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Chile und Argentinien I

Veröffentlicht: 30.11.2017

Feuerball in Atacama

In San Pedro de Atacama besuchten wir in der Nacht eine Sternwarte. Es war für uns beide das erste Mal, durch ein Teleskop die Sterne zu beobachten. Das grösste Glück war, dass wir einen Feuerball (Meteoriten) sahen. Er erhellte die Umgebung für einen kurzen Moment und gab uns das Gefühl, im Tageslicht zu stehen. Ein Feuerball ist eine riesige Sternschnuppe. Für unseren Astrologen und Physiker war es der erste in diesem Jahr. Es war bereits der 10. November, was unseren Zufall noch vergrösserte.

Wir waren fasziniert von dem interessanten Astrologenabend. Verstärkt wurde die gemütliche Stimmung mit Wein und Snacks.

Die Sterne seien in der Atacamawüste am besten zu sehen, da es trocken, wenig lichtverschmutzt ist und sehr selten Wolken am Himmelszelt hat.


Verirrte Wintersportler

„Brett schon gewachst?", riefen wir uns gegenseitig zu und witzelten über die Situation. Mit der Kerze in der Hand, kurzen Hosen und Snowboardboots standen wir mitten in der Wüste vor einem zu präparierenden Brett. Unser Führer forderte uns zwei auf, das Snowboard zu wachsen. Bevor das Spektakel losging, versuchten wir durch grösszugiges Trinken unsere Speicher so zu füllen, damit wir auf dem 15-Minütigen Aufstieg in der Dürre keine trockene Kehle bekamen. Zu oberst auf der Sanddüne angekommen, kurvten wir mit dem Snowboard an den Füssen im Wüstensand runter. Das Gefühl von Freiheit oder der vom Tourenanbieter gewagte Vergleich mit dem Wintersport war schlicht gelogen. Als begeisterte Wintersportler sind wir uns ans Gleiten gewöhnt. Bei dieser eigenartigen Sportart war die Bodenhaftung jedoch so gross, als hätte uns jemand Honig ans Brett geschmiert. Die Erfahrung, mit einem Snowboard in die Wüste geschickt zu werden, war es trotzallem wert. Jetzt wissen wir es noch viel mehr zu schätzen, dass unsere Alpen mit Schnee und nicht mit Sand bedeckt sind.


Ab in den Norden

Im Bus reisten wir über Nacht nach Arica. Das ist die Grenzstadt im Norden Chiles. Wir glaubten, am Strand surfen und ein wenig Sonne tanken zu können. Da lagen wir wohl ziemlich falsch. Beim Abklappern der Surfshops wurde uns schnell klar, dass sie entweder keine Bretter im Verleih hatten oder sich lieber ihrem eigenen „Shit", dem Joint, widmeten. Wir lasen vorgängig, es gäbe um diese Jahreszeit warme Meeresströmungen. Die Wassertemparatur lag bei 18 Grad. Warm? Da sich auch die Sonne nur selten zeigte, war das Plantschen im Meer also auch nicht gerade angenehm. Kochen, joggen am Strand, ein bequemes Bett, einen Tagesausflug in die peruanische Grenzstadt Tacna und vor allem feines Gelati an der Meerespromenade machten den Aufenthalt im Norden doch noch lohnenswert.

Uns beschäftigte die Schlagzeile von Sandro aus der Schweiz. Er kam von seiner Bergtour am Säntis nicht mehr zurück. Bei jedem Internetzugang hofften wir auf eine positive Meldung. Wir dachten während dieser Zeit oft an ihn und seine Familie.


Busfahrt mit amerikanischem Beigeschmack

Auf der Rückfahrt zerrten die Chilener ein weiteres Mal an unseren Nerven. Scheinbar wollte der Busfahrer den Benzintank füllen. Auf einmal kam sein Assistent und schloss alle Vorhänge. Wir öffneten diese wieder, um die Morgenstimmung aus dem Fenster zu sehen. Seine Aktion hatte jedoch einen Grund. Sie sollte die Leute tarnen, da sich während des Tankens keine Personen im Bus befinden dürfen. Bei geschlossenen Vorhängen liesse es den Transporter leer ausschauen. Dies funktionierte in unserem Fall nicht und alle Passagiere mussten aussteigen. Vermutlich bezahlte die Busfirma eine Busse. Es war so strapazierend, da wir kurz vorher in der Dunkelheit für eine stündige Gepäckkontrolle aus dem Schlaf gerissen wurden. Mit einem Schwatz mit anderen Reisenden hielten wir unsere Warterei kurz. Der Gedanke, dass es die letzte Busreise für eine lange Zeit sein wird, liess die Situation weiter entspannen. Die Vorfreude auf unser Auto am nächsten Tag war riesig. Nur noch einmal schlafen bis unser Campingabenteuer losgeht.


Schlüsselerlebnis

Am 17. November standen wir um 10:00 Uhr in San Pedro de Atacama im Hostel Tocopilla mit all unserem Gepäck bereit. Urs, der schweizer Manager der Firma „Patacama“, die hauptsächlich geführte Abenteuerreisen organisieren, kam pünktlich fünf Minuten vor der Zeit wie die Schweizer es sich gewohnt sind. Er chauffierte den Pick-up direkt in den Hinterhof des Hostels. Dort hatten wir genügend Platz, um uns das gesamte Material für zwei Stunden erklären zu lassen. Kurz nach unserer Begrüssung auf gewohntes Schweizerdeutsch, sagte er: „Ich habe eine positive und eine negative Nachricht für euch. Mit welcher soll ich starten?“ „Mit der Positiven“, gaben wir zur Antwort. Gespannt warteten wir auf seine Neuigkeit. „Also, die positive Mitteilung ist“, fuhr er fort, „ euer Toyota Hilux ist total neu und ihr habt ein Gratis-Upgrade auf 4x4, damit es eure Reise noch abenteuerlicher macht.“ „Wow, das ist der Wahnsinn!“, dachten wir. „Und das Negative?“, fragten wir ihn neugierig. „Hmmm, das Negative ist, dass ich die Kleber an der Scheibe nicht vollständig entfernen konnte.“ Nach diesen überaus überraschenden News waren wir hellbegeistert und folgten Urs' Erklärungen zu dem Campingmaterial und dem Auto gespannt. Wir erhielten den Schlüssel und unterschrieben die letzten Formulare für die Versicherung und den Selbstbehalt. Mit vollen Köpfen, vollem Tank und voller Tatendrang machten wir uns auf den Weg in die Weite der Atacamawüste.


Die Natur und wir

Die erste Nacht verbrachten wir in der bitteren Kälte auf über 5000 m.ü.M. Nicht nur die Kälte machte uns zu schaffen, sondern auch der starke Wind in Kombination mit der Altitüde. Die Umgebung war einzigartig. Wir suchten Schutz bei einem Felshalbmond. Auf der einen Seite war eine Lagune mit Flamingos zu sehen. Sie suchten nach Nahrung. Die andere Seite glänzte mit weissen Bergen. In der Nacht waren unzählige Sterne zu sehen. Die zähe Nacht brachte uns zum Nachdenken. Ist dieses Campen in Südamerika tatsächlich ein Überlebenskampf? Es müsste doch die ideale Jahreszeit für unser Vorhaben sein. Am nächsten Tag reisten wir mit unserem Pick-up weiter durch die Anden. Wir waren froh, hatten wir einen Ersatzkanister Diesel auf der Ladefläche dabei. Eine Tankstelle in der gigantischen Atacamawüste gab es nämlich weit und breit nicht. Es gab kaum Verkehr und den Pass Sico, den wir nach Argentinien über die Anden überquerten, war minimal frequentiert. Zwei bis drei Autos passieren diesen Grenzübergang pro Tag. Die Zollbeamten würdigten auch keinen Blick in unser Reisemobil. Nur die Papierschlacht mit Ein- und Ausfahrscheinen des Autos dauerte ungefähr eine halbe Stunde.

Das wilde Campieren in den nächsten Nächten war viel angenehmer, da es nicht mehr so bissig kalt und windig war. Einer unserer favorisierten Plätze war ein ausgetrocknetes Flussbeet in den Bergen in der Nähe des Anconcaguas. Er ist mit 6962 Metern der höchste Berg in gesamt Amerika.


Im Wein liegt alles

Sogar wir lagen im Wein. Im Weinparadies Mendoza übernachteten wir in einem alten Weintank, der in ein Schlafzimmer umfunkioniert wurde. Eine italienische Familie führt das Hostel „Antigua Residencia“ mit sehr viel Charme und Liebe. Vor 40 Jahren war die Bodega, Weinkellerei, noch in Betrieb. Heute ist sie ein Museum, Hostel und Restaurant gleichzeitig. Es ist nicht zu glauben, wie sehr wir diesen preiswerten Luxus im Weineldorado genossen. Die warme Dusche nach einigen Tagen wild campieren ist wohl das schönste aller Dinge. Genau das ist ein wichtiger Grund zwischendurch primitiv zu leben. Nur so wissen wir die kleinen und selbstverständlichen Dinge wie fliessendes oder sogar warmes Wasser zu schätzen. Dem Luxus waren an diesem Ort keine Grenzen gesetzt. Mit dem Fahrrad erkundeten wir die Weinregion und erfuhren mit Degustationen so einiges über den Wein. Mendoza ist nicht nur bekannt für den Wein, sondern auch für Olivenöl und Balsamicoessig. Eine Führung in der Olivenölfabrikation „Laur“ konnten wir uns nicht entgehen lassen. In dieser Gegend haben sich viele Italiener niedergelassen, um der Wein- und Olivenölproduktion eine Hausse zu verleihen.

Zurück im ehemaligen Weinkeller tankten wir viel Energie für die Weiterreise mit leckerem Essen, Wein und erfrischendem Aussenpool.


Unser Auto ist unser Schloss

Langsam haben wir uns gut eingelebt in unserem „Hilüxli“. Wir wissen, wo sich all das Material befindet und werden immer schneller im Auf- und Abbau des Zeltes. Oft baut jemand rasch das Zelt auf, während der andere mit Kochen beginnt. Auch kann es einmal vorkommen, dass uns der Aufwand mit dem Zeltaufbau zu gross oder der Ort zum Campen ungünstig ist. Folglich schlafen wir eingepackt mit Schlafsack im Auto. Einmal übernachteten wir auf dem Parkplatz eines Nationalparks. Wir waren die ersten im Park. Den Schlaf im Pick-up zu finden, ist nicht immer ganz einfach, beschert einem jedoch den Vorteil, früh aufstehen zu können.


Santiago de Chile

Auf dem Weg nach Santiago de Chile mussten wir beim Überqueren der Grenze Bananen, eine Melone, Pfirsiche, Birnen, zwei Gurken und die in Mendoza frisch gekauften Mandeln den Beamten abgeben. Glücklicherweise konnten wir denen angeben, dass unser Spanisch zu miserabel ist, um das Deklarationsgspapier zu verstehen und entsprechend richtig auszufüllen. Statt dem Supergau einer Busse konfiszierten die Grenzwächter lediglich die Frischwaren und händigten uns ein neues Formular zum Ausfüllen aus - aber bitte mit richtiger Deklaration!

In Santiago hausten wir bei einer ehemaligen Mitbewohnerin von Dési. Das Paar Zoé und Franchi waren sehr gastfreundlich. Wir konnten in ihrer Wohnung für einige Tage ein- und ausgehen. Das Auto durften wir in eine Garage bei einer Kollegin von Zoé unterstellen. Dort war es sicher und vor Einbrüchen oder Diebstahl geschützt. Herzlichen Dank an Zoé und Franchi, von denen wir ein bequemes Bett und zahlreicheTipps für die Stadtbesichtigung bekamen. Santiago ist multikulurell, spannend und hat uns zwischendurch auch die Möglichkeit gegeben, die Verschiedenheit der Leute von einer Bank aus zu beobachten.

Weiter geht es nach San Rafael, Argentinien!

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