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Der lange Grat

Veröffentlicht: 20.08.2022

Nach den grandiosen ersten zwei Tagen meiner Tour wollte ich es in Valnontey ruhiger angehen lassen. Eine gemütliche Tagestour hatte ich mir ausgeguckt mit einem als ganz gut bewerteten Trail. Einziger Nachteil des Ganzen - der Aufstieg ging auf den selben Pass hoch wie die für morgen geplante Etappe nach Aosta. Aber was soll‘s kann man sich ja schonmal anschauen und wenn‘s ne Katastrophe wird bin ich immerhin gewarnt und kann noch nach Alternativen schauen.

In angenehmer Bergfrische, schon leicht fröstelnd, startete ich bei strahlendem Sonnenschein mit leichtem Gepäck. Zuerst wieder hoch nach Gimillan, dann aber links abbiegend auf den Wanderweg zum Col Tsa Setze. In angenehmer Steigung ging es schiebend gut und flüssig voran. Die ersten 700 Höhenmeter waren ein Klacks. Und wäre eigentlich auch ein toller Abfahrtstrail, dachte ich mir. Dann wurde es steiler und verblockter. Nicht wirklich schlimm, aber mit komplettem Gepäck würde ich da wohl schon ins Schwitzen kommen. Wie auch immer, als ich oben beim Pass war, war das schon alles machbar gewesen. Und mir kam auch eine Gruppe Biker entgegen, die da runterwollte. Konnte also alles nicht so schlimm sein.

Ich genoss also erstmal die fantastische Aussicht auf die ganze Prominenz, die sich da hinter dem Aostatal mächtig auftürmte. Nicht nur der Gran Paradiso war zu sehen, sondern auch Mont Blanc, Grand Combin und die Monte Rosa gaben sich die Ehre. Erhabener geht‘s eigentlich nicht in den Alpen. Mit dem Panorama konnte die Abfahrt ja nur Spaß machen.

Dummerweise lag nun zwischen mir und dieser Abfahrt noch ein Grat. Und der sah in echt deutlich länger und ausgesetzter aus als es die Karte vermuten ließ. Die Wanderer, die mir entgegen kamen, hatten nur ein mitleidiges Lächeln übrig - da ist jetzt erstmal nix mehr fahrbar sagten sie mir. Nicht, dass Wanderer das immer so genau wüßten was für mich fahrbar ist oder nicht. In diesem Fall war deren Aussage nun aber leider ziemlich richtig und zutreffend.

So balancierte ich mein Radel dann also an einer Hand über dem Abgrund freischwebend über die kritischen Stellen, und folgte schwer fluchend dem ständigen Auf und Ab dieses nicht enden wollenden Grates. Beinahe ganz zum Schluss, schon in der Nähe der Gondel vom Aostatal hoch, kam mir dann eine völlig überforderte und sich langsam an den Felsen entlang tastende, wohl nicht ganz schwindelfreie Familie entgegen. Als sie mich sahen, schrien sie mich beinahe panisch flehend an - „You can not go further here with a bike, this is very dangerous!“ Naja, das war eine der wenigen Stellen, die zwar etwas ausgesetzt aber doch gut fahrbar waren. Gut, dass die nicht wussten wo ich herkam und was man mit einem Bike da doch so alles machen konnte.

Schließlich hatte ich den Col del Drinc, und somit auch meinen Trail-Einstieg, erreicht. Ein handtuchbreites, schönes Band schmiegte sich den Hang entlang ins Tal zurück. Leider gerade am Anfang auch wieder sehr ausgesetzt. So war es dann ein Wechselspiel zwischen weiteren Tragepassagen an den Stellen, die keinen Fahrfehler verzeihen würden, und den weniger ausgesetzten Abschnitten die einen tollen Flow boten, vor allem dann unten raus.

Eine insgesamt schöne Tagestour mit einigen Mäkeln also. So konnte ich dann zurück zu meinem Campingplatz um den Tag schön ausklingen zu lassen. Und ich war um eine wichtige Erkenntnis reicher - morgen den gleichen Pass hoch um den Grat nochmal zu machen mit dem gesamten Gepäck - nee! Das wird nix.

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