Auszeit - Reise Richtung Osten
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New Orleans, Louisiana

Veröffentlicht: 06.09.2019

Am späteren Nachmittag trafen wir in unserem neuen Zuhause ein. Das Nola Inn & Suites hat seine besten Jahre schon längst hinter sich. Seit den 60er Jahren wurde am Zimmer nur wenig verändert. Die etwas heruntergekommene Lokation wäre der perfekter Schauplatz für einen Mordfall. Alles passt: Die Fassade, das Inventar, der riesige Röhrenfernseher, das alte Bad, ja sogar der leicht muffige Geruch beim Betreten des Zimmers. Auch das Personal hatte authentischer nicht sein können. Zwei ältere Damen, die den Mund kaum aufkriegten und ein dürrer, dunkelhäutiger Hauswart, der im breitesten südstaaten Akzent Reden schwang – wir verstanden nur sehr wenig und taten, was man in solchen Sitautionen immer tut. Wir lächelten und nickten höflich. Ein wunderbares Setting, aber zugegebenermassen auch etwas gruselig.

Nachdem wir es uns gemütlich gemacht hatten, kontaktierten wir Kevin. Diesen hatten wir beim Trekken in Myanmar kennengelernt. Da Kevin an diesem Abend arbeiten musste, er ist Barkeeper, beschlossen wir kurzerhand, ihn am späteren Abend in der Bar besuchen zu gehen. Mit dem Uber fuhren wir gegen Abend in die Stadt. In der Bourbon Street, einer weltweit bekannten Ausgangsmeile, war an diesem Abend die Hölle los. Wir erfuhren, dass an diesem Wochenende die Decadence Gay Pride stattfindet. Erwartungsgemäss waren viele bunt bemalte und bekleidete Frauen und Männer anzutreffen. Uns gefiel die ausgelassene, aber äusserst friedliche Stimmung. In einem Lokal verköstigten wir Po-Boys – es handelt sich dabei um eine Art Sandwich, das mit unterschiedlichen Zutaten gefüllt wird. Dazu gab es Pommes. Kein leichtes, aber ein leckeres Mahl. Im Anschluss besuchten wir die Bar Marilou, wo wir Kevin hinter der Bar entdeckten. Der wilde Bart war einem gepflegten Dreitagebart, die Wanderschuhe edlen Halbschuhen und das Wandershirt einem hippen Hemd gewichen. Was für eine Veränderung. Die Freude über das Wiedersehen war riesig. Aus dem Nichts tauchten ein Gläschen Portwein und ein Glas Champagner auf. Ein wirklich gediegener Empfang. Wir blieben eine Weile dort und bewunderten das hübsche Lokal. Zum Abschluss gab es noch einen von Kevin gemixten Drink. Wir verabredeten uns für den Montag und verabschiedeten uns. Zurück in der Bourbon Street liessen wir uns von der Menge treiben und legten im einen oder anderen Lokal einen Stopp ein. Überall spielten Live Bands – für jeden Geschmack war etwas mit dabei. Nach Mitternacht kamen wir allerdings nirgends mehr rein, da wir unsere IDs dummerweise zuhause gelassen hatten. In den USA wird die Altersregelung strenger durchgezogen, als in den asiatischen Ländern.

Am nächsten Tag schrieben wir einige unsere Reiseblogs – in Kanada waren wir stark in Rückstand geraten. Zudem war es tagsüber schlichtweg zu heiss, um grosse Ausflüge zu unternehmen. Im klimatisierten Zimmer war es angenehm kühl. Gegen Abend fuhren wir erneut ins French Quartier und streiften ziel- und planlos durch die Strassen. Wir entdeckten viele Jazz-Lokale, HandleserInnen und Voodoo-Shops. New Orleans ist nämlich nicht nur die Hochburg des Jazz, sondern auch jene des Voodoo-Kults. Wir hatten uns im Vorfeld nicht sonderlich gut über die Stadt informiert und waren über das breite Angebot doch sehr verwundert. Ganz anders als im Film, wo die Voodoo-Puppe dazu dient, anderen Menschen Schmerz zuzufügen, gilt sie hier als ein Zeichen des Glücks und der Liebe. Bestimmt hätten wir im Voodoo-Museum noch einiges dazulernen können, aber dazu war unser Interesse am Kult dann doch zu geringfügig.

Zum Abendessen wagte sich Andrea an den gegrillten Alligator heran. Das Fleisch war erstaunlich zart und geschmacklich sehr ansprechend. Die Konsistenz des Fleisches ist irgendwo zwischen Fisch und Hähnchen einzuordnen. Für einmal gab es Salat und nicht Pommes. Mathias ass Pasta mit Flusskrebs. Der sogenannte 'Crawfish' erinnert an eine Garnele und zählt, wie auch der Aligator, als Lokalspezialität. Von beiden Tierarten gibt es im Übrigen noch genügend frei lebende Exemplare. Den Abend liessen wir bei guter Musik ausklingen – dieses Mal hatten wir die ID mitgebracht. Mit dem Ubertaxi ging es zurück nach Hause.

Wir freuten uns auf unsere Verabredung mit Kevin. Gegen Abend streiften wir erneut durch das French Quarter, die historische Altstadt. Auch architektonisch gesehen ein wundervoller Ort. Besonders die vielen farbigen Häuser im spanischen und französischen Kolonialstil und die vielen Bäume verleihen diesem Stadtviertel einen besonderen Charm. Vom French Quarter gingen wir zirka drei Kilometer bis zu einer Weinbar. Hier trafen wir uns mit Kevin und seiner Kollegin. Der Spaziergang führte durch diverse Wohnviertel und ein ehemaliges Industrieviertel. Die Stadt von dieser, weniger luxuriösen Seite, zu sehen, war extrem interessant. Ohne den Insider-Tipp von Kevin hätte es uns wohl nicht in diese Gegend verschlagen.

Das Konzept der Weinbar gefiel uns sehr gut. Im vorderen Bereich, eine Art Weinkeller, wird der gewünschte Wein ausgewählt. Dazu stehen verschiedene Käse- und Fleischsorten im Angebot. Nach der Zahlung sackt der Kassierer das Gekaufte ein. Wenige Minuten später erscheint eine wunderschön zubereitete Fleisch- und Käsplatte, die mit diversen Dingen, wie beispielsweise Oliven, noch verfeinert wird. Wirklich eine nette Idee. Im schönen Hinterhof können Wein und Speise bei angenehmer Jazz-Musik genossen werden. Dabei kommen die gemeinsamen Erinnerungen aus dem burmesischen Dschungel wieder hoch. Ein einzigartiges Erlebnis.

Im Anschluss geht es weiter in eine verruchte lokale Bar mit Pooltisch und Darts. Hier sucht man vergebens nach anderen Touristen. Dafür treffen wir auf weitere Freunde von Kevin. Leider endet alles Schönes einmal und so war auch dieses Wiedersehen nur von kurzer Zeit. Was länger bleibt, sind die schönen gemeinsamen Erinnerungen an Myanmar und New Orleans. Und wer weiss, vielleicht eines Tages in der Schweiz.

Am nächsten Morgen geht es mit unserem Pick-up weiter in Richtung Dallas. In Shreveport werden wir einen Zwischenstopp einlegen.

Antworten (1)

Kevin
Greetings form New Orleans. Just recently got around to reading this. It was such a treat seeing y'all here in NOLA. Hopefully the tide has turned on this pandemic and I can make the trip to visit you in Switzerland. Cheers! -Kevin

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