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Sur le pont d'Avignon

Veröffentlicht: 05.10.2024

Ich weiß, dass ihr schon sehnsüchtig auf spannende Anekdoten rund um die französischen Flohmärkte wartet.
Deshalb fahren wir, nach einem sonnigen und mistralumwehten Tag an der Rhône nach Villeneuve-lès-Avignon.

An der Rhône

Das hübsche Städtchen am rechten Ufer der Rhône liegt im Einzugsgebiet und direkter Nachbarschaft von Avignon. Es hat keinen Pabstpalast und keine kaputte Brücke, dafür aber eine mittelalterliche Festung, ein Kloster und einen wöchentlich stattfindenden Brocante.
Wir haben uns den vide-grenier ausgewählt, der nur ein Mal im Jahr in der Fußgängerzone abgehalten und von unzähligen, hauptsächlich privaten Ständen belebt wird.

Villeneuve-lès-Avignon

Ihr kennt unser Problem: wir müssen mit dem Wohnwagen einen Parkplatz finden. Das ist schon ohne Markttag nicht immer einfach, doch wenn solche Events stattfinden, beinahe unmöglich.
Deshalb fahren wir am späten Samstagabend in die Stadt, der große Parkplatz im Zentrum ist mit Navi schnell gefunden, aber noch gut belegt. Hier werden wir übernachten.
Zappa zirkuliert unser Gespann geschickt rückwärts ganz am Ende, nah dem Mäuerchen in eine elend enge Parklücke mit garantiertem Fluchtweg für die Zeit nach dem morgigen Flohmarkt.

Schlaf-Parkplatz mit Fluchtmöglichkeit

Am Sonntagmorgen sind wir mal wieder überrascht, dass der Platz, der zur späten Stunde nahezu leer und ohne Fahrzeuge im Sternenlicht lag, nun um 7:00 Uhr in der Frühe fast bis auf den letzten Platz voll ist. Kaum dass sich der herannahende Motorroller in eine Lücke quetschen kann.
Also schnell den Kaffee trinken und auf ins Getümmel!

Villeneuve-lès-Avignon

Schon am ersten Stand erwirbt Zappa einen sensationellen, phänomenalen, unvergleichlichen Highend-Yamaha-Profiverstärker für den vollen und perfekten Sound im Homecinema für nen Appel und nen Ei! Nur dass Madame die Fernbedienung irgendwo vergessen hat und ich kurz nach dem Aufstehen gezwungen bin, meine Synapsen mit dem bisschen Koffein zu aktivieren, um in einer Fremdsprache über das weitere Vorgehen zu verhandeln.

Villeneuve-lès-Avignon

Denn das Mega-Gerät funktioniert nur mit passendem télécommande und wahrscheinlich hat ihr Neffe ihr eindringlich mit auf dem Weg gegeben, diese bloß nicht zu vergessen, denn ihm gehörte das gute Stück bis dato. Madame Dominique fürchtet, sie hat das wichtige Element auf dem Küchentisch im benachbarten Avignon vergessen. Oder im Auto, doch das steht auf dem großen Parkplatz.

Ich bin nicht zu verkaufen!

Aha, jetzt wissen wir auch, weshalb der schon im Morgengrauen vollständig zugeparkt ist. Alle Händler müssen ihre Autos aus der Flohmarktzone entfernen und stehen nun auf den wenigen Parkplätzen der Stadt. Na ja, uns egal, wir waren rechtzeitig da.
Madame und ich tauschen unsere Handynummern und verabreden, dass ich mich am Montagnachmittag bei ihr melde, um das Kostbare Gut aus ihrer Küche in Avignon abzuholen.

Villeneuve-lès-Avignon

Zappa schleppt das tonnenschwere Spitzenprodukt zum Caravan und nun kann das Vergnügen weitergehen.
Die gesamte Fußgängerzone ist zum Marché aux puces umfunktioniert. Im Schatten der gut erhaltenen Festung können jede Menge Schnickschnack, Klimbim, Dingelchen, Krimskrams, Kitsch, Krempel, Plunder und Firlefanz ergattert werden.
Wir erstehen ein plüschiges Lämpchen für den Mistral und während Zappa eine der unzähligen alten Kameras auf Herz und Nieren untersucht, erzählt mir das Mütterchen, dass ihre Enkelin in der Slowakei wohnt und in Frankreich einige Zeit zur Schule geht, um die richtige Rechtschreibung zu lernen.

Französische Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz gegen Terrorismus

Die Zeit vergeht wie im Fluge, doch wir haben heute noch einen zweiten Flohmarkt im Programm. Und nach einem unglaublichen pain au chocolat aus der ansässigen Pâtisserie mit den Kalorien für eine ganze Woche aus Unmengen feinster Butter, zartestem Blätterteig und köstlichster Schokolade, machen wir uns auf den Weg Richtung Saint-Andiol.

Villeneuve-lès-Avignon

Durch Zappas geschicktes Einparken ist die Ausfahrt vom völlig überlasteten Platz ohne größere Probleme möglich.
Doch wir müssen mitten durch Avignon. Vorbei am Pabstpalast, vorbei an der kaputten Brücke, vorbei an Besucherströmen mit teuren Kameras in den Händen, die auch Ende September aus unzähligen Bussen zu den Attraktionen pilgern.

Baden verboten!

Ich persönlich finde die Straßenführung und Beschilderung in dieser, auch Sonntags mit reichlich Durchgangsverkehr geplagten Stadt nicht besonders besucherfreundlich.
Und so kommt es, dass uns das Navi auf die falsche Fährte und damit in einen engen Tunnel lockt. 2,80 steht über dem einspurigen finsteren Durchgang. Ein kurzer Schreck, doch so hoch sind wir nicht, da passen wir durch. Es gibt sowieso kein Zurück im engen und rasanten Stadtverkehr.

Tunneleingang!

Der große Schreck folgt aber auf dem Fuße. Die Ausfahrt hinter dem kurzen Tunnel ist eine immer enger werdende Haarnadelkurve mit Leitplanke rechts und 20cm hoher Betonbegrenzung links.
Zappa guckt in den Rückspiegel und bemerkt im letzten Moment, dass der Wohnwagen nicht ohne erhebliche Schrammen an der Leitplanke vorbei passt. Beinahe wäre die rechte Seite aufgeschreddert, aufgeschlitzt, in Fetzen gerissen worden!

Im Tunnel!

Ein schneller Tritt auf die Bremse und unser Gefährt steht. Mitten in der einspurigen Ausfahrt aus dem verdammten Tunnel, der auch noch in die falsche Richtung führt.
Doch es hilft nichts, so kommen wir hier nicht raus, wenn wir unser geliebtes Wägelchen nicht unwiderruflich und massivst beschädigen wollen.
Mittlerweile hat sich im kurzen und recht finsteren Tunnel hinter uns eine beachtliche Schlange gebildet. Es hupt in voller Lautstärke, Länge und Schönheit, wie es nur in Frankreich geht.

Ausgang aus dem Tunnel - jetzt zum Glück ohne roten Riesentopf!

Ohnein - ohnein -ohnein, muss ich schon wieder jammern!
Wir kommen hier nie und nimmer um die Kurve, wir müssen ausharren bis uns ein Hubschrauber aus der Misere manövriert, wahrscheinlich werden wir bis dahin elendig verhungern, wenn wir nicht vorher von bösen Mitmenschen gesteinigt und gevierteilt werden und in die Geschichte von Avignon als ewiger deutscher Bouchon eingehen, zu dem dann Touristen mit teuren Kameras in den Händen pilgern!

Roter Pfeil: wir stecken fest!

Zappa, mein Held und Ewigdienervenbehalter, Immereinelösungwisser, Niedenüberblickverlierer weist mich zunächst an auszusteigen und die Lage an der Leitplanke in den Blick zu nehmen.
Die Huperei hat sich etwas beruhigt, man hat sich in den Fahrzeugen zurückgelehnt und beobachtet gespannt, wie das Problem gelöst wird.

Gefleckte Weinbergschnecke

Das Auto direkt hinter uns erhält Order, soweit wie möglich zurückzusetzen, was der freundliche Fahrer auch sofort tut.
Nun fährt Zappa schnurgerade rückwärts, um den Caravan aus der Gefahrenzone an der Leitplanke zu steuern.
Dann muss das Gespann vorwärts aus dem engen Winkel, doch die himmelhohe Betonbegrenzung zur gegenüberliegenden Fahrbahn macht dies schier unmöglich.

Ruhe in den Alpilles

Ich stehe vor dem Kangoo und möchte am liebsten die Augen schließen. Aber das geht nicht, ich muss die Leitplanke links, das Betonhindernis rechts und auch den Verkehr auf der anderen Seite im Auge behalten.
Unterdessen dreht der Kangoomotor in die höchsten Zahlen, um Auto und Wohnwagen den Buckel hochzuwuchten. Die Kupplung stinkt, die Maschine dröhnt, ich schwitze Angst aus allen Poren. Zappa zwingt die Räuberhöhle zu Höchstleistungen.
Dann ist es geschafft, die beiden Vorderreifen stehen auf der Begrenzung, das rechte Rückrad hängt in der Luft. Jetzt erst mal den Gegenverkehr vorbei lassen, denn das Gespann wird unweigerlich auf die andere Fahrbahn geraten.

Herbst-Blaustern

Dann rollt ein belgisches Wohnmobil heran und blockiert erst mal den Gegenverkehr. Möglich, dass er auch schon haarsträubende Situationen mit seinem Reisegefährt erlebt hat und nun für uns die Fahrt frei macht.

Nach mehreren Anläufen, knirschenden Geräuschen und einem lauten Gedröhn steht der Kangoo auf der Betonmauer und zieht unter Aufbietung allerletzter Pferdestärken den Wohnwagen in Fingerbreite an der Leitplanke ohne Kratzer, Ritzer, Dellen über das Hindernis, in den Gegenverkehr und wieder in die richtige Spur zurück.

Kohlwanze

Der Belgier klatscht in die Hände und gibt auf seiner Seite die Fahrt frei.
Ich steige unendlich erleichtert ins Auto und der inzwischen bestimmt kilometerlange Stau hinter uns kann sich auflösen.
Dass ich nicht in der Lage war, die Situation mit Fotos zu dokumentieren, werdet ihr mir sicher nachsehen.
Zum Ausgleich haben wir Bilder bei Google Maps und Streetview als Illustration herausgesucht.

Saint-Martin-deCrau

In Saint-Andiol angekommen, müssen wir feststellen, dass sich der Weg nicht gelohnt hat. Hier sind schlecht gelaunte Profitrödler schon dabei, ihren Kram wieder einzupacken.
Zum Glück müssen wir die Fernbedienung nicht am nächsten Nachmittag bei Madame Dominique aus ihrer Küche irgendwo im verkehrstechnisch kastrastophalen und albtraumhaften Avignon abholen. Sie hat sie in ihrem Auto gefunden und wir konnten das Teil noch an ihrem Stand einsammeln.

Saint-Andiol

Allerdings hat Zappa ein Füßchen beim Transport des Apparates auf dem Parkplatz verloren und das erst in den Alpilles am Nachmittag bemerkt, was ihn für den Rest der Reise sehr-sehr unglücklich macht...

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