Veröffentlicht: 09.08.2019
17.01.2015
Der Himmel sieht gar nicht so übel aus an meinem Geburtstag. Angesagt war ja Regen. Und zwar südlich der Gletscher mit zunehmender Intensität. Bevor die einsetzt, mache ich mich nach einem Zimmer-Frühstück im Selbstbausatz auf den Weg in Richtung Norden. Zunächst halte ich an dem Café, in dem ich auch letztes Jahr einen leckeren Kaffee gekriegt habe und trinke einen in der Sonne.
Haast Downtown
Haast die Bushaltestelle
Im i-site in Haast Beach informiere ich mich noch kurz über die Dickschnabel-Pinguine (crested penguins), die es nur hier gibt. Monro Beach wäre dafür gut geeignet, ist aber nur in einer 1,5 stündigen Waldwanderung erreichbar. Ich sehe schon Schwärme von sand flies vor meinem geistigen Auge...Also fahre ich jetzt erst einmal los.
Die Straße führt über das fast trockene Flussbett des Haast River, in dem rieisige Felsbrocken liegen, die bei der Schneeschmelze aus den Bergen mit runter kommen. Dahinter beginnt gleich wieder der Busch. Riesige Baumfarne, podocarp Bäume (lt. Wikipedia "Steineiben"), Farne, Palmen, Büsche - alles vorhanden. Diese Strecke bin ich ja letztes Jahr auch gefahren.
Ich biege nicht ab zu den Seen, die hier an der Straße liegen, sondern halte nur kurz am Knights Point, einem UNESCO Welterbe-Punkt, ebenso wie die gesamte Haast Region dazu gehört. Allerdings sind heute die Aussichten nicht so grandios, wie letztes Jahr - es ist zu wenig Sonne da, wenngleich sie sich redlich bemüht. Die Fliegen sind auch noch da - ob es dieselben sind wie im letzten Jahr ist schwer zu sagen - aber nerven tun sie auf die gleiche Art und beißen tun sie auch.
Knights Point
Also schnell weiter und der nächste Haltepunkt ist Bruce Bay. Eine langgezogene Bucht, praktisch unbewohnt. Hier läuft der Highway direkt am Wasser entlang und in der Ferne sieht man hohe Podocarp Bäume und nebelige Gischt. Aber vor mir sind erst einmal jede Menge Wunschssteine aufgestapelt. Ich suche mir einen und verewige mich mit ¨17.1.2015 Geburtstag in Neuseeland! Was für ein schönes Leben! Wiebke aus Berlin¨
Ich lege den Stein ab und werde wohl nie erfahren, wie lange die Schrift des Kulis auf dem Stein halten wird. Ein Stück weiter habe ich einen besseren Blick auf die Bäume am Strand und das viele wilde Treibholz, das hier liegt. Irgendwo dahinten muß Monro Beach sein, wo die Dickschnabelpinguine möglicherweise zu sehen sind. Kurz danach geht der Wanderweg dorthin. Aber 1,5 Stunden laufen und dann nicht wissen, ob man welche sieht? Zudem rüsteten sich gerade zwei Leute am Beginn des Tracks indem sie sich mit langen Hosen, langen Hemden, Hüten mit Nackenschutz, Handschuhen und einer guten Dosis Insektenschutzspray ausstatten. Also das macht echt keinen Spaß, dauernd mit diesen sandflies zu wandern. Die Stiche fangen meist erst am nächsten Tag an zu jucken, bleiben einem aber über Wochen erhalten und jucken auch geraume Zeit. Ich habe jetzt immer noch Stiche an den Fußgelenken und am Handgelenk, die ich in den ersten Tagen auf der Nordinsel eingefangen habe. Nun fängt das wieder von vorne an.
Ich denke außerdem an die Wetterprognose und meinen Plan unbedingt heute, an meinem Geburtstag, noch um den Lake Matheson zu laufen, was ja auch noch mindestens 2 Stunden sind - also entscheide ich mich zur Weiterfahrt.
Mein Quartier für zwei Nächte ist in Franz Josef, dem nördlich gelegenen Ort der beiden Gletscher. Also komme ich zunächst nach Fox, lasse aber die Abfahrt zum Gletscher links liegen und fahre weiter. Letztes Jahr habe ich die etwas steile Tour zum Fox Gletscher gemacht und solange es nicht regnet, will ich lieber etwas machen, was ich damals nicht geschafft habe. Kurz hinter der Abfahrt zum Fox Glacier geht es nach links in eine Straße, die zu einem Parkplatz führt, von wo aus drei Wanderwege unterschiedlicher Dauer an oder teilweise oder ganz um Lake Matheson gehen. Der See ist nicht groß, aber das Besondere ist, dass sich die Gipfel von Mount Cook und Mount Tasman im Wasser spiegeln. Ob mir das allerdings heute vergönnt ist, ist eher mit großem Glück verbunden, denn die Berge sind allesamt immer noch in Wolken. Hier gibt es kein i-site, keine Karten, nur ein Café und einen Souvenirshop.
Ich stiefele also los, es ist 13.15h, nehme mein Wasser und einen rasberry white chocolate muffin mit, den ich gestern in Hawea im General Store gekauft habe und der genial duftet und schwer nach großmütterlicher Handarbeit aussieht. Das wird meine Geburtstags-Wanderprause! Der Weg läuft zunächst über eine Wiese und verschwindet dann im Wald.
Den See kann man immer mal zwischen den Bäumen hindurch sehen. Es geht bergauf und dann ein paar Stufen runter, über einen Plankenweg über ein Sumpfgelände und dann kann man an einer ¨Kreuzung¨ überlegen, ob man zurück geht oder über eine hohe Treppe oben zum View of the Views geht. Ich mache natürlich das. Aber oben angekommen ist der Blick nicht besser als unten und die Wolken hängen immer noch im Berg. Dennoch eine schöne Aussicht. Hier gäbe es eine Bank, aber eine Gruppe Israelis hat sich dahinter zum Picknick niedergelassen und mir ist das zu laut. Die Fläche ist ungefähr 4 qm groß, dahinter geht der Hang hoch und ist mit Urwald bewaldet. Also Treppe wieder runter und weitergehen. Kurz danach kann ich eine Treppe hinuntersteigen zu etwas, das Reflection Island heißt.
Eigentlich ist es nur ein Holz-Podest mit einer langen Sitzbank auf der man den Blick auf die Berge und den See hat, nur von etwa 50m tiefer. Ich bin zunächst alleine und packe meinen tollen Muffin aus. Die Sonne scheint. Alles fein.
Dann kommmen zwei Mädels an - natürlich Deutsche. So kommt man dann doch ins Gespräch. Beides sind Hamburgerinnen und für ein Work & Travel hier. Sie arbeiten im Hostel in Fox und sind etwas frustriert, weil sie auf die Linienbusse angewiesen sind, die nicht ansatzweise so und dahin fahren, wo sie gern hin wollen. Ein Bus, den sie nehmen wollten für einen Ausflug fährt nur 3 x die Woche, andere Punkte, wie Lake Tekapo sind mit diesen Bussen gar nicht erreichbar. Im Hostel arbeiten sie nur 2,5 Stunden am Tag, haben also viel frei. Glücklicherweise stellt man ihnen Fahrräder, aber angesichts Wind, Bergen und nicht vorhandenen Radwegen ist das alles mehr als anstrengend. Sie haben vor zwei Tagen schon mal den Weg zu diesem Punkt angetreten, sind mit dem Rad gefahren und waren schon bei der Ankunft im Eimer. Dann wollten sie nach Gillespie Beach, was etwas weiter hinter Lake Matheson liegt und da in 1,5 Stunden Wartezeit mit Daumen raushalten nur 3 Autos vorbei gekommen waren, die zudem nicht angehalten haben, haben sie den Rückweg angetreten.
Offenbar gibt es in NZ einen Mindestlohn von 14,50 NZ$, von dem 12,20 NZ$ netto übrig bleibt. Irgendwie ähnlich, wie der Mindestlohn von 8,50 EUR in Deutschland. Also verdienen die beiden pro Tag 30 Dollar. Da kann man hier auch nicht weit springen...Sie sind 9 Tage in Fox in dem Hostel und man hat ihnen vorher gesagt, sie sollten ihr gesamtes Essen mitbringen. In Fox gibt es keinen Supermarkt, der nächste ist in Franz Josef und das ist 25km über die Berge entfernt. Also sind sie mit Tüten voller Lebensmittel in ihr Hostel gekommen.
Als sie aufbrechen halte ich noch etwas durch. Es ist nun schon nach 16.00h und ich war also jetzt rund 3 Stunden hier, um die Wolkenauflösung über den Gipfeln herbei zu hypnothisieren, was nicht funktioniert hat. Trotzdem ein wunderschöner Blick und eine erinnerungswürdige Wanderung an meinem Geburtstag.
Ich nehme eine Anhalterin mit, die aus Belgien kommt und auch schon 5 Wochen unterwegs ist. Sie ist 4 Wochen mit einem Freund gereist, der aber zurück mußte. Nun ist sie auch alleine on tour. Sie hat auf der Nordinsel eine einwöchige Wanderung gemacht. Mit einem Mann an der Seite ist das vielleicht auch noch was anderes, wobei solche langen Wanderungen und Campieren im Zelt irgendwo im Busch eh nicht meins wäre. Ich fahre sie in Franz Josef zu ihrem Hostel und finde auch mein Hotel The Terrace. Die Rezeptionistin ist aus dem Allgäu. ¨ Ich spreche nur allgäuerisch oder Englisch¨ sagt sie. Lustig !
Parken fast im Zimmer ;-)
Das Zimmer ist riesig und das Bett hat gefühlt 25qm Grundfläche. Herrlich! Mit 160 Dollar die Nacht ist es die zweitteuerste Behausung dieser Reise (nach dem Motel, das ich in Russell am Weihnachtstag hatte). Ich gehe los und suche ein Restaurant. Kaum sitze ich, fängt es an zu regnen. Einen Heizstrahler habe ich schon bekommen, aber nass werden ist blöde. Also ziehe ich an einen Tisch an der Hauswand um und kurz darauf ganz rein. Das Lokal Speights Landing ist urig und das Bier schmeckt. Das Essen ist sehr lecker. Ein Fischgericht mit Auberginen. Schönes Geburtstagsessen. Als ich gehe, schüttet es draußen dermaßen, dass ich erstmals meinen Rucksack-Überzug und die Plastiktüten-Regenjacke aus dem Euroshop brauche, um die 200m ins Hotel zu kommen.
Franz Josef im Regen
Ich telefoniere mit Zuhause und beantworte viele gute Wünsche, die mich auf Facebook, per E-Mail oder Whatsapp erreichen. Bis ich meine Bilder gesichert habe und noch ein bißchen rumgetüdelt habe, ist es fast 1 Uhr nachts. Draußen geht seit Stunden die Welt unter. Die Dächer sind in Neuseeland meist aus Wellblech, was den Regen extrem laut macht. Mein Bett ist riesig und gemütlich, die Stiche an den Füßen jucken zum wahnsinnig werden und mein Geburtstag in Neuseeland ist vorbei.
Tageskilometer: 157km