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Romantik pur in Monowai im Fjordland

Veröffentlicht: 09.04.2023

Auf den Weg nach Monowai wurde ich von einem Mann mitgenommen, der auf den Weg nach Queenstown war und für 3 Tage wandern wollte. Kaum war ich ausgestiegen aus seinem Auto, rief mir ein Mann zu, ob ich nach Gore mitfahren möchte. Er war Metzger und in seinem Betrieb wurden täglich 200 Kühe geschlachtet. Zudem war er Hirschjäger und beherrschte es durch röhren sie auch tagsüber anzulocken und zu bejagen. Er nahm mich noch kurz mit zu einem Freund zum Kaffeetrinken, der ehemaliger Rodeo-Reiter war und nun eine riesige Hirschfarm hat und diese dann als Wurst nach China verkauft. Vom Äußern hatte er Ähnlichkeiten mit Steve-O von Jackass und als er dann vom Rodeo und seinen unzähligen Verletzungen erzählte, verdichtete sich meine Vermutung, dass er es tatsächlich war. Von Gore nahm mich ein alter Mechaniker mit. Als ich ein paar Meter lief und mir eine ruhigere Stelle zum Trampen suchten wollte, hielt dann plötzlich ein Bus und ein jüngerer Mann sprang aus dem Bus und fragte ob ich mitwolle. Ich landete zwischen einer jungen Gruppe von Schafscherern, die gerade Feierabend hatten und nach Hause fuhren. Später wurde ich noch ein paar Meter von einem Paar mitgenommen, welche für ein paar Tage wandern wollten und dann stand ich plötzlich an einer Straße, wo im 15min Takt ein Auto vorbeifuhr. Also entschied ich mich zu laufen… und ich lief und lief und war schon an dem Punkt, dass ich mein Zelt irgendwo am Straßenrand aufschlagen müsse. Doch dann hielt eine ältere Dame mit ihrem Hündchen auf dem Schoß, welche mich dann bis zu einer wieder stärker befahrenen Straße brachte. Dort hielten dann 2 Französinnen, welche für 6 Wochen für 7000 Dollar einen Campervan ausliehen und ließen mich an der Kreuzung zu Monowai heraus, wo es dann nur noch 7km bis zu meiner neuen Unterkunft waren. Diese bewältigte ich dann noch per Fuß, so dass ich pünktlich zum Einbruch der Dunkelheit in meiner Blockhütte, in der ich die nächsten Tage allein verbringen sollte, ankam.

Craig, der Kinderbuchautor und Musiker ist und wie ich später noch herausfinden sollte, dass bekannteste Kinderlied Neuseelands namens „Wonky Donkey“ komponierte, gestattet mir allein in seiner Blockhütte zu leben und gab mir eine kleine To-Do-Liste, welche ich abarbeiten sollte. Ich sollte n paar Bäume pflanzen, Hecke schneiden, Unkraut jäten und 2 Ecken im Haus aufräumen. Ich versuchte die Arbeit schnellst möglichst zu erledigen, damit ich die Umgebung erkunden konnte. Monowai ist ein kleines Dörfchen oder eine Siedlung, direkt am Fuße des Fjordlandes. Und so nutze ich jede freie Minute um in die Berge oder an einen Fluss zum Angeln zu kommen.

Meine erste Wanderung führte mich auf den Eldrig Peak. Der eigentliche Aufstieg war recht kurz, dafür steil, doch um zu diesen zu kommen, hatte ich schon gute 10km in den Beinen. Das Wetter an der Spitze wechselte zwischen Sonne, Regen und Schnee. Und jede noch so kleine Anstrengung und Widrigkeit wurde mit einer wunderbaren Aussicht belohnt. Auf der Tour begegnete ich einem Mann, ausgestattet mit großem Rucksack, Zelt, Verpflegung, GPS-Gerät und Gamaschen, welcher sich eine Route auf seiner Karten-App selbst zusammenstellte. So ist es im neuseeländischen Fjordland anders als beispielsweise in den europäischen Alpen, wo es ein großes Netz an Wanderwegen und möglichen Touren gibt. Die Anzahl der „ausgebauten“ Wege sind sehr übersichtlich und wenn man unterschiedliche Berge hier besteigen möchte, muss man sich irgendwie selbst dorthin durchschlagen. Mir kribbelte es direkt unter den Findernägeln, doch besann mich auch schnell wieder meines Flach-Land-Tiroler-Daseins und hielt mich an die weitestgehend ausgeschilderten Wege.

Als nächstes unternahm ich eine Wanderung vorbei am Lake Monowai zum Green Lake und in einem Rundweg zurück zu meiner Hütte. Ich begegnete auf dieser 30km langen Wanderung ab dem See Monowai keiner einzigen Menschenseele und war der teilweise magischen Stille und wilden Landschaft ganz allein überlassen. Der Weg führte dabei durch unzählige Bachläufe und Sumpffelder, über welche ich aufgrund meiner sehr wasserdurchlässigen Schuhe artistisch hinweg balancieren musste. Irgendwann kam ich dann aus dem Urwald raus und der Green Lake erschien plötzlich vor mir. Ich gönnte mir in dem eiskalten und glasklaren Wasser eine Abfrischung. Der weitere Weg führte mich immer wieder durch kurze Waldpassagen und große Grünflächen mit hohen Gräsern, welche das Finden des Pfades sehr erschwerten. Nach circa 30km kam ich auf eine Gravelroad zurück, welche mich zu meiner Hütte führen sollte. Doch es waren noch circa 16km und meine Beine wurden so allmählich schwerer und die Sonne neigte sich auch schon mehr gen Westen. Und so kam es zu dem glücklichen Ereignis, dass ein älteres Ehepärchen mich auf der Ladefläche ihres Pickups, auf dem die letzten Jahre vor allem Schafe transportiert wurden sein müssen, die letzten 13km mit zu meiner Hütte nahmen. Wir unterhielten uns nach meiner Ankunft kurz und es stellte sich heraus, dass die beiden vor kurzen nach über 40Jahren Schäferdaseins ihre Farm verkauften und nun zum ersten Mal seit Jahrzehnten einen längeren Urlaub machten und auf Entdeckungstour ihrer eignen Insel waren. Dabei hatten sie überhaupt keine Ahnung wo es sie hin verschlagen wird und wie lange sie unterwegs sein werden. Und während der Mann mir ganz stolz über die Erlebnisse und neuen Erfahrungen der letzten Tage erzählte, erzählte die Frau mir parallel wo es für die beiden eventuell noch hingehen wird. Ich versuchte mich dann nach der Begegnung ganz kurz in die beide hineinzuversetzen und versuchte mir vorzustellen, wie es wohl ist nach über 40Jahren immer wieder die gleichen Routinen und harter Arbeit plötzlich mit Geld in der Tasche komplett frei von allen Pflichten das Land zu erkunden… es muss sich für die beiden wie pures Glück angefühlt haben. Auf alle Fälle war ich ihnen äußerst dankbar, da ich nun noch die Abendstunden zum Angeln hatte.

Also packte ich kurz die Angelsachen von Craig zusammen und pirschte mich über ein Privatgrundstück zum dem nicht weit entfernten Borland-River. Der Fluss war mal wieder Romantik pur: mit glasklarem Wasser, einem steinigen Flussbett mit teilweise hohen Felswänden, umgeben von wildem und dichtem Urwald schlängelte er sich das Tal während des Sonnenuntergangs herab. Ich wanderte mit Gummistiefeln an meinen Füßen flussaufwärts und zog an Stellen, wo es eine tiefere Strömung oder tiefere Stellen nach natürlichen Stauungen gab, den Spinner durch das Wasser. Dann schnellte mein Puls nach oben: Es zuppelte plötzlich an der Leine, die Bremse löste aus und ein kräftiger Widerstand war beim Einkurbeln zu spüren. Kurze Zeit später hatte ich eine der dicksten Bachforellen, welche sich jemals an meinen Köder verlaufen hatten, in der Hand. Ich befreite sie vom Hagen, gab ihr ein Entschuldigungsküsschen mit und ließ sie wieder frei. Adrenalingefüllt machte ich mich weiter flussaufwärts und wenige Zeit später wiederholte sich das Szenario von vorn. Diesmal war es eine etwas schlankere aber dafür mindestens genauso lange Regenbogenforelle. Ich entließ sie ebenfalls wieder in die Freiheit und dabei wurde mir bewusst, wie gemein es doch eigentlich ist, diese armen Tierchen aus ihrem alltäglichen paradiesischen Dasein zu reißen. Doch so fiel Mitleid ich für den Fisch und Unsinnigkeit für die Tat empfinde, so viel Aufregung und Spaß löst es aus. Seltsam, wie es mal wieder zu solchen Ambivalenzen im Kopf und Herzen führt und wie ich mir vor allem Begründungen für ein weiteres Fischen und damit Besänftigung meines eigenen Gewissens im Kopf zusammenschustere. Naja, nach einer mächtigen Portion Glück im Bauch, merkte ich, dass es allmählich Zeit wurde umzukehren. Da ich es zeitlich flussabwärts nicht mehr vor Einbruch der Dunkelheit geschafft hätte, entschied ich mich durch einen circa 200m breiten waldig-buschigen Streifen zu kämpfen. Und der Wald war durchsäht von Spuren und Trampelpfaden von Hirschen. Also navigierte ich mit meinem Handy die Himmelsrichtung und versuchte immer den Trampelpfad zu wählen, welcher am begehbarsten war und mich schnellstmöglich auf ein Feld und dem dahinter gelegenen menschengemachten Weg führte. Glückselig den Kampf gegen das Gestrüpp gewonnen zu haben, kam ich an dem Feld an. Bis zum Weg waren es dann circa noch 1km. Ich kam an einer Stelle aus dem Gebüsch, wo sich noch ein schmaler Waldstreifen zwischen Wegesrand und Feldstreifen befand. Und an der Ecke des Waldstreifens erblickte ich einen Pickup und hatte die Vermutung, dass es sich bei diesen um Jäger handelte. Da ich das Feld, welches natürlich abgezäunt und in Privatbesitz war, überqueren musste und die eventuellen Jäger bei ihrer Praxis nicht stören wollte, entschied ich mich auf der anderen Seite des Waldstreifens zum Weg zurückzukehren. Als ich dann fast auf dem Weg ankam, fuhr plötzlich in der Dämmerung ein Auto auf dem Weg entlang und hielt kurz danach, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr auf die Höhe zurück, wo sie Blick auf das von mir gerade betretenen Feldes hatten. Da ich mich gerade auf privates Terrain befand und neben mir ein spärliches Gehölz befand, entschied ich reflexartig, auch um unangenehme Konfrontationen zu vermeiden, mich dahinter zu verstecken. Gefühle wie in Coromandel oder mit Ronnek in St. Peter machten sich in mir breit. Das Auto hielt dann direkt an der Lücke und richtete die Scheinwerfer in meine Richtung. Ich versuchte mich noch etwas mehr zu verstecken, doch selbst ohne meine Erdnussbutterkur hätten die schmalen Bäume und das spärliche Gras es wohl nicht geschafft mich vollends zu verbergen. Also ergab ich mich und lief dem Aufblendlicht des Autos entgegen. Näher kommend sah ich stark geblendet die Umrisse eines Mannes, der neben seinem Auto angelehnt an einem Pfahl auf mich wartete und fragte, was ich hier zu suchen hätte. Ich stammelte, dass ich hier nur etwas herumlaufe und die Gegend entdecke. Er fragte mich, ob ich jage. Er dachte ich sei ein Wilderer, was mich ja im Nachhinein etwas schmeichelte, da ich keinerlei Equipment mit mir führte, mit den ich nur annährend ein Wildschwein oder Hirsch gefährden hätten können. Ich fragte nicht weiter nach, wie er sich vorstelle, dass ich auf Hirschjagd gehe, sondern verneinte plump seine Frage und konnte ihn somit überzeugen, dass ich nur ein ungehorsamer und dummer deutscher Tourist bin. Er berichtete mir noch, dass sie dort jagten, wo ich aus dem Gebüsch kam, wofür ich mich aufrichtig entschuldigte und er und 3 andere Jäger im Auto sitzend dann auch weiterfuhren und mir dann Durchgang auf den Weg gewährten.

Am letzten Tag machte ich dann noch einen kleinen Spaziergang durch das Dorf, als mir plötzlich Peter über den Weg lief. Er lebt seit über 50 Jahren in diesem beschaulichen Örtchen und war gerade dabei seine beiden in die Jahre gekommenen Pferde auf der Koppel zu besuchen und ihnen jeweils ein Möhrchen zum Höhenpunkt des Tages vorbeizubringen. Er hatte eine wahnsinnige positive Ausstrahlung und ich bewunderte ihn für seine Leichtigkeit und tiefe Gelassenheit. Wir unterhielten uns über Kriege, Atombomben und den Übeltaten, welche das DOC, welches für den Naturschutz im Land zuständig ist, in der Region anrichtete. So war die Totenstille bei der Green-Lake-Wanderung deren verschulden, als sie mit Hubschraubern Gifte über die Wälder streuten, um die Populationen der Mäuse und Ratten zu regulieren. Was passierte war, dass sie alle Kleinlebewesen einschließlich der Vögel töteten. Ebenfalls fütterten sie an einer bestimmten Stelle über 3 Tage hinweg Hirsche mit Möhren an, bis sie am 4. Tag alle Möhren vergifteten und somit mehrere tausende Hirsche töteten. Bei jedem Unverständnis und Wahnsinn, welches wir so beleuchteten, hatte er jeweils ein unverständliches aber herzliches Lächeln auf den Lippen. Auch wenn es nur eine kurze Begegnung war, hatte ich das Gefühl einen der glücklichsten Menschen auf diesen Planeten begegnet zu sein, der sich von nichts aus dem Gleichgewicht zu bringen schien. Witzig war noch, als wir auf den Weg zu den Pferden den Jäger von 2 Tagen zuvor begegneten. Da ich durch das aufgeblendete Licht sein Gesicht nicht richtig erkannte, identifizierte er mich und fragte, ob ich noch gut nachhause gekommen sei. Er berichtete, dass ihm und seinen Kumpanen an dem Abend noch 2 Hirsche vor die Flinte liefen.

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