Vier Reifen und zwölf Pfoten
Vier Reifen und zwölf Pfoten
vakantio.de/vier-reifen

400 Kilometer mit 80 Sachen

Veröffentlicht: 26.01.2022

# 3 Saint-Chely-d’Apcher

Fragt mich bitte nicht, wie dieser Ort ausgesprochen wird. Wie weit ist es noch nach Sant Schellidapp … äh Sin Chilly de Abi … - na, Du weißt schon. Nein, ich weiß nicht. Und ich weiß auch nicht, wie oft ich dieser Frage heute versucht habe auszuweichen, sie zu überhören, zu ignorieren. Als wir dann endlich um kurz vor 19 Uhr ankamen, habe ich den Zündschlüssel umgedreht und zum Handy gegriffen. Was sagt Sprachexperte Dr. Google? So Schelie Dapsche. So wird dieses 4.000 Seelen große Örtchen ausgesprochen. Ich bin mir sicher, niemand mehr wird mich mein ganzes Leben lang danach fragen, aber fast genauso sicher bin ich mir, dass ich es nie mehr vergessen werde …

Ebenso den Franzosen, der in seinem Wohnmobil-Oldtimer auf dem Stellplatz in Belfort neben uns nächtigte. Er hatte einen lustigen Hund, eine Mischung, an der die Straßengangs von halb Frankreich mitgewirkt haben. Das wuselige Kerlchen sprang mir in die Arme, kaum, dass ich aus dem Auto geklettert war. So kam ich mit dem älteren Herrn ins Gespräch. Ich versuchte es zuerst mit meinem Hungerhaken-Englisch. Er ließ mich eine Weile üben und meinte dann mit einem eleganten Schmunzeln, dass ich es ruhig noch einmal in meiner Sprache versuchen könnte. Er hätte viele Jahre in Deutschland gearbeitet. Er war kein Handwerker, das verrieten seine filigranen Finger, die schlanke, fast filigrane Figur. In seinem alten, grauen Trainingsanzug wirkte er beinahe zerbrechlich. Seine schneeweißen Haare und der Zehn-Tage-Bart kannten eine Bürste wahrscheinlich nur noch vom Hörensagen. Er war alt. Genau wie sein Wohnmobil, das wie aus der Zeit gefallen da stand. Ordentlich, gepflegt, auch innen, Landkarten, Bleistifte, Töpfe, Tücher, alles auf seinem Platz – auf dem von gestern. Oder vorgestern. Er lebte mit seinem vierbeinigen Weggefährten in dem Wohnmobil. „Wir beide sind überall zu Hause“, sagte er. „Und nirgendwo“, fügte er leise hinzu. Ich sah seine wasserblauen Augen schimmern. Ich hätte mich am nächsten Tag gerne noch ein wenig mit ihm unterhalten, aber als ich um 7 Uhr zum ersten Mal vorsichtig aus dem Fenster lugte, war er schon weg.

Es war heute eine lange Tour. Wir wollten Mautstraßen vermeiden, und so ging es mit den erlaubten 80 km/h über Land. Es war ein tolles Erlebnis, die Wolken auf diese herrliche weite Natur fallen zu sehen. Die Wälder mit Reif dick überzuckert, die Wiesen kristallklar funkelnd im strahlend hellen Licht der Januar-Sonne. Der Blick aus dem Fenster hatte einiges zu bieten – der auf die Uhr allerdings auch. 400 Kilometer mit 80 Sachen und geschätzten 87 Runden im Kreisverkehr können auch ziemlich beeindruckend sein.

Und es müssen nicht die letzten für heute gewesen sein. Unseren geplanten Stellplatz gab es unter der angegebenen Adresse nicht mehr und ein anderer Stellplatz mit Stromversorgung war auf die Schnelle nicht zu finden. Da unsere Gasheizung Strom braucht, war die Frage, wie lange unsere Bordbatterie mitmacht. Das haben wir noch nicht probiert, weil wir bisher immer nur im Sommer unterwegs waren. Unser Plan machte sich daher ganz von selbst: So lange es warm ist, können wir stehen. Und schlafen. Wenn es kalt wird, müssen wir weiter fahren. Jammern gibt’s nicht. Wir wollten Abenteuer.

Antworten (1)

Juergen
Äußerst aufmerksam, sensibel und sehr nahbar, ohne vor Ort gewesen zu sein🤙. Weiter so und tollen Urlaub mit einem mächtig tollen Kerl am Steuer 😎

Frankreich
Reiseberichte Frankreich