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Mit dem Rad durch Kalabrien nach Sizilien, Teil 2

Veröffentlicht: 03.11.2020

8. Tag, Mi 28.10.2020  Sapri. 
Der Regen/Ruhetag in Sapri hat mir gut getan, aber jetzt freue ich mich auch wieder auf die Bewegung und das Fahrradfahren. Um 6 h stehe ich auf, packe und kann schon um 7h frühstücken. Auf der Küstenstraße SS18 geht es im weiten Bogen mit leichter Steigung südlich aus der großen Bucht von Sapir. Der Blick geht weit zurück auf die Steilstücke, die ich schon überwunden habe. Plötzlich wird die Luft dick vor Qualm. Am Wegrand, auf der alten Straße verbrennen Straßenarbeiter den Grünschnitt. Das wäre bei uns nicht mehr möglich. Hier ist es aber noch Alltag. Hinter der nächsten Kurve sehe ich zum erstenmal die große Christusfigur auf dem Berg. Sie steht oberhalb von Maratea auf dem 623m hohen Monte San Biagio. Ich überlege hin und her, ob ich dorthin einen Abstecher zu Fuß machen soll. Es wären von der Straße 450 Hm und damit bestimmt rauf und runter ohne Gepäck 2:30 Stunden. Letzlich möchte ich meine Kräfte etwas einteilen und lieber später eine Pause am Meer machen. Die Straße geht dann auch runter zum Meer und ich kann bei Praia a Mare rein springen. Die nächsten Km auf der SS18 fahre ich mit viel Verkehr auf hohen Brücken, die einige Höhenmeter gegenüber der alten Straße sparen, bis Scalea. Der alte Torre Talao am Ortseingang ist leider verschlossen. Vor Diamante kann ich wieder auf einer ruhigen Nebenstraße radeln. Das Meer ist hier noch sehr unruhig und die Wellen spritzen an den Felsen, auf denen die Stadt gebaut ist, besonders hoch. Bei Belvedere Marittimo ist für heute Schluss. In der Dämmerung baue ich mein Zelt auf einem Rasenstück am kleinen Hafen auf. Vorne brausen die Wellen und hinten fahren die Züge vorbei, aber der Blick in den SonnenUntergang ist wieder sehr bunt.

9.Tag, Do 29.10. Belvedere Marittimo.
Der Frühzug weckt mich um 5h. Gleich beginnt das Morgengrauen und ich will hier auch nicht zu lange stehen, nicht, dass sich noch jemand beschwert. Da es aber noch frisch ist, bleibe ich noch einen Augenblick im Schlafsack und schaue in meine E-Mails. Was muss ich da lesen: Ihr Flug am 13.11. von Catania nach Dortmund wurde storniert. Ich gucke, wann der nächste geht, aber von WizzAir wird für dieses Jahr keiner mehr angezeigt. Also muss ich eher zurück fliegen und buche auf den letzten angezeigten Flug am 6.11. Damit habe ich eine ganze Woche weniger Zeit. Spontan entscheide ich, heute nur bis Paola zu radeln und bis zur Fähre mit dem Zug zu fahren. Dann buche ich für die letzte Woche am Flughafen von Catania ein Auto (für unglaubliche 55,-€), damit ich noch etwas von Sizilien zusehen bekomme. Nach der Aufregung radle ich beschwingt in den Morgen und verbinde bei Acquappesa das Frühstück mit einem letzten Bad im Meer am italienischen Festland. In Paola kaufe ich mir zuerst eine Fahrkarte (12+3€) für den Zug nach Villa San Giovoanni. Der, in dem ich das Rad mitnehmen kann, geht erst in 2 Stunden, die mir dann leider am Abend wieder fehlen werden. Hoffentlich bekomme ich schnell eine Fähre, damit ich noch im Hellen aus Messina radeln kann. Jetzt kann ich erstmal in Ruhe zur Altstadt von Paola radeln. Die liegt höher als gedacht, (stöhn), ist aber auf jeden Fall sehenswert.
Der Zug braust erst durch viele flache Gegend mit Plantagen und dann durch Tunnel und über Brücken. Der Weg von Bahnhof zur Fähre ist auch kurz und ich kann fast direkt durchstarten. Mit zwei Motorradfahrern darf ich in die erste Reihe. Die 40min Überfahrt nach Messina kostet mich nur 3€. Um 16h schwimme ich mit dem dichten Autoverkehr entlang der Küste durch Vororte nach Süden aus der Stadt, bis ich bei Mili Marina wieder bei einem kleinen Hafen, diesmal im Sand und schon im Dunklen mein Zelt auf baue. Der Hafen ist eigentlich gar keiner. Die bis 10m langen Boote stehen alle auf Trailern am Strand. Vor ihnen gibt es ein langes Gestänge und eine kleine Raupe oder Bagger auf Ketten, die das Boot vom Strand ins Wasser schieben können. Komisch finge ich, dass jedes Boot seine eigene Raupe hat und sich die Eigner nicht die Raupe gegenseitig ausleihen. Mehrere ältere Herren sind noch an ihren Booten am Basteln und ihre Hunde bedrängen mich enorm bis sie zurück gepfiffen werden. Vom Zelt geht der Blick über die Meerenge nach Kalabrien und den aufgehenden Vollmond. Dort wird auch morgen die Sonne aufgehen.

10. Tag Fr 30.10. südlich von Messina
Heute trinke ich gleich dreimal Kaffee. Bei der ersten Bestellung in Santa Margherita Marina habe ich mich wohl falsch ausgedrückt und bekomme einen Espresso. Der zweite am Pavillon nahe dem Bahnhof von Scaletta Zanclea ist dann groß und mit viel Milch, ganz nach meinem Geschmack. Ich, als Teetrinker, liebe es hier inzwischen, den mit Zucker bestreut Milchschaum abzulöffen und genieße auch den Rest, häufig wegen der Cafeatmosphäre. Den dritten, am Strand von Furci Sicula trinke ich um mein Handy in der Zwischenzeit laden zu können. Ein kurzes Bad in der Nähe der Gold glänzenden Sirena ist dann auch noch drin.  Dann geht es nach Mazzaro hoch und ich sehe vor der Isola Bella erstmals mehrere Touristen am Strand. Ich radle unterhalb von Taomina über die Küstenstraße und verpasse damit die Besichtigung des berühmten Teatro Greco und der Stadt, weil ich den Reiseführer nicht gut gelesen habe. Der kleine Ort Giardini-Naxos hat eine erstaunlich moderne Kirche mit meditativer Dauerbeschallung und schönen bis kitschigen Bildern und Bildhauerarbeiten. Am Strand von Piazza San Pancrazio mache ich Mittagspause und lasse mich von einer asiatischen Frau richtig verwöhnen und den Rücken massieren. Weiter geht es über die nächste Anhöhe und wieder runter zum Strand nach Riposto. Der Ort wirkt so, als habe er schon bessere Zeiten gesehen. Am Hafen werden Maronen geröstet und ich koste welche. Die Straße führt nun 1-2 km durchs Hinterland mit vielen Baumschulen und Plantagen. Hier liegt in jeder Nische viel Müll. Der Platz zum Übernachten, den ich mir auf der Karte ausgeguckt habe, erweist sich als nichtzugängiges Privatgelände eines geschlossen Hotels. Mit Glück finde ich im Dunklen zwischen Hafen und Burgruine von Santa Tecla zwischen Lavafeldern ein mini Fleckchen. Der Blick beim Mondaufgang auf die Ruine und das Meer ist sehr romantisch.

11. Tag, Sa 31.10. Santa Tecla
Am Morgen muss ich den Zeltabbau unterbrechen, weil der Sonnenaufgang auch wieder so fantastisch ist, dass ich mehrere Fotos schießen muss. Es ist noch frisch als ich mit anderen Frühaufstehern durch das sonst noch ruhige Tecla radle. Doch schon vor der ersten Kehre zur SS114 wird mir in der Morgensonne warm und ich fahre in kurzer Hose und T-Shirt weiter. Am Hafen von Aci Trezza gibt es heute den Kaffee mit Blick auf die Felsen La Cornera. Der Verkehr Richtung Catania nimmt nun langsam zu. Auf der Suche nach einer ruhigen Nebenstraße lande ich hinter dem Lokschuppen am Porto Rossi in einer Sackgasse. Also weiter auf der Hauptstraße in die Innenstadt zum Fischmarkt mit seinem lebhaftem Treiben. Von der kleinen Sardine bis zum Thunfisch gibt es alles ganz oder in Stücken zu kaufen. Ich drehe noch 2 Schleifen durch den dichten, teils stehenden Verkehr. Wie die Rollerfahrer quetsche ich mich an den Autos vorbei und sehe das römische Amphitheater, den mit dem Fahrrad undurchdringlichen Markt auf der Piazza Carlo Alberto, die Porta Garibaldi und das Castello Ursino. Dann kämpfe ich mich zum Flughafen durch und suche das Büro vom Autoverleiher. Irgendwie bin ich ganz schön geschafft und froh, als ich das Fahrrad im Auto verstaut habe und noch unsicher mit dem kleinen Peugeot das Meer ansteuern. Baia di Agnone ist mein auf der Karte erwähltes Ziel und ich bin mit der Wahl sehr zufrieden. Hier kann ich gut parken, schwimmen und hundert Meter weiter durch Büsche verdeckt nach SU mein Zelt aufbauen. Im Schein des Vollmondes koche ich am Strand und schlafe zufrieden ein.

12. Tag, So 1.11.20 südlich von Catania
Erste Aufgabe ist heute, das Rad ins Auto zu packen, ohne das Hinterrad auszubauen. Wenn ich die Lehne des Beifahrersitzes noch nach vorne neige, reicht es das Vorderrad auszubauen, und das geht schnell. Zweite Aufgabe ist, für den Zigarettenanzünder einen Adapter mit USB-Anschluss zu kaufen, damit ich Handy und Camara laden kann. Aber das soll mir erst am Nachmittag in Siracusa gelingen. Nach einem Kaffee in Augusta und Kurzstop bei den Flamingos parke ich das Auto zwischen Teatro Greco und der Insel Ortigia, um alles mit dem Fahrrad ab zu fahren. Schon gigantisch was die Slaven der Griechen aus dem Fels gemeißelt haben. Aber den Römern hat es nicht gereicht und sie haben noch ein Anfiteatro neben an gebaut. Ich mache eine Kurzvisite beim modernen Beton-Basilika der Madonna delle Lacrime mit ihren tollen Lichteffekten. Auf der Suche nach dem Adapter kurve ich eine ganze Stunde kreuz und quer durch die Stadt, bis ich fündig werde. Jetzt kann ich mich entspannt der Altstadt auf der Insel zuwenden. Die Sonne steht schon tief und taucht die Gebäude in warmes Licht. Ich sitze an der Stadtmauer über dem Meer und auf dem Domplatz und schaue den flanierenden Touristen zu. Hier laufen eindeutig auch Leute rum, die mehr Geld haben. Ich packe das Rad wieder ins Auto und fahre zum SU und Campen an den Spiaggia di Fontane Bianche. Diesmal muss ich den Rucksack vom Parkplatz an der Straße noch 500m tragen, also nichts vergessen, sonst muss ich 2x laufen. Die Sonne lässt mir noch Zeit einen kleinen Spaziergang auf die Felsen der Steilküste zu machen.

13. Tag, Mo 2.11. Fontane Bianche
Heute geht es in die Barock-Stadt Noto. Ich lade wieder das Rad aus, aber bewege mich nach dem Kaffee mehr zu Fuß durch den filmreifen Ort. Hier wurde schon gedreht und wird augenblicklich wieder ein Film gedreht. Techniker bewegen Scheinwerfer und Kulissen und ich laufe durch Dekorationen. Gigantisch auch die Broncefiguren von Igor Mitoraj auf den Stufen vor dem Dom. Zum Mittag fahre ich ganz in den Süden. Hier bin ich tatsächlich südlicher als Tunis in Tunesien. Am Capo Correnti stelle ich das Rad ab, fahre mit dem Auto nach Portopalo di Capo Passero um an der Küste entlang zu wandern. Die Wanderung ist aber weniger schön als gedacht. Der Strand ist sehr vermüllt und alles wirkt eher ungepflegt. An einer netten seichten Stelle gehe ich Baden und finde für die nächste Stunde einen vierbeinigen Wegbegleiter, der zwar eigentlich den Hafen bewacht, sich aber mal eine Auszeit gönnt. Am Ufer gibt es auch felsige Abschnitte und Marschflächen, aber auf jeden Fall immer viel Müll. Am sauberen Strand vor dem Faro treffe ich Roman, den Dortmunder aus München. Wir kommen schnell ins Gespräch und ich beschließe die Nacht hier auf dem Parkplatz zu verbringen. Also radle ich zum Auto und fahre wieder hier hin. Wir verbringen einen chilligen Nachmittag am Strand und einen netten Abend mit Sambuco.

14.Tag Di 3.11. an der Süd-Ost-Spitze
Zum SonnenAufgang laufe ich zur Christusfigur, wo die Wellen der beiden Meere aufeinander treffen. Von hier habe ich einen guten Blick nach Osten. Dann alles wieder rein ins Auto, Kaffeetrinken in Ispica und auf nach Modica. Ich parke am hohen Aussichtpunkt gegenüber der Altstadt und lade das Rad aus. Mehrere Sepentienen führen runter in die Stadt mit seinen Barockfassaden. Ich radle vorbei an Palazzos und Piazza und steige die Stufen hoch zum Duomo di San Pietro. Im oberen Teil der Stadt gibt es noch einen Dom zu Ehren Georgs, den ich mir auch noch anschaue. Dann geht´s zurück zum Auto. Nördlich von Ragusa radle und wandere ich ins ruhige Tal Misericordia. Die Grotta del Gigante ist mein Ziel. Mit dem Licht meines Handys erkundige ich die Höhle auf allen Vieren. Das ist richtig abenteuerlich. Im schwachen Licht erkenne ich kleine Räume mit Tropfsteinformationen. Anschließend muss ich mich erstmal am Bach waschen, bevor ich die Stadt Ragusa besichtigen kann. Sie liegt auf mehreren Hügeln und lange Brücken verbinden die Stadtteile. Morgenfrüh will ich die Villa Casale besichtigen. Da sie noch 100km entfernt ist fahre ich noch einige Km bis es dunkel wird. Der Übernachtungsplatz bei Piane dell´Acqua in einer Olivenbaumplantage ist dann nicht so schön, aber ich will ja auch nur hier schlafen.

15. Tag, Mi 4.11.20 auf dem Weg nach Piazza Armerina
Auf der Suche nach einer Bar für den Frühstückskaffee lande ich in Grammichele und bin überrascht, als ich den Grundriss der Stadt sehe: sechseckig bis in die Außenbezirke! Weniger schön ist der Smog im Tal auf der Weiterfahrt bei Caltagirone. Der dicke Qualm aus einem Fabrikschornstein im Tal bleibt im Tal hängen und verpestet alles. Der Parkplatz an der Villa Romana del Casale ist noch ganz leer, so dass ich schon befürchte, dass das Museum doch zu ist. Aber nein, ich bin bis um 11h der einzige Besucher und kann ganz in Ruhe die schönen Mosaiken angucken: Die Jagdszenen, die Ornamente, die Bikini-Frauen und, und ... Am Mittag bewege ich mich durch Armerina. Heute möchte ich früher einen schönen Zeltplatz finden und suche zwischen Kakteen Zugang zu einem Berg. Ich habe Glück bei San Cono. Freie Sicht in alle Richtungen und gute Wiese. So kann ich den SU super genießen und gemütlich Kochen.

16. Tag, Do 5.11.20 auf dem Berg bei Piazza Armerina
Den letzten Tag möchte ich noch mal so wie die Nacht und den wunderbaren Morgen in der Natur von Sizilien verbringen. Nach einer kurzen Radrundfahrt mit Kaffeestop in Caltagirone fahre ich nach Ferla. Ich will durch den Canyon von Anapo wandern. Auf dem Parkplatz vor dem Naturschutzgebiet empfehlen mir zwei Österreicher aber eine andere Runde auf dem Wanderweg 4. Ich fahre weit auf der Höhe parallel zum Tal nach Osten. Der Weg führt an vielen bronzezeitlichen Felsenwohnungen und -Gräbern vorbei. Es soll hier 5000 Kammergräber geben. Hinzu kommt der tolle Blick in den Canyon. Unten am Fluss mache ich neben der ehemaligen Bahnstrecke eine erfrischende Pause. Es gäbe auch eine schöne Badestelle, aber ich will heute noch in die Nähe des Flughafens fahren und das Fahrrad verkaufen. Leider gibt es auf dem Wege keinen Fahrradladen, so spreche ich auf perfekt italienisch Leute an Tankstellen und Autowerkstätten an. Beim 3. Versuch werde ich tatsächlich fündig und bekomme 50,-€ fürs Rad. Auf der Suche nach einem Zeltplatz fahre ich wieder an den Strand. Über mir starten noch einige Flieger und ich stelle den Wecker auf 5h.

17. Tag, Fr 6.11.20
Den Wecker habe ich nicht gehört, aber die ersten Flieger wecken. Einpacken, tanken, Auto zurückgeben und rein in die Schlange vor dem Schalter. Jetzt geht alles seinen Gang und Gut. Der Flieger startet weniger als halbvoll pünktlich. Ich habe eine Fensterplatz und gute Sicht auf den Etna, Venedig, die Dolomiten, das Inntal, die sich stauenden Wolken nördlich der Alpen und das Sauerland im Landeanflug über der Ruhr. Da Italien in der Zeit meines Urlaubs zum Corona-Risikogebiet erklärt wurde, muss ich einen Test machen. Leider ist letzte Woche die Teststation am Dortmunder Flughafen geschlossen worden und auch das Klinikum Nord weist mich ab, weil ich kein Dortmunder bin. So fahre ich erstmal nach Hause und werde mich morgen weiter um einen Test bemühen.

P.S: Ich wurde dann am 7. getestet und musste eine ganze Woche aufs Ergebnis warten. Aber die tolle Reise war es wert!!!

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