Veröffentlicht: 17.03.2023
BULA… sagt man zur Begrüßung auf den Fiji’s. Diese Vokabel zählt zu den wichtigsten und geht einem mit einem erwidernden Lächeln in Dauerschleife über die Lippen. Begrüßt wurde ich aber zusätzlich schon gewohnheitsgemäß mit einem kräftigen Regenschauer in Nadi, wo sich der internationale Flughafen von Fiji befindet. Ein äußert freundlicher Taxifahrer fuhr mich dann bis zu einer überfluteten Brücke, über welche ich dann zu Fuß watete und auf der anderen Seite mich dann Bosame abholte, welcher mir über Couchsurfing einen Schlafplatz gestattete. Bei ihm und seiner Familie nächtigte ich eine Nacht, bevor ich ins Hostel umsiedelte, ich mir von der Managerin Imeri dort eine Tour auf den Yasawas planen lies und am nächsten Morgen bei herrlichen Regen mit der Fähre zu meinem ersten Homestay auf der Insel Waya aufbrach.
Dort traf ich dann auf Sebastian aus Frankreich, welcher sich mit seiner Frau und seinen beiden Kindern auf Weltreise befand. Er ist Lehrer und arbeitet schon länger in Kongo und ist nun so lange auf Weltreise, bis ihnen das Geld ausgeht. Weiterhin waren da noch zwei junge Engländerinnen, mit denen ich mir ein Zimmerchen teilen durfte. Eine der beiden vergaß mir jedoch mitzuteilen, dass sie unter Alpträumen leidet. Ich bekam es dann aber auch schnell zu spüren, als sie in der Nacht plötzlich laut anfing zu schreien und ihre Freundin sie daraufhin ganz routiniert besänftigte, bevor sich später noch ein paar Mal ähnliches Szenario wiederholte. Ihr war es am nächsten Tag sehr unangenehm, während ich ihr gern geholfen hätte, diese Alpträume loszuwerden. Und dann war da noch Ariel. Ein Argentinier im Urlaub und ein Schlitzohr, der seines Gleichen sucht. Wir gönnten uns am nächsten Tag einen Tauchgang mit Bullsharks; einer der gefährlichsten Haigattungen der Welt. Der Preis ließ uns beide etwas an dem Vorhaben zögern, doch da es etwas Einzigartiges ist, ließen wir uns drauf ein. Ariel scheut keine Verhandlungen. Und so war seine erste Handlung auf der gegenüberliegenden Insel, auf dem die Tauchbasis sich befand, die Verantwortlichen um einen Discount zu bitten. Doch die Art und Weise löste in mir eine großen Fremdscham aus. Er machte den Leuten einen unterschwelligen Vorwurf bezüglich des Preises und sagte, dass er noch nie annährend so viel für einen Tauchgang bezahlt habe. Weiterhin versuchte er Mitleid zu erregen und berichtete von der hohen Inflation und der Armut in seinem Land… einen Tag zuvor hat er vor mir noch geprahlt, welchen gutbezahlten Job als Ingenieur er habe. Als sich sein Gegenüber wenig davon beeindrucken ließ und von dem Preis nicht abwich, fragte er, ob wir dennoch tauchen wollen. Ohne zu zögern gab ich ihn meine Zusage, um weitere unangenehme Situationen zu vermeiden… und Ariel ließ dann auch locker und verzichtete glücklicherweise auf weitere manipulative und beschämende Verhandlungsargumente. Allgemein ließ mich diese Situation dann auch an mir zweifeln, da ich in bestimmten Situationen nach nem Bierchen oder zwei auch gern mal in Verhandlungsgespräche trete und das Unverständnis der mich begleitenden Personen bis hier hin nie wirklich ernst nahm. Mal gucken ob sich dieses Erlebnis auf mein Verhalten nachhaltig auswirken wird.
Auf jeden Fall tauchten wir dann mit den Haien, welche seit 8 Jahren an dieser Stelle für wissenschaftliche Zwecke gefüttert werden. Gegenstand der Forschung sind die Persönlichkeitsstrukturen der Haie. Unsere Gruppe bestand neben uns 5 Touristen aus einem 2-köpfigen Kamerateam, sicherlich 7 Einheimischen, welche fürs Füttern und für den Schutz der Taucher zuständig waren, 2 aktiven Forschen und einen Forscher, welcher die ersten Jahre dieses Projekt begleitete und mehr als 2000 Tauchgänge nur an dieser Stelle machte und gerade mit seinem Vater zu Besuch war. Dieser erläuterte uns, dass er alle Haie mittlerweile an ihren Äußerlichkeiten und Charakteren erkenne. So sind manche schüchterner, andere mutiger und frecher und andere etwas aggressiver. Für mich sahen alle gleich aus und ich konnte sie nur durch die unterschieldiche Größe der Fischhaken unterscheiden, welche sie noch an ihren Mundwinkeln hängen hatten und wohl nach Aussage des Forschers innerhalb von wenigen Wochen durch einen Verdauungsvorgang verschwinden. So gingen wir dann auf 20m Wassertiefe und positionierten uns kniend hinter einer kleinen Mauer, während direkt seitlich vor der Mauer die Fütterung durchgeführt wurde. Hinter uns waren in geringen Abständen die einheimischen Taucher mit einer Alustange und einem Ring am Ende ausgerüstet. Mit diesen wurden die Haie zurückgehalten, wenn sie uns zu nah kamen. Und wi waren Auge in Auge mit den Haien. So kamen sie mit Sicherheit circa 40cm vor unsere Gesichter und wir hatten eine fabelhafte Sicht auf die 8 gefräßigen Haie, welche sich glücklicherweise mit den Fischköpfen zufriedengaben und uns somit erfreulicherweise die Erfahrung Fischfutter zu werden erspart blieb. Und obwohl sie nicht zu der größten Haigattung zählen, waren alle ausgewachsene Bullsharks mit einer Länge von circa 3m ziemlich eindrucksvolles und imponierende Gestalten.
Zurück auf unserer Insel plante ich noch eine kleine Wanderung auf einer felsigen Erhebung im Hinterland. Sie baten es als geführte Tour an, doch da mir 15Euro zu viel waren, erkundigte ich mich bei anderen Einheimischen, ob der Weg gut zu finden sei. Ein netter Mann beschrieb mir den Zugang zu diesem Weg und meinte, dass ich mich auf dem Weg dann immer rechts halten solle. Eine Japanerin, welche in der Nachbarschaft untergebracht war, wollte ebenfalls Geld sparen und schloss sich mir an. So fanden wir den Zugang des Weges und hielten uns nach der Beschreibung des Mannes immer schön rechts. Der Pfad wurde immer schmaler und wir wurden uns unsicher, ob es der richtige sei. Ich suchte den Weg dann auf meiner App und es zeigte uns an, dass wir etwas auf Abwege gekommen waren. So versuchte ich uns dann zurück auf den eigentlichen Weg zu navigieren, was uns durch dichtes Gebüsch führte… bis wir vor einem Bach standen, dessen Überquerung nicht wirklich möglich war. Also entschieden wir zurückzugehen. Doch wir konnten unseren Pfad in mitten von Gestrüpp nicht mehr finden. Ich merkte schon die ganze Zeit, dass Kumiko, die Japanerin, etwas unruhig atmete und unsere Exkursion ihr nicht ganz so zusagte. Erfreulicherweise konnten wir jedoch etwas verschwitzt den Pfad wieder finden und liefen zurück. Während ich meine Hoffnung noch nicht aufgab und an einer Kreuzung noch einen anderen Weg probieren wollte, entschied sich Kumiko den Rückweg anzutreten, was mir gar nicht so unrecht war, da ich mich für sie verantwortlich fühlte. Aber der andere Weg war dann der richtige und ich erreichte dann nach circa einer Stunde den Gipfel. Leider fing es pünktlich am Gipfel an zu regnen, wodurch eine Aussicht nicht existierte. Doch nach 20min Warten unter einem kleinen Felsvorsprung zeigte sich Petrus gnädig und ich hatte noch einen wunderschönen Sonnenuntergang.
Nach 2 Nächten ging es dann mit der Fähre auf die nächste Insel namens Naviti an den Strand Wai Makare. Dort hatte der Vater von Seru vor 30 Jahren ein Grundstück gekauft, welches Seru nun mit seiner Familie bewohnt und seit Anfang des Jahres seine neu erbaute Unterkunft für Touristen eröffnete. Seru hat die letzten 20 Jahre in Australien in der psychiatrischen Pflege gearbeitet und nun das dort ersparte Geld in das Touristenprojekt seiner Heimatinsel gesteckt. Ich war der 9. Gast und mit einem deutschen Pärchen aus Mönchengladbach der einzige Tourist vor Ort. Und das war stark zu spüren, da die Menschen dort alle noch nicht so übersättigt von Touristen waren und so eine wundervolle freundliche und von netten Unterhaltungen geprägte Atmosphäre entstand. Nox, ich glaube ein Cousin von Seru, war einer der erfahrensten Speerfischer dieser Familie. So kann er bis zu circa 50m tief tauchen und laut seiner Aussage bis zu 10min dabei unter Wasser bleiben. Unvorstellbar, aber wohl von den dort ansässigen Menschen nichts Außergewöhnliches. Ganz gesund kann es jedoch nicht sein, da er nach solch einen Tauchgang gewöhnlich Kopfschmerzen hat und für den Tag erstmal ausgeknockt ist. Auf die Frage, ob es aufgrund der Bullsharks gefährlich sei, berichtete er, dass es viele auch tödliche Fälle von Angriffen der Haie auf Taucher gäbe. Doch er habe keine Angst, da Gott ihn beschütze. Er nahm Yannik, Franzi und mich dann zu einem weniger tiefen Harpunen-Ausflug am Riff direkt ein paar Meter vom Strand entfernt mit. Dort benutzte er anstatt einer Harpune mit Seil an dem Pfeil, welcher er bei den tiefen Jagden benutzt, eine Art Gummischleuder mit einem sehr langen Eisenpfeil. Er schoss dann auch nur auf kleine Rifffische, welche später für ein BBQ verwendet werden sollten. Erstaunlich war dabei, wie er ohne Gewichte am Körper einfach mitten im Wasser stand und keinen Auftrieb hatte. Er meinte, dass dies durch eine ballaststoffarme und reisreiche Ernährung möglich sei. Mein bojenartiger Auftrieb würde sich wohl bei solch einer Ernährung aufgrund meines erst kürzlich neu erworbenen Speckmantels nur geringfügig reduzieren. So lehnte ich auch dankend ab selbst mit dieser Unterwasserflitsche auf die kleinen Fischlein zu schießen und bestaunte das Spektakel schnorchelnd.
Nach abermals 2 Nächten ging es dann weiter auf die Insel Nanuya Lailai zum Sunrise Lagoon Homestay. Von dieser nördlichen Insel ist es wohl nicht mehr weit zu den Ferienresorts von Berühmtheiten wie Leonardo di Caprio. Auch wenn die Landschaft ganz schön war, war die Unterwasserwelt bei unserer Insel eigentlich so gut wie tot. An was das dort konkret lag, weiß ich nicht, aber die Riffe werden wohl zum einen durch die Erderwärmung und zum anderen von illegalen Dynamitfischern zerstört. So machte ich dort mit ein paar netten Bekanntschaften ein paar Spaziergänge über die Insel und wir ließen uns abends von einem Einheimischen namens Navi bespaßen, der während unzähligen Bieren alle möglichen Lieder begleitend von seiner Gitarre vorsang, Zaubertricks aufführte, Witze oder Anekdoten aus seinem 26jährigen Leben mit schon den einen oder anderen Zahnverlust erzählte. Wild ging es dann plötzlich zu, als 2 Hunde sich im Kampf um ein läufiges Weibchen kräftige in die Haare bekamen und er diese mit dem Griff zu der Schnauze eines Hundes trennen wollte. Weder ihm, noch den anderen Männern, welche mit Stöcken auf die Hunde eindroschen, gelang es nicht. Erst als einer der Hunde humpelnd das Weite suchte, war die Keilerei vorüber. Das Resultat: sicherlich stark verletzte Hunde, welche wir bis zur Abreise nicht mehr sahen und einer tiefen, circa 5cm langen und klaffenden Bisswunde an Navis Finger. Für ihn aber kein Grund für Trübsal. Eigentlich ein Fall für einen Chirurgen, doch er nahm es auf die leichte Schulter, ließ sich noch von uns überreden die Wunde nicht nur mit warmem Wasser zu spülen, sondern auch zu desinfizieren und verbinden zu lassen… und dann ging seine Unterhaltung weiter. Unglaublicher Typ oder unglaublich der Umgang mit Verletzungen. Er erzählte uns dann, dass er große Narben am Nacken habe, wo sich mal ein Hund vor Jahren festgebissen habe und diese Wunde am Finger auch trotz Taubheitsgefühl nicht so schlimm sei.
Dann war da noch Vitali. Sein Aussehen erinnerte an Russel Crow, während sein Verhalten dem vom Forest Gump glich. Er kam aus der Ukraine und war vor dem Krieg auf Weltreise und ist seitdem nicht mehr zurückgekehrt. Er habe sich vor der Corona-Krise durch den Kauf und dann Verkauf von Masken ein Guthaben alla Fynn Kliemann erwirtschaftet, was ihn weniger finanzielle Sorgen beschert. Ein Zurückkehren in die Ukraine ist für ihn jedoch ausgeschlossen, da er an die Front müsse und dass nicht will. Doch er versuchte trotzdem sein Land zu unterstützen und machte durch Fundraising mehr als 6Mio Dollar in den USA. Von diesem Geld kaufte er Medikamente, Verbandsmaterial und andere wichtige Dinge, flog diese Sache wiederholt nach Polen, von wo aus sie in die Ukraine geschleust wurden. Doch medial geriet er mit einer ukrainischen Influencerin, welcher sich mit an der Front befindet und von dort aus immer berichtet, aneinander. Diese warf ihn Verrat vor, worauf er letztendlich medial so ins Kreuzfeuer geriet, dass er nun zu einem Staatsfeind der Ukraine erklärt wurde. Für ihn ist klar, dass er wohl nie wieder in sein Heimatland zurückkehren wird und darf. Für ihn alles halb so wild, da er eh keine Freunde mehr in der Ukraine habe und seine Mutter in Deutschland lebe. Verrückte Geschichte.
Ansonsten heilte ich auf der kleinen Insel noch meine Auspuffprobleme aus. Seit der Zeit auf Tanna und dem Zerkauen von der nicht hundertprozentig schmutzfreien Kavawurzel, hatte sich wohl ein Fremdkörper in das System meines Vergasers geschlichen und festgebissen, welcher womöglich für den ungewohnten Aggregatzustand des Ausscheidungsprodukts verantwortlich war. Doch ich bekam dann die Empfehlung von einer anderen Reisenden mit ähnlichen Problemen, auf dem Blatt eines dort ansässigen Baumes namens Guanabana herumzuknabbern. Verdammt bitter und etwas mit Wermut zu vergleichen. Zusätzlich verköstigte ich die Samen von Papayas, welche Kombination mich tatsächlich nach circa 2 Wochen zu einem intakten Auspuffsystem verhalfen.
Und dann ging auch schon wieder die Zeit auf den Fijis und damit meine Stippvisite im pazifischen Ozean zu Ende. Neben der beeindruckenden Landschaft werde ich hoffentlich die Herzlichkeit und die Offenheit der Menschen mit den vielen Grüßen, Lächeln und kurzen Unterhaltungen in einer wunderbaren Erinnerung halten. Wirklich sehr faszinierend, wie die Menschen doch im Verhältnis zu unserer westlichen Welt einen wesentlich geringeren materiellen Reichtum besitzen, aber eine bewundernswerte authentische Freundlichkeit, Interesse und Hilfsbereitschaft in sich tragen. Ein Mann von einer anderen Insel der Fijis, gerade urlaubmachend in Nadi und Menschen mit seiner Familie beobachtend, lernte ich am Busbahnhof in Nadi kennen. Er lud mich zu ihn nach Hause ein und ich fragte ihn, wie er seine und die der anderen Menschen schon fast bedingungslosen Freundlichkeit erkläre. Seine einfache und doch so schöne Antwort lautete: Er glaube an das Gute im Leben und dass die positive Energie, welche er in die Welt gibt, zu ihm zurückkomme, wenn er sie brauche.