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Südinsel Neuseeland - Beaumont

Veröffentlicht: 28.03.2023

Als nächstes stand der Besuch der Südinsel in Neuseeland an. Die Landung in Queenstown war atemberaubend. Vom Westen kommend flog das Flugzeug über die neuseeländischen Alpen, suchte sich eine Schneise zwischen den Bergen und sank langsam über dem See von Queenstown nach unten, so dass es letztendlich in mitten von Bergen landete. Von dort trampte ich nach Beaumont, weiter im Südosten von Queenstown liegend. Und es waren wieder allerhand nette Menschen die mich mitnahmen und schöne Geschichten zu erzählen hatten. Da war ein Arbeiter, der am Sonntag noch ne Baustelle fertig machen musste, ein deutsches Pärchen auf Weltreise, ein schon mächtig zahnloser Mittedreißigjähriger, der auf dem Weg zum Melken war, eine Krankenschwester, welche damals beim Dreh von Herr der Ringe ein Pferd für die Dreharbeiten zur Verfügung stellte und damit viel Geld verdiente und eine andere ältere Dame, welche reflexartig anhielt, dann aber merkte, dass sie eigentlich noch nie jemanden mitgenommen hatte, Angst bekam und ich ihr zuerst die Frage nach dem Namen meiner Mutsch beantworten musste, bevor ich ins Auto steigen durfte. Sie fuhr am Ende noch einen kleinen Umweg und setze mich beim Hotel und Pub von Gunni und Ally ab.

Ally hatte Gunni bei einer Islandreise kennengelernt. Dort hatten sie zunächst 20Jahre in Gunnis Heimat gelebt und auch ein Restaurantbusiness betrieben, bis ihre Kinder ins Schulalter kamen und die vielen Ferientage nicht mit ihren vollgepackten Arbeitstagen vereinbar waren. Also zogen sie nach Neuseeland, wo gerade in der Gegend in der Ally aufwuchs eine Bar und Hotel neue Besitzer suchten. Seitdem betreiben sie in Beaumont, einem winzigen Örtchen mit 40 Einwohnern, umgeben von großen Bergen und wo der längste und goldreichste Fluss Neuseelands namens Clutha River durchfließt, das Beaumont Hotel und Holiday Park. Während des Goldrauschs wurden bis zu 240t Gold im Fluss und im Umland durch diverse Abbautechniken gewonnen und das Gold war auch der Grund, warum es heute viele kleine Dörfer und Städte in dieser hübschen Gegend gibt.

Ich betrat die urige Bar, in denen große ausgestopfte Köpfe von Hirschen, Wildschweinen und Präparate von überdimensionalen Forellen hingen und wurde von Ally, welche gerade sehr in Eile war, begrüßt. Ich sollte erstmal Platz an der Theke nehmen, ankommen, ein Bierchen trinken und ein Essen von der Karte bestellen. Ich fühlte mich dabei nicht hundertprozentig wohl, wollte aber auch nicht unfreundlich sein, beschwerte mich nicht und so ließ ich dem Schicksal seinem Lauf. Und ja, so sah ab nun an für 2 Wochen mein Leben aus: Bier und andere Spirituosen nach Herzenslust und Essen von der Karte. Es war die traditionelle neuseeländische Küche, welche sich sehr an der amerikanischen orientiert und eine Fritteuse in der Küche nicht wegzudenken gewesen wäre. Aber nicht nur dass mir dort meine Grundbedürfnisse über meinem eigentlichen Standard erfüllt wurden, gaben sie mir noch ein Fahrrad, ein Auto und eine Angelausrüstung, um mir dort meine Freizeit angenehmer zu gestalten. Aber alles hatte seinen Preis. Sie planten das Anwesen Ende des Jahres zu verkaufen und es bis dahin nochmal auf Vordermann zu bringen, um einen möglichst hohen Preis herausschlagen zu können. So hatten sie eine beachtliche Liste an Arbeiten für mich vorbereitet. Und nicht dumm von den beiden, denn sie schafften es ganz gut Gefühle der Dankbarkeit und Schuldgefühle aus mir herauszukitzeln, dass ich jeden Tag anstatt der vier vereinbarten circa sechs Stunden arbeitete. Aber ich möchte mich nicht beschweren: Ich fühlte mich von Anfang an sehr willkommen, dazugehörig und gewertschätzt, wodurch die 2 Stunden mehr am Tag nicht ins Gewicht fielen. Zudem fiel es mir gar nicht so leicht „nur“ die 2 Stunden mehr am Tag zu arbeiten. Wenn ich sah, was die beiden für ein Arbeitspensum hatten, habe ich mich schon fast geschämt nach 6h Feierabend zu machen. Sie hatten zwar ein paar Mitarbeiter, aber überwiegend wuppten sie die Arbeit dort selbst. Und die Tatsache, dass sie die letzten 20Jahre nie länger als 3 Tage am Stück im Jahr frei hatten und sonst eigentlich jeden Tag im Jahr von morgens bis abends sich abbuckelten, war für mich unvorstellbar. Doch ich wurde Zeuge von dem Alltag der Beiden. So arbeiteten sie bis am Abend, bis die letzten Kunden die Bar verließen. Das war im Schnitt so gegen 23Uhr und am Wochenende auch mal 3Uhr. Morgens mussten sie dann gewöhnlich 8Uhr wieder auf der Matte stehen und den Hotelgästen (welche es in meiner Zeit jeden Tag gab) ein Frühstück vorbereiten. Danach erledigten sie bürokratische Dinge und machten Bestellungen, bis dann ab um 11Uhr die ersten Gäste für Mittagessen kamen und das gewöhnliche Alltagsgeschäft ins Rollen kam. Den meisten Umsatz machen sie mit dem Essen, obwohl jedes Getränk 10 Doller, also circa 6 Euro kostete. Diesen Preis hatten sie eingeführt; und sich dann auch etabliert, als sie ihre Kinder in das Business integrierten, damit sie nicht viel rechnen mussten. Und das Geschäft schien zu florieren. Doch laut Ally konnten sie sich kein großes Vermögen ansparen, da sie vor allem nach der Schulzeit auch ihren Kindern ein Studium ermöglichten. So ist es in Neuseeland ähnlich wie in Amerika, wo es horrende Studiengebühren gibt. So mussten sie 50000 Dollar, also circa 30000 Euro im Jahr nur für die Studiengebühren ihrer 2 Kinder bezahlen. Hinzu kamen dann noch die Kosten für Essen und Unterkunft, welche in Neuseeland ähnlich wie in Deutschland sind. Naja, auf jeden Fall waren die beiden ganz schöne Arbeitstiere und ganz anders gepolt, als mein häufiger Arbeitskollege Larry. Larry war ehemaliger Truckfahrer und lebte bis vor 2 Jahren auf der Nordinsel, bis es ihm dort zu unruhig wurde und in die ruhige Gegend von Beaumont zog, wo er mit seinen 62Jahren so allmählich und sanft in die Rente hineingleiten möchte. Seine Frau ist auf der Nordinsel geblieben und über seinen Beziehungsstatus wusste er auch nicht so recht Bescheid, doch wie wohl auch alles andere in seinen Leben, ließ er sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Mit seinem vom Rugby leicht zum O geformten Beinen, seinem braunen Teint und stets einem Cappy auf dem Kopf schlenderte er am späteren Morgen seiner Arbeit entgegen und hatte immer einen lustigen Spruch in Kombination mit einer bestimmten Körperbewegung auf den Lippen. An einem Tag vollbrachten wir eine Arbeit, welche ich 3 Tage später mit Gunni innerhalb von 30min erledigte. So ging das Arbeitstempo auch nicht an Gunni und Ally vorbei. Doch sie gewährten Larry sein Arbeitstempo. Dann war doch noch Kathy, 67 Jahre, welche in den letzten Jahren ein Schicksal nach dem anderen erhaschte, wodurch sie noch Arbeiten musste. Sie war eher von der unruhigen Natur und lief immer ganz wild von A nach B und verschusselte immer mal etwas. In meinen Augen war sie zügig und auch sehr motiviert, doch Ally meinte, dass sie sie auch mehr aus Mitleid angestellt habe. Aber klar, will man sich mit dem Arbeitspensum und der Geschwindigkeit von Ally und Gunni vergleichen, gehört man womöglich schnell eher in die Kategorie Schildkröte. Auf jeden Fall machte es mir den Anschein, als ob sie eine Art Gnadenhof für die älteren Menschen dort sind.

Meine Lernaufgabe war den latenten Ansprüchen und Arbeitslistendruck in der Manier eines Larrys abzuschütteln und mein Tempo zu finden, ohne dass ich mich arg verbog. Und meine Freizeit gestaltete ich dann mit vielen Gängen zum Clutha-River zum Plantschen und Angeln, einen Ausflug auf einen Berg, einen Ausflug nach Alexandra in Museum oder einer Jagd mit einem Stammgast der beiden. So erzählte ich eines Abends Ally, welche gewöhnlich ihren Rum mit Sprudel zum Ausklang des Tages genoss, dass ich am Jagen interessiert sei. Die einzigen Gäste waren noch eine junge Gruppe, welche gerade auf einen Geburtstag anstießen. Und kaum sind mir eine Interessensbekundungen über die Lippen gegangen, brüllte Ally in Richtung von Nick, wann er wieder jagen gehe. Ohne sie anzuschauen, brüllte er Donnerstag zurück. Daraufhin fragte sie, ob er mich mitnehme, worauf er nur Donnerstag 7Uhr zurückrief. Ich mochte diese einfache und klare Kommunikation. Am Donnerstag trafen dann Nick mit einem Freund, welche beide circa 25 Jahre alt waren, schon gegen 18Uhr in der Bar ein. Nick rief mir nur zu, dass ich gut essen solle, da ich heute ein Wildschwein aus dem Wald tragen muss und setzte sich mit seinem Kumpel an einen Tisch und orderte Bier. Letztendlich machten wir uns einige Bier später der beiden gegen 21Uhr auf dem Weg ins Revier, da es vorher für die Hunde zu heiß gewesen wäre. Gesprächsthemen im Auto war Alkohol, Hirsche, Wildschweine und Frauen. Mir rutschte immer mal wieder das Herz in die Hose, wenn der Kumpel von Nick Bilder auf seinem Handy oder auf dem Handy von Nick anschaute und dabei Richtung Straßengraben steuerte und kurz vorher dann das Lenkrad wieder rumriss, wonach beide sich leicht erschrocken freuten. Im Revier angekommen, statteten sie ihre Hunde mit einem GPS-Halsband aus, ließen sie frei herumlaufen, während Nick sie auf einem GPS-Gerät verfolgte und sein Kumpel langsam einen Weg entlangfuhr. Beide waren nur mit einem Messer ausgerüstet und Gamaschen an den Hosen, wenn sie ihren Hunden dann ins Gebüsch folgen mussten. So fuhren wir dann circa 1h durch das Revier. Doch die Hunde fanden keine Fährte und so kehrten wir dann wieder zurück. Auch wenn ich immer noch kein Zeuge von einer erfolgreichen Jagd wurde, war es für mich doch ein spannendes Erlebnis wieder etwas mehr mit den Jagdtechniken der Neuseeländer vertraut zu werden.

An einem freien Tag machte ich einen kleinen Roadtrip nach Te Anau, einem bekannten Örtchen direkt am Fjordland und Ausgang für Wanderungen und Bootstouren. Ich hatte mir vorgenommen, etwas auf dem Kepler-Track, einen der 8 Great-Walks in Neuseeland, zu spazieren. Und bevor ich dann abends in meinem Auto in Schlaf fiel, kam mir noch der Gedanke, vielleicht einfach früher aufzustehen und den Sonnenaufgang auf dem Berg zu bewundern. Und es war keine schlechte Idee, so war ich gerade über der Baumgrenze, als es anfing zu Dämmern und kurze Zeit später die Sonne hervorkam, während über dem See im Tal sich noch ein Meer aus Wolken befand. Es war herrlich. Ich lief dann noch auf den Mount Luxmore, bevor ich den Rückweg antrat und jede Menge Menschen mir entgegenkamen, die den Kepler-Track liefen.

Und nach einigen Angelausflügen, jede Menge frittierten Speisen und tiefere Eindrücke in das Leben von Barbetreibern, verbrachte ich den letzten Abend mit Ally und dem einen oder anderem Schnäpschen an der Bar. Wir sprachen nochmal mit der Wahrheit des Alkohols über die vergangenen 2 Wochen, ihrem Leben als Selbstständige hinter der Theke und ihren privaten Gesprächen mit den doch häufig verzweifelten Menschen auf der anderen Seite der Theke. Und wie es im Leben nun mal so ist, war das Hauptleid der Menschen die Beziehungen zu anderen. Und hier hat sie über die Jahre ein Modell entwickelt, welche sie als Seelentrösterin ihnen aufzeichnete und als Weisheit weitertrug. Und verrückter Weise, handelte es sich im weiteren Sinne um ein Modell der Liebe, welches ich für meine letzte Prüfung lernen musste. So gibt es in der Liebe das Dreieck Sex-Geld-Kommunikation, welches in Einklang für eine Intakte Beziehung gebracht werden muss. Im Lehrbuch bestand dieses Dreieck aus Intimität (Kommunikation), Körperlichkeit (Sex) und Rationalität (Geld). Doch ihre langzeitige soziologische Feldstudie war damit noch nicht zu Ende. So machte sie Arbeit, Kochen und Putzen zuhause als die größten Diskussionsthemen fest, während Gewalt oder Missbrauch in den Bereichen Sex, Körper, Psychisch und Verbal zu den Hauptgründen von Scheidungen gehören. So ein Leben als Barbetreiber ist schon spannend, aber Ally freut sich auf einen Tapetenwechsel.

Und dann nahm diese Zeit auch wieder ein Ende und ich machte mich auf den Weg ins Fjordland.

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