aufunddavo2019
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Bangladesch

Veröffentlicht: 31.08.2019

Bangladesch ist wohl das kontroverseste Land, das wir in den letzten Monaten bereisten. Was wir erwarten, waren unendliche Armut, Müll und verzweifelte Menschen. Tatsächlich wurden wir mehr als herzlich empfangen, wir erlebten die Menschen in Bangladesch (mit wenigen Ausnahmen) als die hilfsbereitesten Leute, denen wir auf der gesamten Reise begegneten. Sobald wir in irgendein Dorf kamen, dauerte es keine zehn Minuten, bis nach dem Ruf „Bideshi! Bideshi!“ - übersetzt: „Ausländer! Ausländer!“ - das ganze Dorf versammelt war, um uns anzustarren, zu fragen woher wir kamen oder Selfies mit uns zu schießen. „Germany“, in Verbindung mit „Thomas Müller“, „Ballack“ und „Neuer“ ist übrigens fast jedem Bangladeschi ein Begriff. Wir wurden zum Tee eingeladen, gefragt, wo wir hinwollen, Reisetipps wurden fröhlich weitergegeben und gut englisch sprechende verteilten großzügig ihre Handynummern mit der Bitte, anzurufen, wenn wir irgendetwas brauchen - wie eine/n Übersetzer/in oder jemand zum Handeln, falls uns ein Preis zu teuer ist.

Natürlich, in der Hauptstadt Dhaka schlagen die Uhren ein bisschen anders. Für das Verkehrschaos, das dort der tägliche Wahnsinn ist, wurde glaube ich das Wort „Verkehrschaos“ erfunden! Im Tuktuk, dort CNG genannt, fürchteten wir mehrmals um unser Leben, wenn es (als das zweit kleinste Gefährt auf der Straße) zu halsbrecherischen Überholmanövern ansetzt oder der Fahrer meint, sich aggressiv zwischen die ebenso aggressiv fahrenden Busse schlängeln zu müssen, um zwei Minuten schneller am Ziel zu sein. In kleineren Gassen fahren meist bunte Rikshas, die Fahrer mussten sich einigermaßen Abstrampeln, um uns zwei Bideshi von A nach B zu transportieren...

Nach einer Nacht in Dhaka brachen wir wegen der schlimmsten Denguefieber Epedemie Bangladeschs seit Jahren aber bereits nach Sylhet auf. Wegen der 70-prozentigen Infektionsrate vermieden selbst Einheimische, derzeit in Dhaka zu verweilen - und so wichtig war uns die chaotische, laute Hauptstadt ohnehin nicht. Zuerst versuchen wir es per Zug, da dies das gängiste Verkehrsmittel für weite Strecken in Bangladesch ist. Da am Bahnhof allerdings keine lateinischen Buchstaben, sondern ausschließlich Bangla geschrieben stand, waren wir dort ziemlich hilflos und blickten wohl auch so drein. Ein englisch sprechender Bangladeschi half uns, als er unsere ahnungslosen Gesichter entdeckte, sofort weiter, indem er uns zum nächsten Bus nach Sylhet brachte und erst ging, als der Ticketkauf erfolgreich und wir in die Wartehalle verfrachtet waren. Der Bus war dann einer der komfortabelsten, in dem wir seit langem saßen: bequeme, breite Liegesessel, Klimaanlage und Wi-Fi machten uns die kommenden acht Stunden recht angenehm und ließen uns fast den, ich will mal sagen „wagemutigen“, Fahrstil des Busfahrers vergessen.

Am völlig chaotischen Busbahnhof wurden wir dann von Rakib, unserem Gastgeber via Couchsurfing, abgeholt und zu seiner Wohnung gebracht. Rakib tat in den folgenden Tagen sein Bestes, dass wir unseren Aufenthalt genießen konnten: er führte uns in Restaurants, zeigte uns die Stadt und nahm uns mit, als er mit seinen Freunden zu einem zweitägigen Bootstrip an der Grenze zu Indien aufbrach. Rakib und seine Freunde, allesamt sehr gebildet, sprechen super englisch und hatten jede Menge Mühe damit, all unsere Fragen zu beantworten. Sie klärten uns auf über Kultur, die kostenlose Schulbildung bis hin zum Studium, den (größtenteils muslimischen) Glauben der Bangladeschi oder die wirtschaftliche Situation des Landes. Sie zeigten uns schicke, sehr westliches Cafés und gaben uns das Gefühl, dass Bangladesch zu unrecht als eines der ärmsten Länder der Welt gilt.

Als wir dann allerdings im Zug nach Sreemangal saßen, um unsere Reise fortzuführen, sehen wir den Grund für schlimme Bilder aus Bangladesch in den westlichen Medien... Bettelnde Menschen am Bahnhof, Frauen, Männer, Alte, Kinder, das schlimmste Bild: eine junge Mutter mit einem nackten Neugeborenen im Arm, selbst nur Fetzen tragend, die um uns Geld oder Essen bat. Auch die Slums um die Teeplantagen in Sreemangal, in denen meistens Inder in zweiter bis vierter Generation arbeiten, zwölf Stunden für 30 Cent pro Tag, holten uns zurück auf den Boden der Tatsachen und bedrücken uns genauso, wie die bettelnden Straßenkinder in der Stadt, die trotz kostenlosem Essen in der Schule und kostenloser Schulbildung von ihren Eltern betteln geschickt werden, um etwas dazuzuverdienen oder verkrüppelte Alte, die (wie uns erzählt wurde) oft von Banden verstümmelt wurden, damit sie mehr Geld verdienen. Wir möchten gerne allen helfen, werden aber ermahnt: „Wenn du Geld gibst, unterstützt du die Kinder beim nicht-in-die-Schule-gehen und die Banden, die weiterhin Menschen entführen und verstümmeln werden, solange das ein einträgliches Geschäft ist!“. Wir hielten uns meistens daran, kein Geld zu geben und hoffen, dass Rakib recht behält, wenn er sagt „Wenn nicht alle gut ausgebildeten nach Europa gehen, geht es uns bald besser und die Armut verschwindet.“.

Initiativen gegen die Armut gibt es natürlich auch in Bagladesch. In Sreemangal besuchten wir eine Vorschule, finanziert von jungen Einheimischen. Hier werden Kinder von der Straße geholt, zwei mal täglich mit einer warmen Mahlzeit versorgt und so lange mit Grundlagen unterrichtet, bis sie in die normale Schule gehen können. Den oft schon älteren Kindern wäre es sonst unter Umständen unmöglich, einen normalen Schulabschluss zu machen, da sie mit elf oder zwölf Jahren nicht mehr in der Grundschule akzeptiert würden. Wir verbrachten den Nachmittag mit den Kindern, spielten Fußball, Fangen und aßen Kekse und hoffen seitdem, dass wenigstens diese Kinder einen Ausweg aus einem sonst aussichtslosen Leben gefunden haben!

Als wir dann, einen Tag vor unserem Weiterflug nach Nepal, zurück in Dhaka waren, gönnten wir uns einen Kinoabend, in der „größten Mall Bangladeschs“ und schauten König der Löwen. Beim Rückweg wurden wir von einem heftigen Regenschauer völlig durchgespült - so hatte uns die Monsunzeit, die uns bisher gnädig verschonte, doch noch erwischt. Gut so - bei Regen fliegen weniger Mücken ;)

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#bangladesch #dhaka#sylhet#sreemangal