Veröffentlicht: 21.04.2017
Der erste Vorbote zum Festival war schon seit Montagabend auf dem Campingplatz: genau gegenüber von uns kam ein älteres Ehepaar an mit einem Gespann aus großem Wohnmobil und einem großen geschlossenen Anhänger. Ein auffälliges Gespann, waren doch Wohnmobil und Anhänger in gleicher Farbe lackiert und mit dem gleichen Streifenmuster dekoriert. Ein Pferdeanhänger konnte es nun nicht sein, dafür zu flach und keine Fenster…Am nächsten Morgen, kurz vor unserer Abreise zum Beach, lüftete sich das Geheimnis: ein perfekt restauriertes knallrotes Packard Cabriolet mit beiger Lederausstattung parkte da mitten auf dem Campingplatz und eine Menge Menschen stand drum herum.
Als wir dann am Donnerstag zurückkehrten, standen schon diverse alte Autos auf dem Campingplatz. Samstagvormittag ist immer der Oldtimer-Korso durch die Stadt, mehr als 250 Autos wurden erwartet. Gigantisch für ein solch kleines Land.
Nachdem es am Freitag tagsüber geschüttet hat wie aus Kübeln, klarte es gegen Abend auf. Nun nichts wie los in die Stadt, um mal zu schauen, ob schon was auf dem Festival los ist.
Und natürlich war schon eine Menge los. Wir stießen zuerst auf eine große Menschenmenge, die brav in einer langen Schlange für irgendeine Anmeldung standen. Auffällig war die zwar zeitgemäße, aber sehr schlichte oder auch ärmliche Kleidung der Leute. Des Rätsels Lösung: hier ging es zum „Depression-Dinner“. Bei diesem Event in Erinnerung an die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre gibt es Essen aus der Suppenküche, die meisten Teilnehmer brachten ihre eigene Blechtasse mit. Vermutlich war die Suppe allerdings etwas gehaltvoller als das Original…
Wir gingen weiter durch die Stadt, und das Bild war ein gänzlich anderes als die Woche davor. Überall Menschen in mehr oder weniger stilgerechter Kleidung, die Biergärten und Lokale gut ge-, über nicht überfüllt. Auf der Bühne an der Strandpromenade spielte eine Band, und überall strahlende Gesichter und eine einzigartig tolle Atmosphäre. Und da die Kiwis ja sehr leger und tolerant sind, hatten wir nicht das Gefühl, dass wir in unserer Touristenkleidung nicht erwünscht waren, obwohl fast alles Leute auf den Straßen passend gekleidet waren.
So genossen wir die diversen Veranstaltungen dieses großartigen Festes. Der Oldtimerkorso am Samstag war beeindruckend, obwohl es heftig regnete nahmen eine Menge Fahrzeuge teil. Später standen diese Autos dann überall in der Stadt am Straßenrand, wahrscheinlich waren es in den 30ern niemals so viele. Am Sonntag beim „Vintage Car Ride“ konnte man sogar in einem alten Auto gegen eine kleine Spende für einen guten Zweck ein paar Minuten über die Strandpromenade mitfahren. Das ließ ich mich nicht zweimal sagen, und so fuhr ich als Beifahrer in einem Auburrn Supercharged mit 8-Zylinder-Reihenmotor und Kompressormotor mit. Sehr beeindruckend, wie leise und zügig damals schon Autos fuhren. Wahrscheinlich lief das Benzin allerdings eimerweise durch die Vergaser…
An der Strandpromenade fielen uns dann eine ganze Reihe Bentley-Fahrzeuge auf mit Kennzeichen aus den GB, USA und sogar einer aus Rosenheim. Der internationale Bentley Owners Club machte eine Tour durch Neuseeland mit 23 Fahrzeugen, und ein Ziel der Tour war auch das Napier Art Déco Festival. Unglaublich, was für wertvolle Autos dort einfach auf der Straße standen, und das ganz ohne Security weit und breit. Es gibt also tatsächlich auch echte Liebhaber, die solch wertvolle Autos auch tatsächlich auf der Straße fahren und nicht nur in einer Halle aufbewahren und nicht gleich in Panik verfallen, wenn ein sie einen Tropfen Regen abbekommen. Sehr schön.
Aber es gab nicht nur Autos. Wir waren bei einer lustigen Modenschau, u. a. mit Bademode der 30er, bewunderten die vielen Picknick-Gruppen beim Picknick-Wettbewerb, schauten uns das Seifenkistenrennen an, hörten Musik an der Bühne und sahen den vielen tanzenden Paaren zu. Und ein Schiff der Navy geht traditionell zum Art-Déco-Festival vor Anker und das Bordorchester hatte natürlich auch einen Auftritt.
So verging das Wochenende rasend schnell, und abschließend lässt sich sagen, es war ein unvergessliches Erlebnis. Es zeigte sich auch hier, was für angenehme Zeitgenossen die Kiwis doch sind. Sie sind in der Lage, ein wirklich beeindruckendes Fest auf die Beine zu stellen, aber ganz ohne Stress und Hektik in einer einzigartigen Atmosphäre. Und das ganz ohne Prunk und Allüren, jedermann kann mitmachen, viele tun das dann auch, aber es macht auch nichts, wenn man nicht zeitgemäß gekleidet ist. Der Spaß und der Genuss für alle stehen im Vordergrund, und das spürte man überall.
Ganz klar, wer nach Neuseeland im Februar reist: am 3. Wochenende im Februar muss man in Napier halt machen!