Veröffentlicht: 13.01.2023
Ich sitze gerade am Strand von Tortuguero und versuche mich auf den Blog zu konzentrieren. Aber ich werde ständig abgelenkt. Von den zwitschernden Vögeln, den nervigen Fliegen, vom Hundegebell oder weil mich irgendwer anspricht und ausfragen will. Mittlerweile kenne ich hier auch schon den einen oder anderen menschlichen und auch tierischen Bewohner, denn Tortuguero ist eine winzige Stadt mit nicht mal 1000 Einwohnern, plus etliche Touristen. Der Name Tortuguero kommt vom spanischen Wort Tortuga, was übersetzt Schildkröte bedeutet. Dass der Ort diesen Namen trägt ist leicht zu erklären: Jedes Jahr kommen hier zwischen Juni und Oktober tausende von Schildkröten aus 3 Arten an den Strand um ihre Eier abzulegen. Noch zu Beginn den 20. Jahrhunderts wurden diese Schildkröten und deren Eier gewildert, doch in den 50er Jahren erkannte der amerikanische Biologe Archie Carr die Bedeutung der Küste für die Meeresschildkröten und setzte sich seither für den Schutz und Erhalt der Tiere und deren Lebensraum ein. Intensive Forschungsarbeit, Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung und die Weitsicht Carrs, der schon damals das Interesse von Touristen an den Meeresschildkröten prognostizierte, machen Tortuguero heute zu einem der wichtigsten Schutzgebiete für Meeresschildkröten in der Karibik und zu einem der beliebtesten Touristenziele in Costa Rica. Aber genug zur Geschichte. Heute sind die Tiere zum Glück streng geschützt und es gibt strikte Regeln für Touristen und Einheimische während der Schildkrötensaison. Niemand darf nachts ohne autorisierten Guide an den Strand, die Anzahl an Besuchern ist limitiert und es darf keine Störungen der Schildkröten geben, z. B. durch Licht oder Berührung. Leider bin ich außerhalb der Saison in Tortuguero, aber ich konnte die Überreste der Nester entdecken und mich im Sea Turtle Conservancy Center informieren. Aber davon später.
Normalerweise bleiben Touristen 2 bis 3 Nächte in Tortuguero, und auch ich hatte 3 Nächte mit 2 vollen Tagen eingeplant, allerdings wurden dann letztendlich ganze 11 Nächte bzw. 10 Tage daraus. Ich hatte mir ja kurz vor Silvester wieder mal eine Erkältung eingefangen, vermutlich im Hostel in Cahuita. Und da ich mich nach mehreren Tagen nicht wirklich besser fühlte, hab ich mal einen der 2 Selbsttests gemacht, die ich dabei hatte. Und der war tatsächlich positiv. Also hab ich mich die ersten 5 Tage im Hotel so gut es ging isoliert und einfach nichts gemacht. Außerdem hatte ich den Muskelkater des Todes in den Beinen - durch das Muay Thai Training am Strand zu Neujahr - und konnte mich sowieso kaum bewegen.
Zum Glück hatte ich erst eingekauft, der Strand lag direkt vorm Haus und ich konnte mein echt günstiges Zimmer um einige Tage verlängern. Somit waren meine einzigen 2 Aufgaben die Tage "gesund werden" und "Menschen aus dem Weg gehen". Zweiteres kann ich gut. Es gibt echt schlechtere Orte um krank zu sein.
Nachdem ich nach 5 Tagen Faulsein im Hotel wieder negativ war und es mir auch einigermaßen besser ging, konnte ich langsam ein wenig die Umgebung erkunden. Bei meiner Ankunft, auf dem Weg vom Bootsanleger zum Hotel, hatte ich schon einen Eindruck der Stadt bekommen können und habe mich direkt wohl gefühlt. Apropos Bootsanleger. In und um Tortuguero gibt es keine Straßen und der Ort ist nur per Boot zu erreichen. Das macht die Stadt umso mehr zu einem Ort der Ruhe und Entschleunigung.
Aber ich muss nochmal ein paar Tage zurückgehen, zu meiner Anreise nach Tortuguero. Denn auch die war extrem spannend und ist absolut erwähnenswert. Am 2.1. brach ich ja morgens von Cahuita auf und fuhr mit dem Bus nach Limón, der nächst größeren Stadt an der Karibikküste. Von dort ging es mit einem überteuerten Taxi nach Moín, zur Anlegestelle für die Boote nach Tortuguero. Ich war viel zu früh dort und so musste ich 2 Stunden warten, bis 10 Uhr die Boote starten. Aber ich hatte nette Gesellschaft von Einheimischen und Hunden und es gab Kaffee, Snacks und eine Toilette. Ich hatte zuvor schon einen Kontakt von meinem Lehrer Elmer zu einem der Kapitäne bekommen und so ging es fast pünktlich am mittlerweile von Touristen wimmelnden Anleger mit Kapitän Ricardo auf die 3 stündige Bootsfahrt nach Tortuguero. Das Gepäck wurde zuvor in löchrige Mülltüten gestopft und es wurden Schwimmwesten und Regenponchos verteilt, denn das Boot hatte leichte Schieflage und zwischendurch schüttete es wie aus Eimern. Achso, und es gibt Krokodile.
Auf dem Weg über den Fluss, immer parallel zur Küste entlang, sahen wir schon etliche Tiere und Ricardo fuhr dann langsamer, damit wir die Tiere beobachten und fotografieren können.
Auch wenn die Anreise mit dem Boot von Moín aus 35 Dollar kostet, lohnt es sich absolut und naja, Alternativen gibt es ja auch kaum.
Und nun bin ich fast 10 Tage in Tortuguero und möchte gar nicht mehr hier weg. Wie schon erwähnt, konnte ich nach 5 Tagen endlich alles erkunden und entschied mich dafür langsam anzufangen und gemütlich am Strand entlang zu laufen. Erstmal Richtung Norden, denn im Süden liegt der Nationalpark und dieser darf nur mit gültigem Ticket betreten werden. Mit Musik im Ohr hab ich mich einfach treiben lassen, Pausen gemacht, Vögel beobachtet und laut gesungen. Zwischenzeitlich war weit und breit kein Mensch zu sehen und es fühlte sich etwas so an als ich wäre ich der einzige Mensch auf der Erde. Ich versuchte dieses Gefühl aufzusaugen und die Ruhe und den Frieden zu genießen.
Leider musste ich feststellen, dass, umso weiter ich lief, immer mehr Müll am Strand lag. Anfangs habe ich noch eingesammelt was ich finden konnte und zum nächsten Mülleimer gebracht, aber für die Mengen an Müll die dort angespült wurden brauchte es eher einen Bagger.
Auf dem Rückweg lief ich dann den kleinen Pfad entlang, der parallel zum Strand verläuft. Dabei kam ich auch am Sea Turtle Conservancy Center vorbei. Dort gab es so viel zu entdecken, dass ich mich aufgrund der Uhrzeit dazu entschloss am nächsten Tag nochmal wiederzukommen.
Aber auch in dem Garten gab es viel zu entdecken.
Da ich ja bekanntermaßen etwas kochfaul bin, habe ich des öfteren in einem der etlichen Restaurants hier in Tortuguero gegessen. Frühstück habe ich mir allerdings immer im Hotel gemacht, denn hier gibt es überall leckere Früchte wie Papaya und Mango zu kaufen und in den Supermärkten gibt es Naturjoghurt und Müsli. Ich habe schon vor der Reise nach Costa Rica und auch von diversen Reisebekanntschaften hier einige Tipps bekommen und so musste ich nicht alles erst ausprobieren um gute Restaurants zu finden. Allerdings bin auch einmal aus Versehen in ein Restaurant gestolpert, in dem ich eine wirklich schreckliche Meeresfrüchtesuppe hatte. Ich weiß gar nicht warum ich die überhaupt ausgewählt habe, denn eigentlich mag ich keine Meeresfrüchte.
Es ist irgendwie voll schade, dass die meisten Leute hier nur kurz bleiben, denn Tortuguero ist so unglaublich liebenswert und der perfekte Ort zum runterkommen und entdecken. Allerdings ist das Highlight für die meisten Touristen, natürlich neben den Meeresschildkröten, der Nationalpark. Diesen kann man zu Fuß begehen oder mit einem Motorboot, Kajak oder Kanu vom Fluss aus befahren. Auch Nachttouren werden angeboten. Der Strand ist war wunderschön, aber das Meer ist hier so rau, dass es ziemlich gefährlich ist darin baden zu gehen. Vermutlich auch ein Grund, warum Touristen nicht länger bleiben.
Nachdem ich meine Fitness durch den Strandspaziergang und kleine Runden durchs Dorf schon mal testen konnte, wollte ich nun unbedingt in den Nationalpark. Dort kann man zu Fuß und auch ohne Guide auf dem vorgegebenen Pfad wandern. Dieser führt vom offiziellen Nationalparkeingang ein Stück in den Park hinein und dann über mehrere Kilometer parallel zum Strand entlang. Da ich morgens irgendwie gebummelt habe, war ich erst gegen 11 Uhr am Parkeingang. Eigentlich viel zu spät um viele Tiere zu sehen, da sich die meisten eher in den dichteren Wald zurückziehen wenn es tagsüber sehr heiß wird. Da ich ziemlich unentschlossen wirkte (wegen des schon fortgeschrittenen Tages und weil ich am nächsten Tag ja nochmal per Boot in den Park wollte), bot mir der Typ vom Ticketschalter an, dass ich kostenlos in den Park kann, damit ich nicht doppelt bezahlen muss. Warum auch immer. Aber auf jeden Fall sehr nett. Einmal 15 Dollar gespart. Also ging ich den Nationalpark um den sogenannten Jaguar-Trail zu laufen. Anfangs waren noch recht viele andere Menschen unterwegs, das verlief sich aber zum Glück nach einer Weile. Ich versuche bei sowas immer zu vermeiden, dass Menschen nahe vor oder hinter mir laufen, denn oft sind Gruppen etwas lauter und lenken mich nur unnötig ab. Immer wenn ich Tiere entdeckte, dauerte es nicht lange und es sammelte sich eine Menschentraube. Das war dann immer der Moment in dem ich weiterlief. Zumeist sah man Mantelbrüllaffen oder Klammeraffen. Aber auch ein paar Vögel waren zu sehen. Als ich gerade einen eher unauffälligen Vogel fotografierte, meinte ein Mädel zu mir, dass ich ein gutes Auge habe. Der Satz hallte eine Weile bei mir nach. Zum einem weil ich mich natürlich über das Kompliment freue, zum anderen aber vor allem, weil mir an dieser Stelle bewusst wurde, dass es mehr als nur ein gutes Auge braucht. In der Natur muss man alle seine Sinne nutzen um sie voll und ganz zu erleben. Zwar schaue ich in erster Linie nach interessanten Dingen, ich höre aber auch und ab und zu rieche ich sogar. Vor allem Rascheln in den Blättern, knackende Äste oder Vogelgezwitscher sind ein Indiz für Tiere. Aber auch der Geruch von Raubtier fiel mir ein paar Mal auf. Zumeist war es aber eine Bewegung die ich aus dem Augenwinkel wahrnahm, fallende Blätter, ein Geräusch oder andere Tierspuren wie Reste von Früchten auf dem Boden. Dabei ist es ein absoluter Vorteil alleine unterwegs zu sein, denn so wird man minimalst abgelenkt.
Auf dem Pfad gibt es in regelmäßigen Abständen nummerierte Schilder, die den Strandabschnitt markieren. Man kann bis zur Nummer 60 laufen, danach kommt ein Schild, dass man ab dort nicht mehr weitergehen darf. Ich entschied mich am Strand zurückzulaufen. Dort kann man zwar möglicherweise weniger Tiere entdecken, aber ich wollte diesen Strandabschnitt unbedingt mal entlanglaufen.
Für den nächsten Tag buchte ich mir eine Birdwatching-Tour, da ich unbedingt die Vögel, die am Fluss leben, sehen wollte. Man kann auch selbst mit einem Kayak fahren oder mit einem Kanu mit mehreren Leuten, aber die meisten Menschen wollen zumeist eher "spektakulärere" Tiere sehen als Vögel. Und deshalb buchte ich mir eine spezielle Vogeltour mit einem Boot. Ich sollte am nächsten Morgen 5.45 Uhr am Anleger sein, aber bis wir dort loskamen, da mein Guide Owen vergessen hatte irgendwen abzuholen, war es schon nach 6 Uhr. Und dann mussten wir noch ein Ticket am Parkeingang kaufen. Aber immerhin war ich alleine mit Owen im Boot und so konnten wir ganz entspannt nach Vögeln suchen. Dabei haben wir auch ein paar Raritäten entdeckt.
Für meinen vorletzten Abend hatte ich noch eine Nachttour gebucht. Auf dem Weg zum Treffpunkt entdeckte ich in einem Garten eine junge Hausgans. Und wie da so stand und mir die Gans anschaute (sowas sieht man hier nicht allzu oft), sprach mich ein Typ an. Ich hatte ihn schon öfter im Ort gesehen und er wirkte irgendwie ein bisschen schräg, da er immer an etwas in seiner Hand herumzufeilen schien und dabei rastlos hin und her lief. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass Alexandre ein voll netter Typ ist, der kleine nussartige Früchte sammelt und aus diesen Tierfiguren feilt. Ich finde es immer wieder spannend wie schnell man Menschen in eine Schublade steckt. Aber mich hatte von Anfang an interessiert was er da macht und deshalb hab ich mich voll gefreut, dass er mich ansprach. Er zeigte mir dann seine Figuren, u.a. einen Jaguar und ein Krokodil und fragte welches Tier ich haben möchte. Spontan sagte ich "Ente". Er starrte ein paar Sekunden auf ein Bild einer Ente aus dem Internet und meinte, wenn ich von meiner Tour wiederkomme, sei die Ente fertig.
Die Tour führte den Pfad entlang Richtung Norden, den ich die Tage zuvor schon gegangen war. Im Nationalpark selbst werden wohl keine Nachttouren gemacht, vermutlich um die Tiere dort nicht zu stören oder weil es zu gefährlich wäre. Keine Ahnung. Auf jeden Fall waren etliche Gruppen auf dem Pfad unterwegs, die alle mit ihren Taschenlampen wild in der Vegetation rumleuchteten. Aber die Guides haben aufgepasst, dass die empfindlichen Tiere nicht zu lange gestört bzw. nur kurz angeleuchtet werden. Fotos zu machen war leider aber kaum möglich, denn es fing an zu regnen. Aber wir sahen einen Rotaugenlaubfrosch und andere Frösche, diverse Schlangen und Spinnen, ein Faultier, schlafende Tukane und Fledermäuse, die wir leider störten. Dabei liefen wir auch durch den dichten Wald, einen kleinen Pfad entlang, den ich schon Tage zuvor entdeckt und erkundet hatte. Wieder in der Stadt traf ich Alexandre, der meine Ente fertig gefeilt hatte und mich dann noch bis zum Hotel brachte.
Ich habe mich in Tortuguero richtig wohl gefühlt und werde den Ort sehr vermissen. Die Menschen, die Atmosphäre und die Ruhe. Aber irgendwann musste ich ja mal weiterziehen und so habe ich einen Transfer nach La Fortuna gebucht. Erst mit dem Boot und dann mit einem Shuttlebus bis in die kleine Stadt, die unweit vom Vulkan Arenal entfernt liegt. Allerdings sagte mir keine der Unterkünfte dort wirklich zu und so buchte ich eine Unterkunft etwas außerhalb in Sonafluca. Eine kleine Hütte in einem Permakulturgarten, der von Noemi, der Besitzerin, liebevoll gepflegt wird. Davon dann aber beim nächsten Mal. Nur so viel: Hier gibt es etliche Vögel und auch Gürteltiere. Ich bin gespannt was ich hier noch alles entdecken werde.
Zum Abschluss noch ein paar Bilder vom Mond in Tortuguero.
Danke fürs Lesen 🙂