Vikki&theVikings
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Gratulerer med dagen!

Veröffentlicht: 31.05.2021

Ein Tag aus einer anderen Welt. 

Am 17 Mai ist Nationalfeiertag und fast pünktlich dazu, ist alles grün geworden und hat angefangen mit blühen. Norwegens Schutzengel hat außerdem dafür gesorgt, dass es ein Tag ohne Regen und mit strahlenden blauem Himmel und Sonnenschein wird. Da der Tag zwei Tage vor unserer mündlichen Prüfung lag, waren wir genötigt, ihn gut zu organisieren, denn einen kompletten freien Tag konnten wir uns aufgrund unseres Lernfortschrittes nicht leisten. Normalerweise gibt es den ganzen Tag Programm in der Innenstadt mit vielen Paraden und Prozessionen, Showeinlagen und Bespaßung. Aufgrund von Corona wurde das natürlich deutlich minimiert. Aber sie hatten trotzdem netterweise das Programm auf einer Internetseite veröffentlicht. Traditionell beginnt Norwegen den Tag mit einem Champagnerfrühstück gemeinsam mit Freunden und Familie. Pia und ich begannen stattdessen den Tag mit den Salutschüssen um 7 Uhr morgens an der alten Feuerwache im Viertel Skansen. Es war einer unserer ersten Orte, die wir während der Quarantäne besucht hatten und bietet eine schöne Aussicht über die Stadt. Damals im Winter war der ehemalige Löschteich zum Schlittschuhlaufen umfunktioniert worden. Diesmal standen dort 3 Kanonen und begrüßten den Tag mit 21 Schüssen. Wir haben uns die Ohren zugehalten und es war trotzdem ziemlich laut. Der Boden hat auch ordentlich vibriert. Danach sind wir wieder in die Stadt runter gelaufen und haben die erste Prozession ein wenig begleitet. An jeder Statue haben sie Halt gemacht und einen Kranz niedergelegt. Von den Reden haben wir leider weniger verstanden. Danach haben wir uns einen Kaffee und eine norwegisches Traditionsgepäck "boller", eine Zimtschnecke, gegönnt und uns in den Park am Lille Lungegårdsvannet gesetzt. Dort haben die Norweger und Norwegerinnen, die auf den Weg in die Stadt waren, in ihren schönen Trachten betrachtet. Die Frauen tragen die Bunader (Einzahl Bunad), die sie oft zur Konfirmation bekommen, weil sie schweineteuer sind. Anhand von Farbe, Muster und Motiv kann man sagen aus welcher Region sie stammen. Wir konnten lediglich sagen, welche Tracht von den Menschen aus Bergen getragen wird. Trotzdem waren so viele schöne Variationen unterwegs, dass wir bis zum Ende des Tages immer wieder neue entdeckten. Unser Gewissen trieb uns aber auch dazu an, unsere Uni Sachen rauszuholen und ein bisschen in der Sonne zu lernen. Da in Norwegen eine Woche später die Schulabschlussprüfungen sein würden, wünschte uns doch tatsächlich ein älteres Ehepaar viel Glück, weil sie wohl dachten, wir würden noch zur Schule gehen. Die Lernsession war jedenfalls von meiner Seite aus nicht so produktiv. Dafür gab es einfach viel zu viel zu bestaunen. Danach trieb es uns wieder mehr in die Innenstadt, weil um 10 Uhr die Hauptprozession stattfinden sollte. Aber irgendwie fanden wir sie nicht. Es waren eher mehrere kleine Paraden von verschiedenen Vereinen aus Bergen unterwegs. Ganz Bergen oder auch bestimmt ganz Norwegen hatte übrigens entschieden, dass es an diesem Tag kein Corona gab. Es gab so gut wie keinen, der Maske trug und Abstandsregeln kannte man nicht. Die Politi (Polizei) juckte es auch nicht. Übrigens wird die norwegische Mentalität an dem Tag komplett umgekrempelt. Man grüßt und beglückwünscht sich und überall hört man die Leute "Gratulerer med dagen" sich zurufen, was man mit "Alles Gute zum Geburtstag" übersetzt werden kann. Alle sind am Feiern, was nicht schwierig ist, wenn man den Tag schon mit Alkohol beginnt. Aber alles sind fröhlich und lachen sich an. Der Kontrast zu einem normalen Tag im Alltag könnte fast nicht größer sein. Und dann ist es eigentlich schade, warum sie nicht immer so freundlich und aufgeschlossen sein können. Aber vielleicht brauchen sie doch den Alkohol am Morgen dazu. Nach dem wir uns die kleinen Paraden angeguckt hatten, ließen wir uns im Nygårdspark auf einer Bank nieder, genossen die Sonne und holten unsere Aufzeichnungen wieder raus. Als es schließlich Mittagszeit wurde, warfen wir nochmal einen kurzen Blick auf den größten Platz in der Innenstadt und fuhren mit der Bybanen nach Fantoft zurück, um etwas zu essen und eine ernsthaftere Lernatmosphäre zu haben. In Fantoft erfuhr ich auch, dass das Programm auf der Internetseite nur auf norwegisch eingestellter Sprache sich aktualisierte. Und plötzlich wurde es dann doch weniger und unsere Fackelparade, die wir abends gegen 10 Uhr anschauen wollten, war aus dem Programm genommen. Deswegen ging es dann später zum Feuerwerk um viertel zwölf wieder in die Stadt. Da es noch sehr hell war, strahlten die Farben nicht so intensiv wie zu Silvester. Aber es war trotzdem schön. Später quetschten wir uns in eine überquellende Bybanen rein. Da hätte man Corona direkt vor den eigenen Augen schweben sehen können. Der Tag war super schön, interessant und auch mit weniger Programm richtig gelungen. Das eigentliche Highlight waren aber definitiv die Norweger*innen selbst, die einerseits hübsch angezogen waren, aber einfach mal Emotionen gezeigt haben.


Jetzt kommen wir zu dem angemalten Bus. Anfang Mai beginnt die "Russefeiring" und damit die "russetiden" Das ist eine dreiwöchige Zeit, in der die Abschlussklassen der Schulen Party machen, und die mit dem Nationalfeiertag am 7. Mai endet. Die Schüler*innen tragen rote oder blaue Overalls, die mit Stickern und Aufschriften selbst verziert werden. In der heutigen Zeit, wird dafür schon zwei oder drei Jahre vorher Geld aus den Ferienjobs gespart, damit man sich später einen Bus kaufen kann, ihn selbst umbaut, bemalt und zu einem fahrenden Club umfunktioniert. Mit dem Bus fährt man dann ein bisschen umher, normalerweise zu Festivals nur allein für die Schüler*innen. Den Bus fahren tut ein bezahlter Busfahrer. Insgeheim würde ich auch gerne mal die Busfahrerin geben, einfach um zu erleben, wie sie die drei Wochen jeden Abend einen draufmachen und das die ganze Zeit durchhalten. Ich war allein schon von der einen Woche Abifahrt erschöpft. Da das ganze schon eine so alte Tradition ist, stört sich daran keiner und wird akzeptiert. Mittlerweile ist um die ganze russtiden auch ein richtiger Markt entstanden. Die Overalls kommen von verschiedenen Firmen, es werden Leute beauftragt, einen Film über die eigene Partyzeit zu produzieren und Musiker engagiert, um einen eigenen Song für seinen Abschluss zu komponieren. Es ist auch Brauch eine Visitenkarte über sich selbst zu haben, die von Kindern auf der Straße dann eingefordert wird. Dabei fühlen sich die Absolventen wie Popstars. Die Visitenkarte müssen natürlich auch irgendwo gedruckt werden. Wieviel Geld man für diese Zeit ausgibt, kann man nur erahnen.  Außerdem gibt es eine Liste an Dingen, die du während der Zeit abarbeiten kannst. Früher wurde der Fortschritt mit einem Knoten an der typischen russtiden Mütze markiert, was heute aber weniger gemacht wird. Wer sich das ganze Mal genauer angucken möchte wird auf Youtube fündig. Das krasseste dabei ist, dass nach dem 17. Mai eine Woche Zeit ist, für die Prüfungen zu lernen, denn die stehen erst Ende Mai an. Man trinkt sich also vorher alle Gehirnzellen weg. Um einen Eindruck zu gewinnen, wie außergewöhnlich das Ganze ist, sollte man sich wirklich mal ein Video anschauen.


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