Veröffentlicht: 27.01.2017
Von der bunten Hafenstadt Valparaíso gings weiter Richtung Süden, nach Pucón. Dort erhofften wir uns endlich eine Vulkanbesteigung und endlich wieder schöne Natur, die konnte uns Santiago und Valparaíso nämlich nicht bieten.
In Pucón war schon fast jedes Bett vergeben und so landeten wir in einem Dorm im „Willhouse Hostal“ … KATASTROPHE ist noch ein milder Begriff dafür, was uns dort erwartete. Obwohl in Chile gerade Hochsommer ist, regnet es häufig und heftig und die Deutschen, die Pucón gründeten, stellten deshalb wohl auch ausschließlich Spitzdachhäuser auf dieses schöne Fleckchen Erde, natürlich brav vom Nachbar abgegrenzt mit nem Gartenzaun (Gartenzäune gabs nirgendwo in den Ländern davor, deshalb sind sie uns hier wieder besonders aufgefallen). Will, der Besitzer und Erbauer von Willhouse, muss ein Mensch mit unbändigem Optimismus sein, um das einzige Flachdachhaus der Stadt sein eigen zu nennen. Ihr könnt es euch sicher schon denken, sämtliche Decken, Wände und Fußböden im Hostal waren klitschnass und Kollege Schimmelpilz war der fünfte Bewohner in unserem 4er-Zimmer! Dazu kam, dass es nirgendwo Platz gab, die Küche war zu jeder Tageszeit von kochwütigen Israelis (die verreisen ja ausschließlich in Gruppen ab 15 Leuten) oder Asiaten (die verreisen ja nie ohne ihre elektrische Pfanne und ihren Reiskocher) (bitte verzeiht mir diese Stereotypen aber ES WAR GENAU SO!) belegt und 4 Stühle auf 30 Betten geht sich halt nicht aus. Ich nahm das Ganze noch recht humorvoll und versuchte, das Beste daraus zu machen, wir hatten ja 6 Nächte gebucht, Tömmi wurde jedoch immer mehr zur Miesmuschel und fand alles unerträglich. Es half also nur, so wenig Zeit wie möglich im Hostal zu verbringen und so buchten wir für den Tag mit 100% Gutwettergarantie die Vulkanbesteigung auf den Villarica und für Regenwetter eine Raftingtour auf dem Trancura-Fluß. An den übrigen Tagen machten wir auf eigene Faust Ausflüge in den Huerquehue-Nationalpark und zu heißen Thermalquellen. In Pucón selbst gab es nicht so viel Sehenswertes, wir klapperten aber die ganze Stadt nach Regenhosen ab, trotz 100 Outdoorshops leider erfolglos. Kulinarisch konnte uns Pucón jedoch begeistern, es gab eine deutsche Bäckerei und viele Cafés, die uns mit „Kuchenes“ und „Berliners“ anlockten (das spanische Mehrzahl-S kennt kein Erbarmen). Am Donnerstag gings dann etwas verspätet in den Huerquehue-Nationalpark. Wir wussten nicht, dass nur zweimal täglich Buse fahren, einer sehr früh morgens und einer erst um 13.00, weswegen wir dann leider etwas gehetzt durch den Park sprinteten, um den letzten Bus zurück zu erwischen. 3,5 Stunden bergauf zu einer Seenkette mit kurzen Zwischenstopps an Wasserfällen und 1,5 Stunden im Laufmarsch wieder bergab … entspanntes Einwandern für die Vulkanbesteigung sieht anders aus und natürlich hat sich bei dem Rumgehopse über Felsen und Baumstämme mein Knie wieder schmerzlich gemeldet. Aber wir machen hier ja keine Kaffeefahrt und so gings am nächsten Tag mit perfekter Wetterprognose auf zum Villarica. Unsere Wandergruppe war bunt gemischt und wir waren alle hoch motiviert, den Kratergipfel zu erreichen und das Magma zu sehen. Man muss dazu sagen, dass eine gute Wetterprognose nichts garantieren kann, denn der Vulkan macht, was er will. An manchen Tagen stößt er so viele toxische Schwefeldämpfe aus, dass man nicht bis zum Krater kann oder der Wind treibt die Schwefelwolke in die falsche Richtung, so dass man den Aufstieg erst gar nicht starten kann. Uns wunderte es allerdings schon sehr, dass unsere Guides keinerlei Eile an den Morgen legten, als sie uns unser Equipment aushändigten und wir fast eine Stunde mit der Suche nach Schuhen in einer unauffindlichen Größe zwischen 37 und 38 vertrödelten, die ein brasilianisches Mädchen unbedingt verlangte (die Dame gab dann übrigens schon nach 30 Minuten am Berg auf, was mit Sicherheit nicht an den Schuhen lag!). Ich muss jedoch dazu sagen, dass Tömmis und meine Leihschuhe auch alles andere als bequem waren, meine hatten wenigstens noch Profil, Tömmis waren eigentlich schon komplett im Eimer, wir wollten aber los und nicht noch mehr Zeit vertrödeln. Wir kamen also so ziemlich als letzte Wandergruppe am Sessellift am Fuße des Villarica an und die Guides machten uns schon sehr deutlich auf die Nebelwolken aufmerksam, die sich sehr zügig auf den Vulkangipfel zubewegten. Ich war jedoch hochmotiviert, den Gipfel zu erreichen, hatte es doch in Ecuador nie geklappt, irgendwann musste der von den Mapuche verehrte Vulkangott Pillan es doch mal gut mit uns meinen! Die ersten paar hundert Höhenmeter liefen problemlos, wir schlichen im Entenmarsch unseren Guides hinterher, auf halbem Weg wurde uns der richtig Gebrauch des Eispickels erklärt und als alle anderen Wandergruppen schon längst die Steigeisen anlegten, liefen wir immernoch nur mit unseren Leihstiefeln über das Eis, bzw. war „laufen“ in Tömmis Fall der falsche Begriff, er macht mit seinen profilfreien Schuhen eher den Pinguin!
Ich war inzwischen als letztes Mädchen der Gruppe übrig, alle anderen hatten schon aufgegeben, obwohl es bis dato wirklich überhaupt nicht anstrengend war, und war immernoch voller Tatendrang, endlich einmal auf einem aktiven Vulkan zu stehen und Magma zu sehen. Hätte ein Teil unserer Galapagoscrew uns vielleicht nicht so tolle Fotos und Videos gezeigt, wäre ich gar nicht so ehrgeizig gewesen … aber ich war von den Erzählungen und Fotos so begeistert und wollte da UNBEDINGT rauf! Leider merkte ich dann aber auch bald, dass die Sicht immer schlechter wurde und viele Wandergruppen schon den Rückzug antraten. Unsere Guides trieben und aber noch weiter bergauf, gaben uns aber deutlich zu verstehen, dass wir uns nun sehr beeilen mussten, denn der Nebel wurde so dicht, dass man die Strecke und die Eisspalten nicht mehr sehen konnte, was lebensgefährlich werden konnte. Tömmi und ich hielten noch etwa 15 Minuten im Laufmarsch steil bergauf aus, aber das Laufen bzw. Rennen mit Steigeisen und der starke Wind war so ungewohnt und anstrengend für uns, dass uns der erste Guide zusammen mit einem Kanadier und einem Japaner abhing. Wir kämpften uns dann mit dem zweiten Guide und einem Griechen noch einige Höhenmeter näher an den Gipfel, die Sicht war inzwischen aber bei 0% und auch die letzten neben uns verbliebenen Wandergruppen kehrten um. Als uns der Guide erklärte, dass es zwar nur noch 10 Minuten bis zum Gipfel wären, wir dort aber absolut nichts sehen würden und auf jeden Fall die Gasmasken benutzen müssten, mit denen man maximal 10 Minuten laufen kann, war die Enttäuschung zwar unendlich groß, aber der Rückzug schien vernünftig. Ich verdrückte also ein Tränchen, war in der nächsten Sekunde aber schon wieder im Glück, denn wir schnallten unsere Rodelhosen an, schwangen uns auf den Tellerschlitten und sausten den Villarica herunter. Geil, wer kann schon behaupten, einen Vulkan heruntergerodelt zu sein! Am End des Eisfelds kam die Enttäuschung dann aber zurück, denn dort und auch im Tal war grandioses Wetter, der Vulkangipfel war jedoch inzwischen komplett vernebelt. Beim restlichen Abrutschen über die Vulkanasche machte sich mein kaputtes Knie dann auch wieder bemerkbar, das Auto war aber flott erreicht. Diejenigen, die dann tatsächlich noch zum Gipfel hoch sind, haben uns dann Fotos gezeigt, bei denen man außer einer weißen Wand nichts sehen konnte, schade!
Zurück im Dorf genossen wir dann noch den strahlenden Sonnenschein am Ufer des Villarica-Sees und schwelgten in Selbstmitleid über die wiedermals missglückte Vulkanbesteigung.
Am Sonntag wartetet dann aber noch ein Highlight auf uns, Raften auf dem Trancura-Fluß. Seit unserer Raftingtour zum Machu Picchu wollte ich auf jeden Fall nochmals Raften gehen und der Trancura bot sich an, weil es Stromschnellen der Schwierigkeit 5-6 zu meistern gab. Tömmi widersprach meinen Wasseraction-Plänen kaum, also bis auf das Übliche, dass er für Extremsportarten nicht versichert sei , aber die Ausrede lasse ich auf unserer Reise schon lange nicht mehr gelten! An dem Tag hätte es sowieso nichts Sinnvolleres zu Tun gegeben, denn es regnete, mal wieder. Also rein in die nassen Neoprenanzüge und ins Gummiboot gehüpft. Zusammen mit 4 raftingunerfahreren Israelis und einem tollkühnen Guide gaben wir ein super Team ab. Gleich in der ersten Stromschnelle bekamen wir die Kurve nicht ganz und rumsten so heftig in das Boot einer anderen Gruppe, dass deren Guide rückwärts ins Wasser geschleudert wurde. Die Aktion löste dann eine so dumme Kettenreaktion aus, dass das uns folgende Boot kenterte und wir gleich mal Teamgeist beweisen mussten, als wir die geschockten Paddler aus dem Wasser fischten. Als dann wilde Beschimpfungen und Schuldzuweisungen zwischen den Guides ausgetauscht waren und alle Leute wieder mit Paddel im richtigen Boot saßen, gings weiter. Die Stromschnellen machten super viel Spaß und waren auf jeden Fall größer als bei der letzten Raftingtour, dazwischen mussten wir aber nicht viel machen und konnten uns eher treiben lassen, was ganz im Sinne unserer Israelis war, die hatten es nämlich nicht so mim Paddeln. Damits nicht langweilig wurde, durften wir dann noch kurz aussteigen und von einem Felsen einige Meter in den Strom springen, schön! Als wir dann wieder trockengelegt im Hostel (also so trocken wie man sich dort halt legen konnte) unsere Koffer packen mussten, stieg die Vorfreude auf die Insel Chiloé, denn die Region um Pucón war schon „nett“ aber halt nicht mehr, ohne Vulkan sähe es aus wie am Bodensee. Außerdem gingen uns die extrem hohen Preise für Übernachtungen und Restaurantbesuche auf den Keks, 35 Euro für 2 labbrige Crêpes und schlechte Limonaden, unverschämt! Von Chiloé erwarteten wir uns wieder etwas mehr Ursprünglichkeit und weniger Tourismus.
Vor Chiloé legten wir aber noch einen kurzen Stopp in Puerto Montt ein, wo es aber außer leckerem Seafood nichts Erwähnenswertes gibt. Auf Chiloé übernachteten wir zuerst im nördlichen Ancud, wo wir die Pinguininseln, dort leben Humboldt- und Magellanpinguine zusammen, besuchten und uns abends noch mit Tina2 aus der Galapagosgruppe trafen. Chiloé verzauberte uns schon in den ersten Momenten. Hier gibt es ausschließlich kleine, bunt angemalte Holzhäuschen, die meisten haben einen Schindelüberzug und erinnern allesamt an Pipis Villa Kunterbunt. Die Menschen dort leben vor allem von und mit der Natur, sei es dem rauen Meer oder den unendlich weiten, grünen Wiesen. Die Chiloten sind sehr abergläubisch, Geschichten von Meerjungfrauen, Geisterschiffen, Trollen und Zwergen sind allgegenwärtig, was uns jedoch aufgrund der wahnsinnigen Natur überhaupt nicht verrückt sondern nachvollziehbar erschien.
Auf Chiloé führt nur eine Straße von Nord nach Süd und verbindet die kleinen Dörfchen mit der „Ruta de las Iglesias“ – der Kirchenroute. Ja, diese Kirchen sind es wirklich wert, alle besucht zu werden, denn sie sind etwas ganz Besonderes. Allesamt aus Holz, und ausschließlich aus Holz, errichtet und bunt angemalt, sind sie einmalig und gehören zum Weltkulturerbe. Die über 150 Kirchen wurden im 17. und 18. Jahrhundert aus Zypressenholz unter Anleitung von missionierenden Jesuiten erbaut, jedoch nicht ohne Bauelemente der einheimischen Bevölkerung mit einzubinden. Die Holzstreben halten durch komplizierte Steckverbindungen, Nägel wurden keine benutzt, was das Ganze für uns besonders reizvoll machte. Jedoch nicht nur die Kirchen haben es und angetan, auf Chiloé warteten auch wieder einige schöne Nationalparks drauf, von uns erwandert zu werden. Vor allem von Castro aus, unserem zweiten Übernachtungsspot, kann man wunderschöne Tepual-Wälder erreichen, in denen unter anderem der vom Aussterben bedrohte Chilote-Fuchs und der Pudu, der kleinste Hirsch der Welt, leben. Der schönste Park liegt ganz im Süden der Insel und gehört dem Ex-Präsident Chiles. Dieser hat das riesige Gebiet aufgekauft und einen privaten Nationalpark daraus gemacht, der nur per Helikopter, Schiff oder eigenem Auto erreichbar ist, Buse oder Touren dorthin gibt es nicht. Da wir dort unbedingt hin wollten und gerade kein Helikopter oder keine Yacht zu Verfügung stand, mieteten wir also ein Auto in Castro. Der Autovermieter war ein echter Verkaufsspezialist, er drehte uns das Auto gleich für 2 Tage an und auf unsere Frage bezüglich der Versicherung gab er nur die Antwort, dass ein Unfall auch Chiloé unter 0,0001% Wahrscheinlichkeit läge und wir uns keine Sorgen machen sollen, das Autochen habe schon 2 Schrammen, sei also nicht so schlimm, wenn noch eine dazu kommt. Führerscheine wollte er keine sehen
Wir vertrautem also einem kleinen Suzuki Swift und rumpeltem dem Tantauco-Nationalpark entgegen. 4x4 wäre auf jeden Fall komfortabler gewesen, Tömmi bugsierte unsere Kiste aber gekonnt um die Schlaglöcher herum, bergauf mussten wir manchmal fast schieben, aber nach ca. 1,5 Stunden kamen wir gut durchgeschüttelt am Eingang an. Dort begrüßten uns dann sofort zwei neugierige Chilote-Füchschen und eine nette Parkwächterin, die es uns schmackhaft machte, noch tiefer in den Park zu fahren, da dort spannendere Wanderungen auf uns warten würden. Ich hatte mich ja auch genaustens über den Park informiert und wusste, dass das mindestens eine weitere Stunde Schlaglochpiste bedeuten würde, sie versicherte uns aber, es seien sogar mit unserem Auto nur 25 Minuten. Ich war sehr skeptisch, es war aber noch früh am Morgen, wir hatten also noch genügend Zeit und so entschieden wir uns, ihrem Rat zu folgen. 70 Minuten!!! später kamen wir dann endlich an versprochenem Punkt an und verfluchten die nette Dame jetzt schon, da wir die Strecke ja auch wieder zurück mussten! Im Nachhinein wär es besser gewesen, eine oder mehrere Nächte im Park zu verbringen, man kann dort bis zu 8-tägige Wanderungen unternehmen, das nächste Mal vielleicht. Die Wanderung führte uns dann zu einem See, durch moorige Sümpfe, über Hängebrücken und durch Tepual-Dschungel. Da wir ganz allein umherwanderten und sich Chiloé ausnahmsweise mal von seiner sonnigen Seite zeigte, säumten unzählige Eidechsen unseren Weg und Tömmi versuchte sich mal wieder in der hohen Kunst der Vogelfotografie. Die Blümchen und Pflänzchen sahen allesamt wie Behausungen von Feen und Zwergen aus und uns wurde wieder bewusst, warum der Glaube daran hier so stark ausgeprägt ist.
Nach der ersten Rundwanderung schnallten wir uns wieder fest in die Autositze und Tömmi fuhr wie Rennfahrer Bibele zurück zum Haupteingang, wo wir dann nochmals einen kleinen Spaziergang machten und umgeben von Chilote-Füchsen und vielen Vögeln unsere geschmierten Brote mampften. Die Stärkung war auch nötig, wir hatten ja nochmals 28 Kilometer Offroad vor uns. Dort hielten wir dann noch ein paar mal für Fotos von der beeindruckenden Nalca-Pflanze an, unter deren riesigen, salatähnlichen Blättern wir uns komplett verstecken konnten.
Da wir das Auto ja zwei Tage hatten, stand am Sonntag noch ein schöner Ausflug zu der Muelle de las Almas, dem Steg der Seelen, an. Wir kurvten von Castro aus einmal quer über die Insel, an die Südpazifikküste. Dort ging es wunderschön zuerst durch eine Dünenlandschaft, hinter der man immer wieder das raue Meer erspähen und Kühen und Pferden dabei zusehen konnte, wie sie sichtlich Spaß daran hatten, die hohen Sandberge herunterzugaloppieren. Irgendwann mussten wir dann einem schrulligen Herrn in einem gruseligen Kabuff, das eher wie der Friedhof der chilotischen Kuscheltiere als wie ein Ticketschalter aussah, ein paar Pesos in die Hand drücken, bevor es dann noch mit 3 gestrandeten Hitchhikern an Bord, weiter Richtung Seelensteg ging. Irgendwann war dann auch der Parkplatz erreicht, von wo aus der 40minütig Spaziergang durchs Auenland starten sollte. Saftig grüne Hügel, unzählige Vögelchen und immer wieder wunderschöne Ausblicke auf den Pazifik erfreuten unsere Augen und Kameras. Als Tömmi seinen Blick über das Meer schweifen ließ, stellte er die Theorie auf, dass das nächste Stück Land, das man von hier aus in westlicher Richtung erreicht, wahrscheinlich Neuseeland ist, und unsere Recherchen haben ergeben, dass er Recht hatte: 8500 Kilometer entfernt liegt Neuseeland, dazwischen nichts. Die Muelle de las Almas lag dann auch recht schnell und wunderschön malerisch vor uns. Zwei Meter hoch in die Luft gebaut, geht mit diesem Holzsteg, der im Nichts endet, dann plötzlich auch die Welt zu Ende. Weiter unten brechen die hohen Wellen gegen die steile Felsküste, auf deren Klippen sich rotfüßige Kormorane und faule Seelöwen räkeln. Die Legende besagt, dass das Geisterschiff „El Caleuche“ die Verstorbenen von diesem Steg aus auf die letzte Überfahrt abholt. Die Hexer-Matrosen spielen Geigenmusik und geben nur an nebligen Tagen Lichtsignale, um die Toten an den Steg zu locken. Zum Glück war es bei unserem Besuch zwar bewölkt, aber nicht neblig, sonst hätte ich mich wahrscheinlich nicht getraut, den Steg als Fotokulisse zu nutzen! Tömmi fand den Steg zwar ganz nett, die Seelöwen begeisterten ihn aber mehr, davon kann er einfach nicht genug bekommen.
Auf dem Rückweg sammelten wir dann noch 3 französische Camper auf, die per Anhalter zurück zu ihrem Campingplatz wollten, der genau dort lag, wo wir auch hinwollten, nämlich im Chiloé-Nationalpark. Dort latschten wir noch ein bisschen umher, bevor wir dann abends unseren liebgewonnenen Suzuki wieder abgeben mussten. Die Abgabe erfolgte ähnlich wie das Anmieten, ein feuchter Händedruck und ein nettes Lächeln reichten. Dass das Auto seit unserm Ausflug in den Tantauco sehr stark nach rechts zog, erwähnten wir natürlich nicht
Die nächsten Tage war dann eher Regen angesagt und wir nutzen das schlechte Wetter, um uns einige der UNESCO-Holzkirchen anzusehen. Dazu fuhren wir zuerst mit dem Bus nach Dalcahue und spickelten dort nur kurz in Kirche, da sie Eintritt verlangten, um anschließend mit der Fähre auf die nächste Insel überzusetzen. Unser Ziel war die schönste Kirche Chiloés in Achao auf Quinchao, nur leider hatten wir nicht daran gedacht, dass montags die meisten Kirchen geschlossen haben und so konnten wir das schöne Holzkonstrukt nur von außen bewundern. Petrus hatte dann aber doch noch Erbarmen mit uns und schickte uns zwar keinen Kirchentürschlüssel, dafür aber Sonnenschein. Da man in Achao ansonsten nichts bestaunen oder tun kann, entschieden wir uns spontan, im einzigen Restaurant des Dorfes direkt am Hafen noch ein Marisco-Almuerzo (Meersfrüchtemittagessen) einzunehem. Tömmi war mutig und bestellte mit Käse überbackene Venusmuscheln, musste aber nach der dritten Muschel schon würgen, ganz zu meiner Freude, denn so gab es für mich Meeresfrüchtesuppe und Käsevenusmuscheln, muy rico!!
Leider war es dann schon wieder Zeit, Chiloé zu verlassen und zurück ans Festland zu fahren. Am 20. Januar hatten wir einen Flug zurück nach Santiago gebucht. Eigentlich wollten wir ja schnurstracks weiter Richtung Patagonien, doch die bis Februar ausgebuchten Hostels und Menschenmassen im Torres Del Paine Park zwangen uns, unsere Route zu ändern. Der Plan war nun, erst zur Nachsaison nach Patagonien zu fliegen, wenn Chile und Argentinien keine Sommerferien mehr haben und nicht mehr alles mit zwei gesunden Beinen zwischen 16 und 56 mit Rucksack und Zelt unterwegs ist! Die Wartezeit bis Ende Februar wollen wir uns in Paraguay vertreiben. Außerdem frisst Chile unsere Geldreserven schneller auf, als wir „Cajero automático“ (Geldautomat) sagen können, 4000 Euro in 6 Wochen übersteigt eindeutig unser Budget.
An dieser Stelle ist auch noch zu erwähnen, dass uns nicht nur die Preise sondern auch das chilenische Spanisch verrückt machen! Chilenisch hat mit Spanisch nur ansatzweise etwas zu tun, denn die Chilenen lieben es, in Metaphern und sprachlichen Bildern aller Art zu sprechen. So ist ein Mädchen hier keine "chica" sondern eine "cabra" und hinter jedem Satz kommt ein "Cachai?" - "kapierst du?" ... "Nein, ich kapiere nicht" wird aber nicht akzeptiert. Auch beliebt ist das Satzende "¡Ya po!", was bei den Deutschen immer für Verwirrung sorgt, weil sie nicht wissen, was der Chilene von ihrem Po will, heißt übersetzt aber so viel wie "Auf geht's!". Auch das Wort "langsam" kennen die Chilenen nicht, wenn man ihnen erklärt, dass man Ausländer ist und sie höflich darum bittet, langsamer oder Hochspanisch zu sprechen, grinsen sie einen nur an und sprechen genauso schnell weiter, jedoch in 10facher Lautstärke!! Dem ganzen die Krone aufgesetzt haben dann aber die Chiloten mit ihren gestörten Verniedlichungsformen. Da duscht man dann nicht mehr in der "ducha" sondern in der "heißen Tina", dem "heißen Töpfchen" genannt "Tinajas". Dass mein Name "Badewanne" bedeutet, erfreut die Einheimischen hier immer wieder. In Argentinien und Uruguay soll es aber noch übler werden, da fühlt man sich wohl wie "Willkommen bei den Sch'tis" ... ohje, was soll das noch werden?!?
Bis zum Rückflug nach Santiago hatten wir noch drei schöne, sonnige Tage in Puerto Varas am Llanquihue-See, das ein 1A Kurörtchen am Bodensee abgeben könnte, stünden dort keine zwei Vulkane: Der Osorno und der Calbuco, der 2015 zuletzt ausbrach. Der Osorno zaubert mit seinem Schneekäppchen in Puerto Varas ein wunderschönes Seepanorama, das wir dort täglich genossen. Am Fuße des Osorno gibt es auch das chilenische Pendant zum Rheinfall in Schaffhausen, nämlich den Saltos de Petrohue, die wir uns bei tollem Sonnenscheinwetter und 1000 chilenischen und argentinischen Urlaubern ansahen. Am letzten Tag besuchten wir das 1846 von deutschen Auswandern gegründete Dörfchen Frutillar und schmunzelten über die vielen Schilder, die deutsche Produkte anpriesen, am häufigsten natürlich Kuchen, welchen wir uns als Himbeer-Sahne im Café Von Bischoffshausen schmecken ließen. Das Museum in Frutillar zeigt die Anfänge und das Erfinderreichtum der Deutschen, die sich dort eine neue Heimat fernab vom Kaiserreich aufbauten, verrückt aber auch mutig.
Ansonsten gönnten wir uns in Puerto Varas nochmal die chilenische Hotdog-Variation mit viel Avocadocreme namens „Completo“ und leckeres Eis für 3 Euro die Kugel, sollte es doch danach ins noch teurere Argentinien gehen!
Unseren Zwischenstopp-Tag verbrachten wir nochmals im schönen Santiago im Park, wo die musikverrückten Chilenen mal wieder keine Mühe scheuten und einfach ein Schlagzeug im Park aufbauten, mit dem dann alle Herumliegenden mit einem Rockmeadly unterhalten wurden → wir lieben Santiago!!!
Argentinien durchquerten wir dann so schnell wie möglich, wir blieben eine Nacht im 40 Grad heißen Mendoza, zwei im nur unerheblich kühleren Córdoba und nochmals eine in Resistencia. Über diese Städte gibt es eigentlich nicht viel zu sagen: Mendoza und Resistencia sind potthäßlich, in Mendoza gaben wir der Stadt immerhin noch eine Chance und fuhren mit dem Hop-on-Hop-off-Bus durch die Stadt … das hätten wir uns auch sparen können, da alle als „wunderschön“ angepriesenen Plätze nur aus Beton bestanden und der hochgelobte Park eher einer Autobahn als einem Erholungsort glich!
Córdoba war schon etwas netter, aber eigentlich war nur der Besuch im Schwimmbad lustig. Um der Kopfläuse- und Fußpilz-Epedemie in der momentanen Ferienzeit Einhalt zu gebieten, muss jeder Schwimmbadbesucher zuerst zur Leibesvisitation, bevor er in das Chlorwasser hüpfen darf. Beim Anblick meiner immer noch blau-schwarz-blutunterlaufenen Zehennägel stoß die Dame nur ein „Dios mio“ (mein Gott) aus und fragte, wer mir das denn angetan habe. Meine Antwort, dass dies beim Wandern passierte, bewertete sie mit einem augenverdrehenden „Ai, los Extranjeros!“ (Ohje, die Ausländer) und auch mein aus Valparaíso stammender und inzwischen total zum Dreadlock verflizter Hippiehaarbändel wurde zwar kopfschüttelnd beäugt, jedoch erhielten wir den Gesundheitsschein und durften schließlich rein ins kühle Nass!
Argentinien hat uns in der kurzen Zeit schon die Lust auf ein Wiederkommen vermiest, abartig teure Preise und unverschämte Gebühren beim Geldabheben haben es und leicht gemacht, so schnell wie möglich weiter zu fahren. Buenos Aires und Patagonien bekommen dann in ein paar Wochen nochmal eine Chance, aber in der Zwischenzeit genießen wir jetzt erstmal das untouristische Paraguay!