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Drivin‘ home for christmas

Veröffentlicht: 22.12.2020

I'm driving home for Christmas
Oh, I can't wait to see those faces

Natürlich ist das Taxi zu früh da. Der Fahrer tritt im Foyer der Reha-Klinik dezent von einem Bein aufs andere und möchte gerne los. Natürlich lasse ich mich unter Druck setzen und stecke hastig mein Portemonnaie ein. Hab ich die Karte, wo ist die Quittung? Mein Gepäck wird samt Krücken in den Kofferraum gepackt und ich versuche schmerzfrei einzusteigen. Habe ich auch nichts im Zimmer liegen lassen?

Drei Wochen vorher

I'm driving home for Christmas, yeah
Well I'm moving down that line
And it's been so long
But I will be there

Natürlich ist das Taxi zu früh da. Der Fahrer tritt unterhalb unseres Fensters auf der Straße von einem Bein auf das andere. Natürlich lasse ich mich unter Druck setzen, zumal ich sowieso schon unruhig bin. Es ist der 23. November, 5:30 Uhr, stockdunkel und kalt. Ich fahre nach Tempelhof ins St. Josef Krankenhaus, um mein rechtes Kniegelenk auswechseln zu lassen. Das Taxi nehme ich, weil ich mich wegen der Pandemie auf insgesamt vier Wochen außer Haus und ohne Besuch einrichten muss und ich entsprechendes Gepäck bewege. Natürlich komm ich zu früh an und muss noch vier Stunden auf meinen Einsatz warten. Das Knie tut gar nicht mehr richtig weh…

Nachmittags um 15 Uhr ist alles vorbei und der Chirurg erkundigt sich nach meinem Wohlbefinden. Oh ja, da sind doch recht viele Blutflecken auf seiner Op-Maske. Er legt die Hand auf meine Schulter und sagt: „Jetzt machen wir nur noch eine Röntgenaufnahme und dann können Sie wieder auf Station.“ Ein Pfleger will das Röntgengerät an mich heranschieben, er wird er gestoppt. „Nee, lass erstmal putzen.“ Eine Reinigungskraft eilt mit Eimer und Schrubber herbei. Er bleibt in der Tür stehen, guckt unter den OP-Tisch und sagt: „Ach Du Scheisse!“ Ich mach die Augen zu und lass mich in die Station schieben. Es geht mir gut. Es geht mir gut. Es geht mir gut.

Die nächsten sechs Tage und Nächte verbringe ich mit Danilo, einem netten Fensterbauer aus Hönow, der äußersten nordöstlichen Ecke der Stadt. Wir haben eine angenehme Zeit miteinander, was unter den gegebenen Umständen heißt, dass wir uns nicht auf den Sack gehen. In fünf Tagen werde ich buchstäblich auf die Beine gestellt, damit ich direkt in die Anschlussheilbehandlung wechseln kann. Das klappt prima und ich freue mich auf den Ortswechsel nach Tegel und einen neuen Trott. Aber erst einmal wird mir ein Wattestab durch die Nase bis kurz vor das Gehirn geschoben und ich darf voraussichtlich drei Tage in Quarantäne auf meinem Zimmer verbringen.

Nach insgesamt zehn Tagen darf ich zum ersten Mal Gudrun wieder leibhaftig sehen, wenn auch nur in einer Art Knastversion am Haupttor, mit Gitter und drei Meter zwischen uns. Es ist trotzdem schön und ich freue mich auf mein neues Leben.

Das neue Leben dauert genau vier Tage und der nächste Test mitsamt Quarantäne ist fällig. Es gibt zehn Infektionen im Haus. Nach drei Tagen entscheidet sich, ob es weiter geht mit meiner Reha. Geht es nicht, die Therapie wird auf weiteres eingestellt. Ich dürfe gerne dableiben, aber eben ohne Übungen und Anwendungen und isoliert auf meinem Zimmer. Naja, da war er dann, mein persönlicher Lock Down, besser gesagt Lock Out. Ich packte mein Zeug.


Noch mal drei Wochen vorher

And it's been so long
But I will be there

Natürlich ist es viel zu spät, um ein Eis zu essen. Trotzdem holen wir uns die volle Ladung (ich mit Sahne) und wir setzen uns bei 5 Grad Celsius in den Park in der Gropiusstadt. Bevor wir losgegangen sind, haben wir die Weihnachtsdekoration aus dem Keller geholt. Natürlich viel zu früh, aber wir müssen wie alle anderen in diesem Jahr anders planen. Besser noch gar nicht planen, denn der Virus ist immun gegen unsere Vorstellungen von Weihnachten. Ich werde nächste Woche ins Krankenhaus gehen und erst wieder am 18. Dezember mit nur eingeschränkter Beweglichkeit nach Hause kommen. Gudrun wird, so die Planung, vier Wochen allein im weihnachtlich dekorierten Heim leben. Wir werden dieses Jahr nicht ins Reich fahren und es sieht ganz so aus, als würden wir auf absehbare Zeit allein bleiben. Wir sind bei unserem Eis ein wenig wehmütig aber doch sicher, dass wir das schaffen. Wir haben ein wenig Bammel vor der Operation und freuen uns auf uns und auf unser Wiedersehen.


Heute

Driving in my car
Driving home for Christmas

Ja wir haben es geschafft. Das Taxi hat mich gut nach Hause gebracht, nicht ohne einen der legendären Staus auf der Ringautobahn mitzunehmen. Seitdem läuft unsere Home-Office-Reha mit guten Fortschritten. Es geht uns gut, obwohl außerhalb unserer vier Wände erst einmal alles immer schlimmer zu werden scheint, bevor es hoffentlich besser wird.

Natürlich viel zu früh, um allen unseren Kindern und Freunden ein Frohes Fest zu wünschen. Aber die Post ist ja in diesem Jahr etwas länger unterwegs.

Lasst es Euch gut gehen ! Wie sehen uns nach der Impfung um 6 Uhr!

Antworten (1)

Bir
Ach herrje...die böse Coroni hat euch in der Hauptstadt auch ein bisschen durchgeschüttelt und dein Knie. Wie schön zu hören, dass du pünktlich for Christmas wieder bei Gudrun bist und ihr euch wieder habt. Weihnachten hat in diesem Jahr auch bei uns schon früher Einzug gehalten. So hat man auch einfach mehr vom Weihnachtsbaum, vor allem kommt man gar nicht an der Weihnachtsstimmung vorbei. Die hat uns dieses Jahr voll im Griff. Weihnachtsfilme, Glühwein, Massen an selbst gebackenen Plätzchen und immer fällt uns noch etwas Neues ein. Gerade ruht der Hefeteig für die Zimtschnecken. So, jetzt wünsche ich Euch ein schönes Weihnachtsfest und kommt gut ins neue Jahr. Alles Liebe für Euch - Birgit

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