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Bolivien: Sucre

Veröffentlicht: 27.11.2018

Von Uyuni fuhren wir nach Sucre, die offizielle Hauptstadt Boliviens, obwohl sowohl die Regierung als auch das Parlament in La Paz stationiert ist. Lediglich der Gerichtshof ist in Sucre selber verblieben. Natürlich wurde uns wie immer versichert, dass es sich um einen direkten Bus handelt. Tatsächlich mussten wir aber in Potosi umsteigen, worüber dort natürlich niemand informiert war, so dass alle Sitze der aus Uyuni kommenden Leute doppelt verkauft worden waren, wodurch es schlussendlich zu wenig Platz im Bus gab für alle Ticketinhaber, so dass einige Leute noch vorne beim Buschauffeur in der Fahrerkabine sitzen mussten. Nichts besonderes also, typisch Lateinamerika halt, daran hatten wir uns schon längst gewöhnt. Als wir an einer Polizeikontrolle vorbeifuhren, wurden einfach alle Leute aus dem Cockpit kurz nach hinten zu den anderen Passagieren geschickt, bis man an der Polizei vorüber war, dann durften sie wieder nach vorne.
Auf dieser Fahrt verliessen wir auch nach vielen Wochen die Höhenlagen um 4000m, so dass es endlich mal wieder angenehm warm wurde. Ich hatte sowohl in der Wüste Perus, als auch im Hochland in Peru und Bolivien wirklich Mühe mit dem Klima, bzw. dem ständigen Wechsel dessen. Tagsüber, solange die Sonne schien, war es meist brütend heiss, nachts hingegen arschkalt. Also ein täglicher Wechsel von etwa 30 Grad, Winter und Sommer am selben Tag. Man muss also ständig gut ausgerüstet sein. Das hat mir wirklich zu schaffen gemacht und ich hätte wirklich sehr Mühe, in diesen Regionen zu leben und mich daran zu gewöhnen.


Sucre wird die weisse Stadt genannt und gilt als schönste Stadt Boliviens. Wir erfuhren, dass die Stadtbevölkerung angehalten wurde, ihre Häuser regelmässig weiss zu streichen, um das Bild beizubehalten. Wenn sie dies taten, erhielten sie einen Steuerrabatt.
Und tatsächlich handelt es sich um hier um einen hübschen Ort, wenn er sich auch nicht so wahnsinnig von anderen Kolonialstädten unterscheidet, die wir bisher schon gesehen hatten. Von den Socken gehauen hats uns also nicht gerade und viel los war hier auch nicht. Tatsächlich machten wir hier Bekanntschaft mit einem für uns neuen Phänomen in Lateinamerika, welches allerdings für den Rest unserer Zeit in Bolivien bestehen bleiben würde: die Siesta. Pünktlich um 12:00 Uhr mittags macht alles dicht und öffnet erst um 15:00 Uhr wieder. Dies gilt für Einkaufsläden wie für Museen. Da wir nicht unbedingt zu den Frühaufstehern gehören, war das für uns natürlich eher ungünstig. Kaum waren wir aufgestanden, geduscht, angezogen, hatten uns einen Ort gesucht, um zu frühstücken (wir hatten ein ganz herziges Lokal im Turm einer Kirche entdeckt, mit gutem Ausblick, welches erst kürzlich eröffnet hatte), hatten die anstehenden Erledigungen und Einkäufe gemacht und waren bereit fürs Museum.....war es für die nächsten 3h geschlossen. So verbrachten wir also täglich 3h damit, nach Lateinamerikanischer Art im Park herumzugammeln.


Eines der interessanteren Museen war das Casa de la Libertad. Wir schlossen uns der spanischen Führung an und kamen so mit einem Ehepaar aus Cochabamba zusammen, welches zusammen mit der Führerin sichtlich Spass dran hatte, uns einen Crashkurs in Bolivianischer Geschichte zu erteilen. Tatsächlich sind solche historischen Museen mit ihren Bildern von Kriegshelden und dergleichen einiges interessanter, wenn man einen Bezug dazu und ein wenig Vorkenntnisse hat.
Im Casa de la Libertad wurde jedenfalls die Unabhängigkeit Boliviens von Spanien ausgerufen. In vielen Lateinamerikanischen Staaten ging diese Sache relativ ruhig über die Bühne (sin sangre = ohne Blut). Nicht so in Bolivien. Weshalb nicht? Wegen des Silbers von Potosi natürlich, warum denn auch sonst. Erst nach einem langen Krieg verkündete Bolivien 1825 seine Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Spanien und wählte den südamerikanischen Unabhängigkeitskämpfer Simon Bolivar zum ersten Präsidenten (daher der Name Bolivien). Bolivar, der Venezuelaner war, blieb aber nicht lange Präsident, sondern trat das Amt bald ab. Die Stadt Sucre wurde nach dem Volksheld und General der Unabhängigkeitsarmee Mariscal Antonio Jose de Sucre benannt.
Interessanterweise, bzw. für unsere neuernannten Geschichtslehrer im Museum ein wenig „beschämenderweise“ hatte es in Bolivien seither mehr Präsidenten gegeben, die durch einen Putsch an die Macht gekommen waren, als tatsächlich demokratisch gewählte Volksvertreter. Als wir in die Präsidentengalerie gelangten, wo von jedem der früheren Präsidenten ein Gemälde hing, kamen sogleich leidenschaftliche Hasstiraden auf (im O-Ton) „korrupte Verbrecher der Vergangenheit, deren Bild man eher verbrennen sollte, anstatt hier auszustellen“, sowie ebenso leidenschaftliche Lobgesänge auf den aktuellen Präsidenten, Evo Morales, von seinen Anhängern liebevoll Evo genannt. Tatsächlich kannten wir Evo, bzw. Bilder von ihm. Es ist kaum möglich, ihn nicht zu kennen. Fotos von ihm hängen im ganzen Land aus, nämlich auf riesigen Schautaafeln, die neben jeder Baustelle, neben jeder Strasse, und neben jeder Teleferico-Linie in La Paz ausgestellt sind und die Informationen zum dortigen Investitionsvorhaben, der investierten Summe und der Anzahl der nutzniessenden Gemeinden und Familien geben. Evo wurde 2006 als erster Indigener zum Landesoberhaupt gewählt. Offenbar konnte er zu Beginn seiner Amtszeit nicht einmal gut Spanisch. Tatsächlich hat er wohl seither im Land viel verändert, insbesondere eben durch Investitionen in Infrastrukturprojekte. Tatsächlich gibt es überall im Land riesige Baustellen, um Strassen neu zu asphaltieren oder in Stand zu setzen. Auch einem gross angelegten Projekt zur Nutzung von Erdwärme sind wir unterwegs begegnet. Ausserdem hat er den „Plurinationalen Staat Bolivien“ ins Leben gerufen, um die Gleichstellung der vielen indigenen Völker in Bolivien zu erreichen und ihren Stand zu verbessern. Aber nicht alle Einwohner Boliviens mögen Evo. Interessanterweise ist die Landbevölkerung ihm eher zugetan als die Leute aus der Stadt. Viele Leute, mit denen wir gesprochen haben, meinten er sei lediglich eine Marionette anderer Leute, die in Wahrheit regieren würden, und andere bemängeln, dass auch er die Macht nicht mehr abgeben und von der Bildfläche verschwinden wolle, wie es für Lateinamerikanische Staatsoberhäupter typisch sei. Unsere „Lehrerfamilie“ im Casa de la Libertad in Sucre konnten jedoch alle diese Argumente nicht von ihrer Meinung abbringen: sie lieben Evo. Alles was er tue, tue er für Bolivien, Firmen werden verstaatlicht, und alles Geld des Landes gehe zurück an die Bolivianer in Form von Investitionen, während seine Vorgänger alles privatisiert und die Gewinne in die eigene Tasche gewirtschaftet hätten. Und alle seine Gegner seien einfach Rassisten. Nun, auch wir finden Evo sympathisch, aber natürlich haben wir nur einen kurzen Einblick in die Geschehnisse im Land erhalten.

Sehr interessant im Museum war auch die Geschichte von Juana Azurduy, de Padilla, eine Guerilla-Führerin im Kampf gegen die Spanier. Sie gilt als eine der berühmtesten Freiheitskämpferinnen der südamerikanischen Unabhängigkeitskriege, posthum wurde ihr sogar als erster Frau der Rang des Mariscals (Marschall) verliehen.


Einiges weniger interessant war hingegen der Besuch der Kathedrale zusammen mit dem angrenzenden Museum für religiöse Kunst. Jörg hat jedenfalls nach dem Besuch laut proklamiert, dass dies definitiv das letzte Museum mit religiösem Plunder gewesen sei, das er besucht hat. Natürlich gebe ich ihm ja irgendwie recht. Die silbernen Kerzenhalter, goldenen Kelche, Reliquien, Kolonialgemälde und sonstigen kolonial-katholischen Staubfänger unterscheiden sich ja wirklich nicht wahnsinnig voneinander. Was aber wirklich besonders und sehr hübsch war in der Kathedrale war die Kapelle mit der Virgen de la Guadelupe, welche über und über bedeckt und behängt ist mit Schmuckstücken aus Gold, Silber und Edelsteinen, die ihr von Gläubigen als Opfergaben dargebracht worden sind. Die Juwelen sind Millionen von Dollar wert, so dass sie als reichste Virgen auf dem gesamten amerikanischen Kontinent gilt.


Apropos Edelsteine: Wir besichtigten ausserdem das Museo del Tesoro, ein Privatmuseum über Edelmetalle und Edelsteine Boliviens. Bolivien ist wirklich wahnsinnig reich an Bodenschätzen, eine etwas unschöne Redewendung nennt das Land „den Bettler auf dem silbernen Tron“. Das Museum konnte nur im Rahmen einer geführten Tour besichtigt werden, und leider durfte man keine Fotos machen. Aber es ist wirklich ganz interessant und sehr unterhaltsam gestaltet, so dass sich der Besuch lohnte. Es werden verschiedenste Bodenschätze vorgestellt und wie diese abgebaut und weiterverarbeitet werden. Dazu gab es ein Video, Modelle und Miniaturen, Bilder, Werkzeuge, Edelsteine, Schmuckstücke, und weitere Ausstellungsstücke. Auch ein riesiges Exemplar des Bolivianitos (Ametryn) war ausgestellt, ein Halbedelstein der vor allem in Bolivien vorkommt und erst 1989 zum ersten Mal gefunden wurde.


Etwas ausserhalb von Sucre liegt der Parque Cretacico. Die hier ansässige Fabrica Nacional de Cemento SA war hier auf weitere Dinosaurierspuren gestossen. Zunächst einmal traf man bei den Aushubarbeiten auf eine härtere Gesteinsschicht, weshalb hier der Abbau nicht fortgeführt werden konnte. Erst anschliessend kamen durch Regen und Erosion die Spuren an fast senkrechten Wand zum Vorschein. Es sieht zwar so aus, als wären die urzeitlichen Monster hier steil bergauf marschiert, aber der Eindruck täuscht. Tatsächlich wurde dieses Gestein ebenfalls durch Druck der tektonischen Platz derart zusammengefaltet. Ungefähr 5000 Spuren von mindestens 8 verschiedenen Spezies wurden hier entdeckt, es handelt sich um die grösste „Kollektion“ von Dino-Spuren weltweit.

Gleich nebenan wurde ein kleiner Park errichtet, wo es einige Dinosaurierfiguren in Lebensgrösse gibt, man fühlt sich also fast wie in „Jurassic Parc“. Zum Park gehört auch ein kleines Museum. Die Spuren kann man von einer Terrasse aus sehen. Es gibt nur zweimal pro Tag die Möglichkeit im Rahmen einer Tour näher zu den Spuren zu gelangen, nämlich weil zwischen dem Parque Cretacico und der Wand mit den Spuren noch immer das Gelände der Zementfabrik liegt. Inzwischen wird die Fläche vor allem als Lagerort für Container und dergleichen genutzt, trotzdem verkehrt noch immer regelmässig schweres Gefährt. Für die Tour wird man deswegen auch mit Baustellenhelmen ausgestattet, Sicherheitsschuhe gibts keine.
Wir fuhren mit dem Bus aufs Geratewohl in den Park hinaus, die Fahrt dauerte eine gute Stunde. Und wir hatten Glück, wir kamen gerade rechtzeitig zur Tour, so dass wir die Spuren aus der Nähe betrachten konnten. Unser Guide hatte sogar einige Spielzeugdinosaurier dabei, um bei allen Spuren zeigen zu können, um welche Spezies es sich handelt. Obwohl wir ja schon in Torotoro Dinosaurierspuren gesehen hatten, war es nicht minder beeindruckend. Ein wirklich netter Halbtagesausflug in Sucre.

Wie gesagt, Sucre ist ganz nett, und man kann hier sicher ein paar schöne Tage verbringen, aber es gibt definitiv interessantere Städte.


Für den nächsten Tag hatten wir bei der Firma El Dorado ein Busticket nach Santa Cruz gekauft. Wie sich allerdings herausstellte, bot El Dorado die Strecke gar nicht mehr an. Der Verkäufer der Firma hatte uns kurzerhand einfach eine Fahrt mit einer anderen Firma verkauft, ohne uns das zu sagen. Zunächst einmal erhielten wir zwar eine Quittung mit dem Logo von El Dorado, und es hiess, wir müssten am nächsten Tag die Quittung gegen das Ticket eintauschen. Da hätten wir eigentlich schon merken sollen, dass etwas nicht stimmt. Als wir das dann am nächsten Tag machten, merkten wir es dann, als wir nämlich das Ticket der anderen Firma erhielten. Damit nicht genug, wir merkten auch schnell, dass uns der Verkäufer den eineinhalb-fachen Preis abgeknöpft hatte, als das Billett wirklich gekostet hätte.

Die Busfirma meinte, wir sollten uns bei El Dorado beschweren, um das Geld zurück zu erhalten. Das taten wir auch, aber die Leute dort, die gerade damit beschäftigt waren, Kisten umzuräumen, sagten plötzlich alle, dass sie gar nicht bei El Dorado arbeiten würden. Als wir sie daraufhin fragten, weshalb sie dann alle im Büro von El Dorado seien, wenn sie nicht dort arbeiteten, schienen sie plötzlich allesamt kein Spanisch mehr zu verstehen. Da platzte Jörg der Kragen. Kurzerhand nahm er sich eines der Bücher, welche sie gerade in die Kisten räumten, und meinte, wenn ihr uns unser Geld klaut, klauen wir eure Bücher. Da kam plötzlich Bewegung in die Sache. Es wurde uns gesagt, wir sollen warten, der Verkäufer von gestern würde kommen, um uns unser Geld zurück zu geben. Und wir warteten...und warteten....mittlerweile war unser Bus angekommen und wir hatten das Geld längst abgeschrieben. Wenigstens waren unsere Plätze im Bus wirklich reserviert worden. Als wir unser Gepäck verladen hatten, kam dann tatsächlich der Verkäufer zu uns in den Bus. Zunächst einmal warf er uns vor, dass er nun unseretwegen seinen Job verloren hätte. Tja, das war nun wirklich nicht unser Problem! Betrüge keine Leute, dann wirst du auch nicht gefeuert, ganz einfach ist das! Anschliessend wollte er uns tatsächlich etwas Geld zurückgeben, allerdings nur einen Teil dessen, was uns zustand. Mittlerweile waren die anderen Fahrgäste im Bus auf unsere Diskussion aufmerksam geworden und nun gings erst so richtig los. Allesamt stellten sie sich auf unsere Seite und beschimpften lauthals den Verkäufer, dass es eine Frechheit sei, dass er uns dermassen abzocke, nur weil wir Ausländer seien, und dass das nicht geht. Sie versperrten ihm den Weg und bestanden darauf, dass er uns sofort alles Geld zurückgibt, was uns zustand, was er dann schlussendlich auch tat. Als er sich zum Schluss mit eingezogenem Schwanz das Buch schnappte und den Bus verliess, entschuldigten sich sogar die anderen Fahrgäste für ihn, schüttelten unsere Hände, versicherten uns, dass nicht alle Bolivianer so seien, und hiessen uns herzlich in ihrem Land willkommen. Wir waren wirklich überwältigt und gerührt von dieser Unterstützung!


Eigentlich hatten wir ja mit El Dorado fahren wollen, weil es eine der komfortabelsten Linien ist und weil es eine 12h Fahrt werden würde. Wir hatten sogar überlegt, zu fliegen, aber uns dann doch für den günstigeren Bus entschieden. Leider war diese Buslinie einiges schlechter als El Dorado, so dass es letztendlich wirklich lange, lange 12 Stunden wurden.

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