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Hausbesuche

Veröffentlicht: 28.08.2017

Was machen die Berliner und die Berlinerinnen so am Wochenende? Sie besuchen die Regierung, damit die Touris am Museumsufer unter sich bleiben können. Auf zum Bundeskanzleramt.

Leider sind 199.998 andere auch auf die Idee gekommen. Entsprechend lang ist die Schlange nachmittags um 14.00 Uhr. Der Zugang geht dann überraschend schnell und grade rechtzeitig, denn irgendwas ist lost im Ehrenhof. Man erkennt es daran, dass sich ein Menschenknubbel mit hochgereckten Handys langsam über den Hof bewegt. Manchmal taucht im Knubbel ein himbeerfarbener Fleck auf, der schnell wieder mit Kameras verdeckt wird.

Wenn wir schon mal da sind, gehen wir auch näher ran an die Kanzlerin. Überraschend nahe. Es gibt keine festen Absperrungen, ein rotes Grenzseil wird von einer Handvoll Sicherheitsleuten eher symbolisch neben ihr hergeschleppt. Das Volk ist buchstäblich in Griff- und Riechweite. Hier ist es unvorstellbar, dass irgendwo jemand einen Galgen mit ihrem Namen herumschleppt.

Am Weg, keine fünf Meter von der Kanzlerin entfernt sitzt ein Singer/Songwriter, der weitgehend unbeachtet vor sich hin klampft. Zwei junge Frauen unterhalten sich auf englisch (Jens Spahn, wo bist du, wenn man dich braucht?). Die eine, offensichtlich eine US-Amerikanierin, meint: "Das hier wäre im Weißen Haus undenkbar. So nahe käme niemand an Trump ran, und dass da noch einer mit ner Gitarre rumsitzt...."

Ich habe Merkel nie gewählt und werde es auch niemals tun, trotzdem nicke ich innerlich. Stimmt ja, so richtig schlimm es nicht bei uns...

Gott sei Dank ist da noch der Hubschrauber. Der holt einen kurioserweise wieder auf den Boden der Tatsachen. Allein das Teil hat für diesen Tag 75.000 Euro gekostet und heute zahlt die CDU noch nicht mal ihren Beitrag von 3000 Euro.

Apropos Finanzen: Wir haben auch das Finanzministerium besucht. Keine Spur von Jens Spahn. Nur ein älterer, scheinbar freundlicher Herr läßt sich sehen aber zu keiner Äußerung hinreißen.

Der Star des Ministeriums ist an diesem Tag sowieso das Haus, dass Schäuble und Co. beherbergt. Der Besucherdienst stellt es kompetent und sehr plastisch vor. Es läuft mir eiskalt über den Rücken, als im original erhaltenen Sitzungsaal aus dem Protokoll der Vorwannseekonferenz am 12. November 1938, drei Tage nach der Progromnacht vorgelesen wird: "Göring: Mir wäre es lieber gewesen, es wären 200 Juden erschlagen worden, als die ganzen Geschäfte zu demolieren".


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#merkel#kanzleramt