Einmal Asien Bitte
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Baoji - 宝鸡

Veröffentlicht: 28.12.2019

Eine weitere Zugfahrt, juhuu... Dritte Klasse, Sechsbettabteil, keine Türen, Füße ragten in den Gang (meine hätten ihn versperrten (wenn ich weiter unten gelegen hätte)), doch Klimaanlage auf 15 grad gestellt gab es – geil. Als einzige Europäer im ganzen Zug wurden Tom und ich schnell ungewollt zur Hauptattraktion des Zuges. Es kamen Kinderscharen um die Geschöpfe aus dem Westen zu betrachten und auch Erwachsene hatten ihren Spaß sich an uns zu ergötzen. Besonders ein Junge schien sich sehr für ein Handyspiel zu interessieren, dass ich spielte, da es dies in China aufgrund der „Great Firewall of China“ nicht zu geben schien. Da ich selbst keinen besonderen Spaß an dem Spiel hatte ließ ich ihn spielen und kam so mit ihm und seiner Mutter ins Gespräch, die als einzige im Waggon ein paar Worte Englisch sprachen. Das folgende Gespräch war ein Aufeinandertreffen von Weltoffenheit und beschränkter, verzerrter und systemtreuer Weltsicht. Auf unsere Frage hin welches Bild die beiden (Sohn (15J) und Mutter) denn von Deutschland hätten oder was sie mit Deutschland in Verbindung bringen würden, fiel ihnen nichts weiter ein als „Hitler“, dem irgendwann noch der Begriff „Ausbeutung“ beigefügt wurde. Auch im Bezug auf die generelle Sichtweise der Chinesen auf das eigene Land war dieses Gespräch sehr aufschlussreich und deckte sich im Konsens mit allen anderen Gesprächen die wir führen oder mit Eindrücken die wir sammeln durften. So stellten etwa Chinesen sich und ihr Land so dar, als würden sie der Welt helfen, nur Gutes tun und Frieden in die Welt bringen. Taiwan sei so auch kein souveräner Staat sondern Teil Chinas, Hongkong wurde als Problem angesehen, was von der Regierung „gelöst“ werde und westliche Medien seien die reinste Lügenpresse oder würde Dinge einfach grundsätzlich falsch verstehen. Ah ja genau...

Besonders lustig wurde die abendliche Prozedur ins Bett zu Klettern... erstmal ging es über eine Leiter, vorbei an den Füßen zweier Chinesen in die dritte Etage, in die man dann mit dem Kopf zuerst hineinrobben musste. Hinsetzen oder andere Manöver – unmöglich. Das einzig Mögliche war die Wurmrolle auf der Stelle, da links und rechts knappe fünf Zentimeter und bis zur Decke ca. 35cm Platz waren. Sobald man es geschafft hatte sich auf die Seite zu legen konnte auch das logistische Problem der Verstauung des Rucksacks in Anspruch genommen werden. Dafür war die Embryonalstellung geeignet, da sie, soweit eine Anwinklung der Beine möglich war, Platz hinter den Kniekeelen bot, der als Stauraum für den Rucksacks für die Nacht dienen sollte. Ein Positionswechsel war in dieser Nacht zwar aufgrund der Härte der Liegefläche von Nöten, aber nicht möglich.

Endlich übermüdet in Baoji angekommen begann eine verzweifelte, achtstündige Hotelsuche, die im zwölften Stock eines anderen Hotels endete, da unser eigentlich gebuchtes Hotel nicht zu existieren schien... Zumindest war es nicht an den beiden angegebenen Adressen (die sich änderten, sobald man sie auf chinesisch anzeigen lies) zu finden, einheimische sagten dieses Hotel existiere nicht und wir, sowie Booking.com, konnten das Hotel nicht kontaktieren. Egal, die handgemachten Dumplings, die wir in den nächsten Tagen aßen waren nirgendwo so gut wie in Baoji. Ein Träumchen!

Auch wenn Baoji als Millionenstadt nicht besonders viel zu bieten hatte, war es schön zu beobachten, wie sich die Menschen abends zum gemeinsamen Tanzen vor den Häusern und auf Plätzen getroffen hatten. War zwar weniger ein Paar oder Gemeinschaftstanz, sondern viel mehr eine Massen- Nachmachtanz-Gymnastik, aber trotzdem ganz schön.

Was leider nicht besonders schön war, war ein Mega-Bauprojekt im Herzen der Stadt. Wenn du den Berliner Flughafen aus Großbaustelle bezeichnest, dann warst du noch nicht in China. Das Ausmaß dieses Innenstadt-Bauprojektes offenbarte sich uns erst, als wir bei einem Ausflug in die Berge einen Hügel am Stadtrand erklommen. Eine Stadt in einer Stadt.

Der eben angesprochene Ausflug in die Beige Baojis war das Highlight unserer Zeit in Baoji. Wir gingen aus der Stadt heraus Richtung Berghänge und durchquerten Dörfer, in denen der Blicke der Einheimischen zufolge noch nie Europäer gewesen waren. Als wir ein wenig höher waren, warnten uns Einheimische, die uns extra mit dem Auto gefolgt waren, das wir hier aufgrund irgendwelcher Gefahren nicht weiter gehen dürften... Wir wählten einen anderen Weg unterhalb unserer ursprünglichen Route und gelangten schließlich nach einer bildschönen Wanderung vorbei an Reis- und Maisterassen und durch den Dschungel ans Ende des asfaltierten Weges, an dem eine Art Wasser-Pumpstation gelegen war. Als wir gerade umkehren wollten, da kein Weg an dieser Station vorbei führte, wurden wir von einem Polizeiauto mit Blaulicht überrascht, das den Berg hoch geflitzt kam. Aus diesem kletterten fünf Polizisten, die uns fragten, was wir hier machten. Mit unserer Antwort, das wir wandern und uns die Natur angucken würden, konnten die Polizisten nicht wirklich etwas anfangen, da dort wahrscheinlich noch nie vorher ein Europäer gewandert war und Einheimische dies anscheinend grundsätzlich nicht tun. Mit großem Unverständnis auf beiden Seiten wurden vorsichtshalber erst einmal unsere Reisepässe abfotografiert und in allen möglichen Messengergruppen mit Freunden, Kollegen und Familie geteilt – so nach dem Motto „guck mal, wir haben zwei Europäer gefangen“. Wer weiß, was die Menschen aus dem Dorf, die die Polizei gerufen hatten gedacht hatten, was wir beiden dubiosen, europäischen Subjekte suchen würden, aber die Polizei entschied sich uns zurück zum Hotel zu eskortieren, was uns ganz gelegen kam und wir leisteten keine Widerrede (u.a. auch, weil wir gehört hatten, dass die chinesische Polizei dazu berechtig war einen für max. zwei Wochen grundlos festzuhalten). Mit einer kleinen Kaffee-und Raucherpause für Chefchen Sheriff ging es also wieder zurück zum Hotel. Exklusiver ging’s nicht. 

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