Cassiopeia
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Gemeinsam auf dem Annapurna Circut - Nepal

Veröffentlicht: 12.12.2023

Das Abenteuer startete im Dschungel. Umgeben von Bambus, Palmen, dichten Gestrüpp, Linanen und Affen. Das Gebiet der Annapurnaregion bekam durch den steigenden Tourismus sogar eine Art Straße, welche ich aber eher als Rodeo Schotterpiste bezeichnen würde und viele Treker überspringen deswegen die ersten Tage der Route, da hier die parallel verlaufenden Wanderpfade häufig durch Erdrutsche zerstört sind und man deswegen gezwungen ist auf der Straße zu wandern. Ich kann es nicht ganz nachvollziehen, da die "Straße" von ihrem Zustand schon eher an deutsche Wanderwege erinnert und man so die tropische Klimazone des Treks komplett überspringen würde. Gerade der Wechsel der Vegetation und des Klimas von dem tropischen, zum subtropischen Umfeld, welches sich dann weiter in eine mit Kiefern verbreitete Landschaft verändert, bis sich die Umgebung in karge und Lebensarme Hochgebirgsketten mit tundraartigen Hochplateaus verwandelt, macht die Einzigartigkeit der Route aus. 


Wir alle waren nicht in unserer besten Form durch den langen Besuch in Indien und mussten uns zuerst einmal an die täglichen 8h wandern gewöhnen und unseren Rythmus herausbekommen. Nichts desto trotz merkte ich schnell, dass ich mir in den letzten Jahren doch eine gewisse Grundkondition erarbeitet hatte und somit mein natürliches Tempo wesentlich schneller war als das der zwei anderen. Für mich wurden die nächsten zwei Wochen zu der Herausforderung die Kunst der Adaption zu erlangen. Meinen deutschen Instinkt vom pünktlichen Wecker, festen Frühstückszeiten und schnellem Rucksackpacken lernte ich hier mehr oder weniger beiseite zu legen. Dennoch war auch Lance nicht ganz davon abgeschreckt einen gewissen Zeitplan außerhalb des eigentlichen Wanderns einzuhalten, da es nun einmal früh dunkel wird und mit der Dunkelheit die nepalesische Kälte kommt und die Chancen sich zu verlaufen stark steigern. Es war der einzige Punkt über den wir ab und zu eher lässig diskutierten, da Piotrik einen sehr laissez fairen Zeitplan (das Wort Plan ist eigentlich falsch, weil keiner existierte) verfolgte und sich auch durch nichts und niemanden aus der Ruhe lassen brachte. Einerseits eine Eigenschaft die ich sehr bewundere, auf der anderen Seite aufgrund der gewissen Notwendigkeit auch anstrengend. Trotzdem führte es nie zu einem Art Streit oder Konflikt und lehrte mir nun einmal auch eine Anpassung an ein ganz anderes Tempo. 


Wir erzählten uns viel über unser Privatleben Zuhause, unsere Reisen, aber philosophierten auch viel und teilten unsere Weltbilder und lauschten gespannt den Ansichten der anderen. Wir haben Räte gegeben und holten welche bei uns gegenseitig ein, wobei ich, da bei mit momentan alles ziemlich perfekt läuft, vorallem zuhörte oder versuchte sinnvolle Lösungen zu geben. Der 23 jährige Lance überlegte sein Job zu kündigen und seinen Traum von der Selbstständigkeit zu verwirklichen und entschied sich mindestens zehn Mal um ob er tatsächlich diesen Schritt wagen soll und tatsächlich hat er mir heute (zwei Wochen später, als er wieder in den Philippinen ankamen) geschrieben, dass er heute seinen Job gekündigt hat. Piotrik wiederum verließ Polen mit seinen 28 Jahren vor ein paar Monaten, nachdem er ebenfalls wegen dem Wunsch nach Selbstverwirklichung sein Job kündigte und sein schwieriges Familienverhältnis hinter sich lies. Er versucht momentan noch herauszufinden wo es ihn hintreibt, ist aber auf einem sehr guten und schönem Weg dorthin.


Das schönste an der gemeinsamen Wanderung war aber doch der ganze Blödsinn den wir machten. Auch wenn wir Abends immer ziemlich fertig in den Teehäusern ankamen und morgens frierend in der Dunkelheit aufwachten, so waren wir zwischen all den anderen Wanderern, die durch Erschöpfung und kälte eher in sich selbst zurück gezogen waren und in ihren Handys versanken, doch immer die Truppe die Morgens anfing zu lachen und Nachts aufhörte und immer ein Gesprächsthema fanden oder Leute einluden mit uns Gesellschaftsspiele zu spielen. Schon nach einer kurzen Weile waren wir bei den anderen Wanderern als die drei internationalen Jungs bekannt die amateurhaftig aber mit viel Humor durch die kälte stapften und genau das taten wir auch.


Die Temperaturen waren im Dschungel Tagsüber noch bei angenehmen 20°C und gingen Nachts dann Richtung 5°C. Mit jedem Tag und mit jedem Höhenmeter den wir hinter uns brachten spürten wir die Temperatur sinken bis wir nach 4 Tagen durchschnittlich tagsüber -2°C und Nachts -12°C hatten. Wir lernten recht schnell, dass einem nicht unbedingt die Anzahl der Kleidungsstücke oder ein heißer Tee warmhielt. Das einzige was wirklich hilft ist in Bewegung zu bleiben, es gibt keine effektivere und zielrichtendere Methode. Ich hatte kein großes Probleme mit der Kälte, da ich einerseits im Gegensatz zu den anderen in Kathmandu ein bisschen mehr Geld in einen guten Daunenschlafsack investierte und andererseits durch mein kaltes Duschen ein bisschen Kälteresistenter war, aber angenehm war es trotzdem nicht. Lediglich als man Abends in den Teehäusern ankam, seine Nudelsuppe aß und sich mit einer heißen Schokolade an die Feuerstelle saß und sich in sein Buch verlierte, vergaß man kurz die Kälte.


An dem vierten Tag überschritten wir die 3.000 Höhenmeter und ich spürte zum erstenmal leichte Symptome der Höhenkrankheit. Ich las mich bereits in Indien in die Pathophysiologie, Prävention und Therapie der Bergsteigerkrankheit ein und erzählte den beiden voller Interesse und fast schon Aufregung das durch den niedrigeren Sauerstoffgehalt ab ca. 2500m die Blutgefäße im Gehirn den Mangel wahrnehmen, sich Weitstellen damit mehr Blut durchfließen kann, dadurch aber die Gefäßwand durchlässiger wird und somit Blutplasma von Gefäßinnenraum in das Gehirngewebe strömt. Da das Gehirn aber im knöcheren Schädel liegt und somit nicht unendlich expandieren kann, steigt der Gehirndruck und das Gewebe fängt an Schäden zu bekommen, welche sich durch Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen, Benommenheit und Verhaltensveränderungen zeigen können. Die erhöhte Atemfrequenz und Erschöpfung liegt dabei vor allem an der Lunge die unverhältnismäßig weniger Sauerstoff bekommt. Das Medikament, Acetazolamid, welches man einerseits präventiv oder therapeutisch nehmen kann, ist ein einfaches Diuretikum, dass die Ausscheidung der Niere erhöht und man somit mehr Wasser auspinkelt. Die beste Therapie ist aber immer der Abstieg und die beste Prävention eine gute Akklimatisierung durch einen langsamen Aufstieg. All das haben die beiden halbinteressiert aufgenommen und sich das Medikament wie TikTaks reingepfiffen. Ich wollte herausfinden wann meine Individuelle Anpassungsfähigkeit and den Sauerstoffmangel endet, was auch empfohlen wird um sich besser einzuschätzen und da man mit den Medikamenten lediglich symptomatisch behandelt und nicht kausal. Ich hatte zum Glück nach diesem Tag kein einziges Mal irgendwelche Probleme mit der Höhe gehabt. Wir trafen andere die sich wie betrunkene wieder nach unten machten, sich übergaben oder sich mit Ibus gegen die Kopfschmerzen vollpumpten. Uns ging es aber gut :)


Wir rafften uns am sechsten Tag um 3 Uhr nachts aus den Schlafsäcken um einen Akklimatisierungstag zum Tilicho-See zu machen, der auf 5000m liegt und von einer Winterwunderlandschaft umgeben ist. Es war ein herausfordernder Tag, aber der Aufstieg lohnte sich zu hundert Prozent. Als wir los gingen schneite es und Lance war außer Rand und Band, da es der erste Schnee war den er in seinem Leben sah. Es war super schön seine Begeisterung zu beobachten und sich animieren zu lassen. Als wir oben ankamen wärmte uns die Sonne auf und wir betrachteten faszinierend die 7000m Berge um uns herum und stapften quer Feld ein um den riesigen Gletchern die in den Fluss mündeten so nah wie möglich zu sein. Man konnte das schhallende Knacken des durch die Sonne Schmelzenden Eis hören und riesige Eisblöcke sehen die vom Gletcher abbrachhen und in den See fielen. Ich hatte mir fest vorgenommen in dem See Schwimmen zu gehen wurde aber leider davon abgehalten, da die einzige Möglichkeit an das Ufer des Sees zu gelangen, ein ca. 100 Meter hohe Fall in den sicheren Tod war. Das war es mir dann doch nicht wert.


Jedoch zog ich meine Angewohnheit kalt zu duschen auch hier weiterhin dickköpfig durch. Es gestaltete sich aber einerseits als nicht wirklich angenehm und andererseits als gar nicht so einfach, da die Leitungen in Bergen an 19 Stunden des Tages zugefroren waren und man das schmale Zeitfenster der Sonneneinstrahlung nutzen musste um sich zu duschen, wobei man während der Zeit normalerweise wanderte. Die Duschen waren eigentlich halbherzige Katzenduschen, bei denen ich splitterfaser Nackt mit einem Bottig halb gefrorenen Wassers neben dem Plumpsklo hockte und mich frierend abwaschte und meine Gänsehaut mit Seife abrieb. Von den Haaren möchte ich erst gar nicht anfangen zu reden, nur so viel, dass ich sie mir einmal in der Küchenspühle wusch, bei der der Inhaber neben mir meine Nudelsuppe zubereitete. Hygiene nahm etwa den gleichen Stellenwert ein wie die Kardashians in meinem Leben. Zu meiner, bzw. unserer Verteidigung muss ich aber sagen, dass durch die Kälte auch die Stoffwechselprozesse von Bakterien, Pilzen und Viren abnimmt und somit auch die olfaktorischen Konsequenzen der nicht vorhandenen Hygiene nicht wirklich wahrnehmbar waren. Bis auf die Füße von Lance, die mich geruchlich an die Wundheilungsstörungen der Raucherbeine im OP Saal erinnerten. Das war schon echt ekelhaft :D


Am neunten Tag kam dann der Wort wörtliche Höhepunkt. Wir stiegen bei -26°C, um 4 Uhr nachts, bei 50% des atmosphärischen Luftdrucks weitere 900 hm über den 5.450m hohen Thorang La Pass. Wir freuten uns wie kleine Kinder als wir oben ankamen und machten oben Schneeengel und eine Schneeballschlacht bis uns die Temperaturen in die kleine Hütte zwang in der ein Nepalese lebt und uns stolz erzählte, dass er schon seit 3 Monaten nicht mehr geduscht hatte (er roch aber halt nicht so wegen der Kälte!!!). Dort trank ich den besten Kakao meines bisherigen Lebens, nicht weil das Milchpulver in dem Wasser so gut mit dem abgelaufenen ubersüßten Kakaopulver harmonierte, sondern weil die Tasse 500ml fasste, das heiße Getränk mich bei den inzwischen -15°C aufwärmte und der Zucker mir die Energie brachte die ich nach dem Aufstieg brauchte. Die heiße Schokolade schmeckte wie der besondere im Eichenfass gereifte Rotwein den man erst an seiner Hochzeit aufmacht und jeden Tropfen so genießt als wäre es ein allheilendes Elixir. 


Die folgenden 1800m runter zeigten sich in vielen schmerzverzerten Gesichtern anderer Wanderer die ihre Kniee innerlich verfluchten. Zur Feier des Tages bestellten wir uns abends noch Pizza, Yak-Burger, Zimtschnecken und reichlich Kakao und spielten mit anderen Wanderern Blackstories am Kamin. Ich schaltete das erste Mal seit Beginn meiner Wanderung das Internet an meinem Handy wieder an um meiner Familie und Freunden bescheid zu geben das ich noch lebe und um ihnen die Abenteuer der letzten Woche zu erzählen. Es war wundervoll wieder mit meiner Familie zu sprechen und meinen Freunden von all dem Blödsinn der Wanderung zu berichten. Piotrik verabschiedete sich hier und nahm einen Jeep nach Kathmandu, weil es ihm genug Kälte und Bewegung war, was ich mehr als gut nachvollziehen konnte. Lance wanderte noch einen weiteren schönen Tag mit mir, an dem wir den ganzen Tag über Gott und die Welt redeten und uns Abends traurig verabschiedeten. Er nahm am nächsten Tag ebenfalls einen Jeep nach Kathmandu weil er an dem darauffolgenden Tag nach Taiwan weiter flog. Die Verbaschiedungen waren rührend und wir ließen die letzen 1½ Wochen nocheinmal revue passieren. Ich hab die beiden echt mein Herz geschlossen und hatte gemischte Gefühle über den Gedanken, jetzt noch weitere 1½ Wochen alleine zu wandern. Aber so ist es nun einmal und da ich in der Zeit mit den beiden tollen Menschen nicht so viel zum Nachdenken kam wie ich dachte und 0,0 Privatsphäre für 11 Tage hatte, freute ich mich auch schon auf die kommenden Tage. Und ich konnte endlich in meinem Tempo wandern!!!! Whoop whoop
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