir zu unserem Caravan zurück. Die sechste Klasse mustert uns neugierig auf ihrem Weg zum Sportunterricht, während wir unseren Kaffee in den eigenen vier Wänden genießen.
Zum Glück konnten wir uns gegen die Nepper, Schnäpper, Bauerfänger erwehren und sind nicht verarmt, abgebrannt und mittellos auf dem Parkplatz der kommunalen Schule auf Almosen angewiesen, wie Zappa es nostradamisch vorhergesehen hat.
Alles ist noch mal gut gegangen.
Nur der Verlust der kostbaren Briefmarken, die ich in der Bar Tabac für die Postkarten für die Daheimgebliebenen ergattern konnte und die beinahe in Gold aufgewogen werden, wird uns in untröstlicher Erinnerung an diese Perle der Provence bleiben.