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Spontane Planänderung

Veröffentlicht: 14.09.2020

Nach einem Ruhetag in Barcelonnette sollte es ja eigentlich weitergehen in die Provence. Meine Route für die nächsten Tage hatte ich schon detailliert geplant, und in etwas weniger als zwei Wochen wollte ich Nizza erreicht haben. Doch kurz vor dem Zubettgehen schaute ich noch schnell auf die aktuellen Nachrichten. Die waren nun gar nicht gut - aus Frankreich wurden weiter steigende Covid-Zahlen gemeldet, und ein neuer Artikel war erschienen, der die zunehmend kritische Situation in Spanien und Frankreich zusammenfasste - mit trüben Aussichten. Ich wurde zunehmend nervös. Meine Route in die Provence würde mich weit ins Landesinnere bringen, und da kam ich dann nicht mehr so schnell weg wenn es kritisch werden sollte. Zudem hatte ich noch eine schöne Alternativroute, die durchs Piemont nach Ventimiglia führen würde, inklusive dem Highlight der Abfahrt über den vielfach hochgelobten ligurischen Grenzkamm. Ich entschloss also spontan nachts um halb elf, am nächsten Tag wieder zurück nach Italien zu radeln. Better safe than sorry...

Bevor es am nächsten Morgen richtig los ging, wollte ich aber noch die Gelegenheit nutzen, den einzigen Zahnarzt hier aufzusuchen um mal nach meinem angeschlagenen Zahn, der sich bisher glücklicherweise ruhig verhalten hat, schauen zu lassen. Trotz Schilderung meiner speziellen Situation wollte man mir aber keinen kurzfristigen Termin geben. Ich könnte ja einen Arzt in Gap aufsuchen, der nächstgrößeren Stadt. Na Dankeschön, die ist mit dem Rad ja nur drei Stunden entfernt.

Also dann lieber Italien. Zurück über den Pass auf dem ich gekommen war, und weiter nach Vinadio, einem wirklich total verschlafenen Nest. Einen Campingplatz, eine alte Burg und eine Trattoria gab’s zwar, aber funktionierendes WLAN war Fehlanzeige. Von hier aus wollte ich die nächsten größeren Etappen angehen, die mich noch vom Mittelmeer trennten.

Zuerst ging es wieder mal knapp 1700 Höhenmeter am Stück hoch, vorbei an St. Anna di Vinadio, einem Kloster, das oberhalb der 2000 Meter Grenze am Hang klebte. Und weiter zum Col de la Lombarde, einem Pass, der mich dahin zurückbrachte, wovon ich eigentlich geflüchtet bin - Frankreich. Aber nur kurz, denn oberhalb des Skiortes Isola 2000 näherte man sich da von hinten dem italienischen Naturpark Alpi Marittime. Die französische Seite kann man da wirklich nur möglichst schnell durchqueren wollen - Isola 2000 ist wirklich eine Ausgeburt an Hässlichkeit. Mit ihren Retortenskigebieten schaffen es die Franzosen doch tatsächlich, den Österreichern in Sachen Naturverschandelung Paroli zu bieten durch mit kreisrunden Speicherseen, breiten Abfahrtsschneisen und Wirtschaftswegen sowie mehrstöckigen, charakterlosen Wohnsilos zerfurchten Landschaften. Da müssen selbst Ischgl und die Skiwelt Wilder Kaiser vor Neid erblassen.

So ganz anders war da die italienische Seite, die atemberaubende und ursprüngliche Natur bot. Wegen der Grenznähe hatten es sich die Italiener aber trotzdem nicht nehmen lassen, ein paar inzwischen verfallene Militärbauten in die Gegend zu stellen. Wie so oft haben diese aber ihren durchaus eigenen Charme, und die Reste der Militärwege formten natürlich einen tollen Abfahrtstrail. In der zweiten ehemaligen Militärsiedlung hatte ich mir dann auch den perfekten Zeltplatz ausgeguckt. Ein See und ein Bach in unmittelbarer Nähe, und neben den Ruinen war es ebenerdig für das Zelt. Wäre da nur nicht dieser Schäfer gewesen, der knapp 50 Meter über mir sein Getier über den Steig in meine Richtung trieb. Diese Ruinen wurden anscheinend auch als Schaftstall genutzt. So ein Mist. Frustriert packte ich meine Sachen, und suchte mir ein anderes Plätzchen. Ich wurde zwar fündig, auf einem kleinen Aussichtsbalkon ins Valasco-Tal. Aber Wasser und Radel mussten dafür mal wieder mühevoll einen Berghang hochgetragen werden.

Am nächsten Morgen war ich dann schon komplett in Nebel gehüllt. Die nächste Schlechtwetterfront kündigte sich an, und ich sputete mich, möglichst schnell ins Tal zu rollen. Ich wollte noch bis nach Borgo San Dalmazzo, der nächstgrößeren Stadt. Denn irgendwann musste doch mal jemand sich meinen angeknacksten Zahn anschauen. 

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