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Etappe 105: Vom chinesischen Tunnel zurück nach Taran-Bazar

Veröffentlicht: 25.05.2022

Am nächsten Morgen wurden wir früh von Jaffar geweckt, da die chinesischen Bosse wohl am Vormittag die Baustelle verließen. Bis zum Eingang des Tunnels und zum Arbeitercamp waren es noch ca. 5 Kilometer, die es in sich hatten. Im Lager angekommen wurden wir ungläubig gemustert, die meisten hatten aber keine Lust, sich mit uns zu unterhalten. Ein Übersetzer vor Ort bot uns seine Hilfe bei der Orientierung an, traute sich aber nicht, bei den Bossen ein gutes Wort für uns einzulegen. Kein gutes Zeichen! Die Hierarchie im Lager war spannend. Dort lebten Chinesen, Kirgisen, Usbeken und Pakistanis. Jede Nation hatte ihre eigene Rangordnung, Übersetzer waren zur Kommunikation zwischen den Lagern vor Ort. Auch direkt an Ort und Stelle bekamen wir verschiedene Versionen zu hören. Manchmal war es hüfthohes, ungesundes Wasser im Tunnel, manchmal Betonarbeiten, manchmal war der Tunnel auch noch gar nicht fertiggestellt. Nachdem wir gefühlt mit jedem aus dem Camp, der Englisch oder Russisch sprach, diskutiert hatten, wurde das Bild langsam klarer. Zum Durchbruch des Haupttunnels fehlten ca. 800 Meter, der Versorgungstunnel verband bereits beide Seiten und wurde von Einheimischen und Bauarbeitern bereits genutzt. Dort fanden an dem Tag aber tatsächlich Betonarbeiten statt, die bis zum nächsten Tag aber fertiggestellt sein würden. Wir erklärten weiterhin, dass wir auch bereit seien, Geld zu zahlen und uns auf einem Truck eskortieren zu lassen. Nachdem alle ausweichend antworteten, kam ein ehrlicher Übersetzer zu uns, der uns jegliche Hoffnung auf ein Weiterkommen nahm. Er erklärte, dass es heute tatsächlich wegen der Arbeiten im Tunnel keine Chance gäbe, die chinesischen Bosse uns aber auch danach nicht passieren ließen, weil sie keine Verantwortung für uns übernehmen wollten. Lange Rede, kurzer Sinn: wir mussten umdrehen. Wir bekamen noch eine Wurst und Süßigkeiten geschenkt und verließen die verrückte Baustelle. Immerhin ging die Rückfahrt nach Taran-Bazar entspannt bergab. Aman schlug noch vor, den "Weg des Schafes" zu gehen, er meinte, einen Pfad durchs Gebirge zu sehen. Die Berge waren aber so steil, dass wir am Vortag sogar Schafe gesehen hatten, die sich den Abstieg nicht trauten. Ich konnte ihm vermitteln, dass seine Idee schon ohne Gepäck und Fahrrad lebensgefährlich sei und er sich überschätzte. Nach einer anstrengenden Diskussion ("you just have to believe!" "Yes, I believe you would die!") traten wir den Rückweg an. Auch ohne Gepäck hätten wir ohne Kletterausrüstung keine Chance gehabt.

Zurück in Taran-Bazar erkundigten wir uns in einem Markt nach der alten Straße nach Kazarman. Zunächst wurde uns wieder zu 100% versichert, dass die Straße offen sei. Nach all den Gesprächen mit völlig überzeugten Einheimischen über die chinesische Strasse waren wir aber misstrauisch und hakten mehrmals nach. Ein Telefonat gab der zu 100% sichere Einheimische dann doch zu, dass die alte Straße wohl doch noch wegen Schnee gesperrt sei. Ich nahm mir vor, keine Einheimischen mehr zu fragen. Es scheint wohl peinlich zu sein, etwas nicht zu wissen oder nicht helfen zu können. Also lieber eine Antwort voller Überzeugung geben, als sein Gesicht zu verlieren. Das verstehe, wer will! Bei dem Gespräch wurden andere Einwohner auf uns aufmerksam und luden uns zu Tee ein. Das Ganze eskalierte aber etwas und es gsb nicht nur Tee, sondern natürlich auch einiges zu Essen und eine Übernachtungsmöglichkeit. Nach drei Tagen ohne Dusche fühlte ich mich nicht so wohl dabei, ließ mich aber überreden. Schließlich war ich schon Schuld daran, dass wir nicht versucht hatten, das Gebirge querfeldein zu überqueren. Mit der Familie gingen wir abends noch etwas spazieren. Alle waren super nett und herzlich! Zu dem Zeitpunkt hätte ich aber auch nichts gegen eine Dusche und etwas Privatsphäre gehabt.

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