2017 VespamerikasuR 2019
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vakantio.de/vespaamerikasur

ab 26.09.: Cuenca - 2.550 m -

Veröffentlicht: 27.09.2017

26.09.

heute  frühstücke ich im rotwandigen cafe. besser kann es ein 5-sternehotel nicht machen - wenn man mal von sekt und lachs absieht. obst, joghurt, ceralien, rührei mit schinken, frischgepressten obstsaft, ein halbes baguette getoastet und cafe con leche für: 4,50 dollares!

ich fahre noch bei victor - meinem werkstatt-maestro -  vorbei, um nach dem verlorenen hostelschlüssel zu fahnden und noch ein foto von uns zu machen.
der schlüssel ist nicht auffindbar, dafür lässt sich victor aber auf ein foto mit mir ein.

maestro victor braun und ich - heute morgen vor dem start nach cuenca

mit etwas zwiespältigen gefühlen mache ich mich auf den weg. wird die vepse ihr fahrverhalten ändern, oder hänge ich wieder am berg wie auf der fahrt nach riobamba?
die beschleunigung ist etwas träger geworden - aber später am berg, da merke ich, was sie auf einmal für reserven freigibt. die steigungen sind respektabel und auch ziemlich endllos. selbst, wenn ich bremsen muss, weil diese buckel es erfordern, kommt sie zügig wieder auf touren. der motor hört sich kraftvoller an. lkw, die mich vor ein paar tagen noch vollgedieselt haben, kann ich jetzt überholen. jetzt habe ich es nur noch mit pkw zu tun. eine große erleichterung. peru mit seinen hochebenen kann kommen.

es ist kaum verkehr, das wetter bewölkt und sonnig im wechsel, eine landschaft, die es mir eigentlich verbieten muss, überhaupt noch weiterzufahren.


bis hier hin fährt die bahn von riobamba. bis zur nariz de diabolo. Teufelsnase. Sie arbeitet sich per spitzkehren auf den berg, die immer wieder ein neues vorwärts-rückwärts rangieren erfordern.

und so geht es immer weiter. vor wenigen minuten  versteckte sich  nochin den wolkenein gewaltiger 5 tausender, den ich wegen abschüssiger fahrt und mangels haltemöglichkeit nicht fotografieren konnte

wieder in alter oder vielleicht noch  besserer form. anton, zieh die bremse, sie fährt doch viel zu schnell...

die fahrzeit ist mit 4 einhalb stunden angegeben. nach sechs stunden bin ich in cuenca. es ist hier wärmer, die stadt ist grün, ein fluß fließt durch sie hindurch, das eigentliche zentrum liegt oberhalb der stadt und erinnert mich an salvador de bahia, wo es ein fahrstuhl gibt, der die leute nach oben und nach unten bringt.

eine der drei kuppeln der neuen kathedrale

ein relikt aus alter zeit oberhalb der stadt

das hostel liegt 10 minuten vom zentrum und der gewaltigen cathedrale entfernt. die fassaden der kolonialstilhäuser sind beleuchtet, der stadt scheint es gut zu gehen.

ich bekomme ein vierbett-dorm für mich alleine. ich buche es gleich für zwei tage. es sind nur wenig gäste hier. einer der hostelgäste meinte, die meisten seien für ein paar tage in den dschungel gefahren.

ich mache noch einen kurzen gang durch das zentrum, fotografiere, esse beim vegetarierer einen salat und danach noch reis für 4 dollares.

standplatz und kissen zum relaxen - das hostel sorgt für atmosphäre

im hostelvorgarten sieht es sehr einladend aus. teelichter sind angezündet. einer klimpert auf der gitarre, mein bier von heute nachmittag steht auch noch an seinem platz.

schreiben und dann ins bett.

27.09.

heute frühstücke ich mit den anderen hostelbewohnern an einem großen tisch. die deutschen überwiegen -  habe mich aber nicht zu erkennen gegeben, weil ich nicht so große lust auf "woher- wohin" habe, sondern ein gemütliches frühstück bevorzuge. 4 mädels, die scheinbar in südamerika ein auslandssemester absolvieren wollen und miteinander noch ein paar dinge klären müssen. zuerst aber ist es wichtig, sich ausführlich über die schlafqualität der vergangenen nacht auszutauschen...
es gibt pfannkuchen mit obst und eine halbe banane extra. kaffee und tee reichlich.
draussen treffe ich noch einen deutschen, der schon einige zeit unterwegs ist und dem es scheinbar so geht wie mir. keine lust auf das altbekannte frage- und antwortspiel - er ist wortkarg, war in kuba, kolumbien und hat auch noch ein halbes jahr zeit.

ich mache mich auf in die stadt. das wetter ist mit sonnigen 23° eine gute ausgangsbasis.
gegenüber unseres hostel steht eine große schule - jugendstil gemischt mit klassizismus und erinnert mich an meine schule aus alten zeiten. ich kann nicht einfach so vorbeigehen, mache fotos und betrete die schule. ich erwarte, dass ich nicht reingelassen oder zumindest auf waffen unterstucht werde. nichts dergleichen, ein freundliches "si" auf meine frage und bin im foyer. es ist unterricht. nicht nur ich habe die erlaubnis die heiligen hallen zu betreten, sondern auch die tauben, die ungestört nach den letzten pausenbrot-krümeln suchen.

hat auch ein bisschen etwas von der schule in dem rühmann film "die feuerzangenbowle"

links und rechts die büros der schulverwaltung

eine beeindruckende eingangshalle

es gibt zahlreiche fensterscheiben, die zerbrochen sind. gestern, als ich auf der plaza abdón calderón im zentrum saß, kamen drei schuluniformierte mädels zu mir und wollten mir süsigkeiten verkaufen. pro riegel 50 centavos. ntürlich habe ich verhandelt und sie auf 40 centavos gedrückt, war dann aber doch neugierig, für wen oder was sie die verkaufen würden. sie müssten geld für die zerbrochenen fenster ihrer schule sammeln. harte sitten -  bei uns ist das ein versicherungsschaden -  hier wird daraus ein pädagogischer auftrag. ich habe dann doch die 50 centavos bezahlt.

wie logen in einer oper. dahinter befinden sich die klassenräume. die türen sind geöffnet. ich höre die strengen stimmen der lehrer und respektvolles schweigen der schüler.

bei mir gibt es ja immer noch die idee, für einen gewissen zeitraum in einer schule deutsch zu unterrichten. die schule in arica hat nicht auf meine mail reagiert -  morgen mache ich es anders und werde ich einfach hingehen und fragen.
viel zeit bleibt mir hier in ecuador nicht, weil mein visum bis ende november befristet ist. aber vier wochen wäre ja mal ein anfang, vielleicht nimmt das die schule zum anlass, sich dann nach deutschlehrern umzusehen.

frühling! in direkter nachbarschaft des schulhofes

die ampel ist rot -  die autos müssen warten. besser kann wahlwerbung doch nicht plaziert sein

der rio tomebamba fließt durch die stadt - frühling

heute stehen zwei dinge auf dem programm -  die wäsche zur wäscherei und - viel wichtiger -  eine videokamera zu finden, die ich auf den helm setzen kann, damit ich meine touren durch die anden aufzeichnen kann. ich finde einen fotoladen, der eine "action kamera" von sony für 400 dollares (!) anbietet. ich berate mich per whatsapp mit rolf und als ich dann von der verkäuferin erfuhr, dass sie mir ein vorgängermodell gezeigt hat und das aktuelle nicht im sortiment hat, lasse ich davon ab. ausserdem seien elektrogeräte in ecuador ohnehin sehr teuer. vielleicht mache ich einen zweiten versuch in peru.

die "neue" kathedrale, die erst vor 50 jahren fertiggestellt wurde, zieht mich wieder an. sie ist die nachfolgerin der alten kathedrale, die mit der stadtgründung im 16. jahrhundert gebaut wurde, sich aber sehr schnell als zu klein erwies. heute beherbergt sie ein museum und die älteste ortgel ecuadors.


sie bietet 10 tsd gläubigen platz

la nueva catedral: baubeginn 1885 und wegen diverser erbeben erst 1967 fertiggestellt

cuenca - gesprochen quenca - zeigt sich auch abends, wenn der räuber hotzenplotz unterwegs  sein möchte, hell erleuchtet. überall stehen securities und auch die polizei auf ihren notorrädern ist immer wieder zu sehen. die häuser sind mit nach oben und nach unten scheinenden strahlern iluminiert und zeigen tolle fassaden. brunnen und springbrunnen spielen mit unterschiedlichen  farben, die vom beckenboden aus installiert sind. direkt neben der neuen kathedrale gibt es einen kleinen gang, der in anderen städten vielleicht keine aufmerksam bekommt. hier muss ein lichtdesigner am werk gewesen sein.

hier muss ein lichtdesigner am werk gewesen sein

ich hole noch die wäsche ab und statte meinem vegetarier noch einen besuch ab. das smartie muss aufgeladen werden, und es gibt dort einen sehr leckeren obstsalat.


...für etwas über 3 dollares!

auf meinem weg ins hostel beschließe ich, noch einen tag dranzuhängen. zum einen, um mit der schule zu sprechen, zum anderen, um noch mehr von cuenca zu sehen.

28.09.

der begeisterung für eine idee muss auch eine realistische betrachtung folgen. wenn ich hier unterrichten würde und sei es auch nur vier wochen -  ich hätte immer die 10 tsd km vor augen. es ist also sinnvoller, meine idee in montevideo zu verwirklichen. der hafen ist dann nicht weit und die gefahr, dass ich das schiff verpasse sehr gering. trotzdem werde ich morgen - bevor ich abfahre - einfach mal fragen, ob die schule überhaupt an german native speaker interesse hat. vielleicht etwas für nora, wenn es sie noch nach ecuador treibt.

ich wechsele vom vierbett-zimmer in ein privado für 5 dollares mehr. mit eigenem bad!! in den hostels ist das mit den sanitären anlagen immer so eine sache. betten lassen sich immer noch irgendwo unterbringen. schließlich bringen sie bares geld. aber "nasszellen" sind schon schwieriger zu vermehren - also hat der hostelgast das nachsehen und muss sich gut managen...

heute fahre ich für knapp 2 dollares auf den turi, das ist der hausberg cuencas. auch hier ist die beckenlage der stadt gut zu erkennen. nicht umsonst heisst cuenca so - die übersetzung von dem wort "becken". es sind kaum gringos zu sehen, es gibt eine alte kirche, die noch abgeschlossen ist und federvieh mit vielen kleinen kücken. es sind aber keine hühner. sie kommen vielleicht aus der hühnerfamilie, haben aber statt eines federkleides einen weissen pelz. ich komme mit einem touristen aus guayaquil ins gespräch und frage ihn. er sagt mir den spanischen namen: gallina de peluche. google translater hat als deutsche antwort: gefülltes huhn. ich lasse das erst einmal so für mich stehen und frage ihn weiter, ob die auch gegessen würden. nein, sagt er fast entrüstet. sie würden zu ausstellungen benutzt. die eier hingegen seien in etwa genauso groß wie hühnereier und würden sehr gut schmecken. 

"nur" zu ausstellungszwecken...
es gesellt sich eine reisegruppe zum aussichtsplatz. ein älterer teilnehmer fragt mich, ob ich aus südafrika käme und zeigt auf meine batschkapp. er erzählt mir stolz, dass sein sohn heirate. ich frage ihn, ob er aus australien sei - nein aus groß britanien. sie würden hier die hochzeit seines sohnes feiern. achso, sage ich, er lebt in cuenca? nein, seine frau sei ecuadorianerin, er habe sie in indien kennengelernt. deswegen würde die hochzeit hier stattfinden. es ist also keine reisegruppe, sondern die international zusammengewürfelte  hochzeitsgesellschaft.

bei meinem blick runter auf cuenca finde ich sehr schnell die drei kuppeln der cathedrale und dann auch die schule und die vierspurige straße mit dem mit bäumen bewachsenen grünstreifen in der mitte. cuenca ist dank des flusses, der durch die stadt fließt und auch der, die im norden und süden aus den anden kommen, mit wasser bestens versorgt. überall finden sich große parks und viel baumbestand.

cuenca in beckenlage

der taxifahrer erzählte mir heute, hier lebten 500 tsd einwohner. es gibt eine universität, die ihr 150 jähriges jubiläum gerade gefeiert hat, einen flughafen unweit von der stadt, leder- und keramikindustrie und schmuckverarbeitendes gewerbe -  und nicht zu vergessen die strohhüte, die hier gefertigt und exportiert würden.
ich lese in wikipedia nach. viele menschen aus cuenca wären nach usa und europa abgewandert, mittlerweile würden aber menschen aus anderen städten ecuadors nach cuenca kommen.
es gibt ein hutmuseum, das ich mir heute angesehen habe. altertümliche maschinen formen die rolinge zu den hüten, wie wir sie kennen. dazu benutzen sie schwere vorlagen aus aluminium, über die dann die rolinge gepresst werden. ich hätte gerne die produktion der rohlinge gesehen, aber diese werden in heimarbeit  - per hand - gefertigt. für einen gewöhnlichen rohling benötigt die heimarbeiterin 3 tage.

ein anderes hutgeschäft: das foto wurde nur widerwillig geduldet...

für die unterschiedllichen kopfumfänge

früher

heute

ein romantisches bild... toquillastroh aus dem palmengewächs. lt wikipedia gäbe es in mexiko große kalksteinhöhlen, wo die erforderliche luftfeuchtigkeit herrsche. je dünner der halm, je hochwertiger nachher der hut. er könne sogar bis zu 100 tsd dollares kosten

während meines gangs durch die stadt schaue ich immer wieder in die offenen haustüren und entdecke die schönsten patios (innenhöfe), die so typisch für südamerika sind und schwelge in den fassaden mit hochwertiger handwerkskunst.


hier wird gerade renoviert und mit dem fuchsschwanz eine zwei meter breite spanplatte durchgesägt...

im hauseingang gibt es eine kleine kaffeerösterei. hier kann der kaffe dann verköstigt werden

der honorarkonsul der bundesrepublik deutschland - daneben gleich das centro aleman

entweder in ziegelstein oder in bunten farben verputzt


handwerkskunst in allen gewerken

nach meinem besuch des el museo sombrero spaziere ich den rio tomebamba entlang und beobachte wie eine motorradstreife 5 junge kerls, die am ufer sitzen,  recht gründlich durchsucht. nach drogen?  der polizist scheut sich nicht, selbst seine hand in die hosentaschen der verdächtigen zu stecken und jacke für jacke zu durchsuchen. fündig wird er nicht. was der anlass für diese maßnahme war?

und hier geht es in die "unterstadt". der blick vom ufer hinauf

cuenco legt wert auf ein gepflegtes und abfallfreies ambiete und appelliert an die bevölkerung, das erbe mit respekt zu behandeln. eine tafel am ufer weist ausführlich darauf hin

ich gehe noch in mein französisches cafe, wo ich gestern mittag gegessen habe und gönne mir eine Crème brûlée und einen capuccino. schon gestern ist mir hier ein plakat aufgefallen, das für heute abend ein concierto para mujeres ankündigt. ich bin ausgehungert nach kultur und frage die chefin wo das teatro sucre sei. gleich um die ecke. passt hervorragend. so habe ich noch zeit für apps und für genuss.

das teatro sucre befindet sich im gerichtsgebäude. ich vermute den eingang links vom hauptgebäude und stehe auf einmal im theater / konzertsaal. eine sängerin späteren alters singt sich gerade ein und es klingt einfach nur schräg und nochmal schräg und viel zu laut. ich gehe  rein, stelle mich in die mitte des saals, lasse mal schräg weg und konzentriere mit nur auf die sängerin, die querflöte und den pianisten. von der aussteuerung echt eine katastrophe. das konzert soll um 19:00 uhr beginnen. einfach nur laut, richtig laut! der flügel übertönt die querflöte und in den tieferen tönen auch die sängerin.

ich ergreife erst einmal die flucht und suche nach dem offiziellen eingang. beim rausgehen bemerke ich noch einen einsamen zuhörer in der letzten reihe, den ich später nicht wieder treffe. er wird seine gründe gehabt haben.
ich laufe etwas planlos und unschlüssig herum, weil ich noch nicht weiss, ob ich mir das antun soll. für 10 dollares. das ist kein preis -  normalerweise, aber dafür? aus dem programm geht hervor, dass noch weitere künstler auftreten. das überzeugt mich dann, doch dazubleiben.

ich beschließe, verantwortung zu übernehmen und fühle mich zurück erinnert an die soundchecks vor gabis konzerten: ich gehe wieder durch den hintereingang in den konzertsaal und direkt zu den künstlern. die sängerin ist amerikanerin, das macht es einfacher in der kommunikation. ich stelle mich nicht vor, sondern schildere den künstlern nur meinen eindruck und empfehle dringendst, einen neuen soundcheck zu machen. sie nimmt mich ernst und sagt typisch amerikanisch ooooh und aaaaach, ruft eine der verantwortlichen auf die bühne. ich erkläre abermals meinen eindruck und  empfehle einen weiteren durchgang.
damit habe ich meine schuldigkeit getan. ich bezahle und gehe durch den haupteingang in die halle des pompösen gerichtsgebäudes.

respekteinflößemd

ich schaue mich ein wenig um, setze  mich dann auf eine holzbank im foyer und beobachte das treiben. es gibt eine ausstellung. in der mitte der halle sind. die werke auf staffeleien zur schau gestellt - moderne gegenständliche malerei.
eine meiner liebsten beschäftigungen, wenn ich im theater bin, die menschen zu beobachten
die menschen, die sich dort versammeln bezeichne ich für mich als "illustres volk". in der überzahl nordamerikaner. späteres alter, überwiegend frauen aus gehobener schicht, individuell bekleidet, teilweise grell geschminkt, laut, überdreht, einfach zum davonlaufen. dann betritt derpausenpianist die halle. er trägt sein graues, über die schultern langes haar offen mit mittelscheitel. er ist damit aber nicht der einzige. einige männer amerikanischer herkunft haben sich vielleicht von ihm inspirieren lassen? 
auch er passt in diese überdrehte gesellschaft. er trägt ein rotes samtjacket und durchquert mit großen schritten und einem rollwagen das foyer. nach allen seiten grüßend, küsschen verteillend und umarmend, gekünstelt lächelnd und schafft es dann aber trotzdem, seine technik aufzubauen. immer wieder suchen die amerikanischen damen seine nähe, küsschen, dabei fällt eine staffelei mit einem 90 US dollar-werk um - huch - schnell eilt einer der securities herbei und stellt sie wieder hin - und dann beginnt der rotbefrackte sein pausenspiel. es wird geklatscht, er erhebt sich, legt seine hände überkreuz über seinen brustkorb, dienert, grinst devot und spielt dann ein weiteres stück.

was ist eigentlich hier los? befinde ich mich in new york bei einer vernisage?
19:00 uhr ist lange vorbei. keiner bemerkt es, man hat sich viel zu erzählen, und es braucht ja auch seine zeit, bis der letzte oder die letzte besucherin das neue kalbsleder bluson gesehen hat...
mann oh mann: worauf habe ich mich hier eingelassen? concierto para mujeres. das klingt für mich nach südamerika und nicht nach new york mit affigen, eitlen und überdrehten wohlstandsmenschen, die nichts, aber auch gar nichts mit der bevölkerung cuencas zu schaffen haben.

ich sehe nicht gerade "festlich" gekleidet aus. ich trage t-shirt und mein grünes flies und rucksack. ich bin ja schließlich schon fast den ganzen tag unterwegs. die türsteherin stellt sich vor mich, als ich in den konzertsaal möchte. ich zücke meine karte und sie tritt - etwas widerwillig? - zur seite. der saal ist gefühlt zu dreiviertel besetzt. der rotbefrackte pianist darf als "vorgruppe" auf die bühne und spult nur einen kleinen teil seines repertoires ab. nicht einmal schlecht. auch hier oben macht er seine show, diener, handküsschen ins publikum, sein offenes haar gekonnt beim klavierspiel einsetzend - das publikum klatscht begeistert. ist das kulturelle angebot cuencas so schlecht, dass das publikum so bescheiden ist?

so endlich passiert etwas. zwei mittdreissigerinnen moderieren den abend. die zweite muss übersetzen. im mittelpunkt dieses abends stehen die frauen von ecuador. für diese setzt sich die illustre gesellschaft ein. wie? das habe ich nicht herausgefunden, aber sie hat den abend organisiert oder finanziert oder beides. über 100 frauen seien alleine in diesem jahr umgebracht worden, der staat kümmere sich nicht, die gerichte seien parteiisch, so ginge das nicht. ein verein, dem die organisatoren des abends angehören, kümmere sich um die familien und die kinder.
also eine art wohltätigkeitsveranstaltung? es werden noch einige reden gehalten, und dann endlich verdunkelt sich der saal und es geht los. es treten bestimmt 6 unterschiedliche musikrichtungen auf, diie mir alle gut gefallen. eine gruppe mit bestimmt 20 tänzern führen zu panflöten- und gitarrenmusik ihre tänze auf, mit bunten kostümen und großen tüchern.

mit panflöte und gitarre eine tolle aufführung

der abend ist schon weit vorgerückt, aber die amerikanische solistin mit pianist und querflöte ist immer noch nicht auf der bühne. etwa doch lieber migräne vorgetäuscht...? nein. sie kommt mit knielangem kleid, die querflöte ist auch dabei, der pianist? es gibt keinen pinaisten mehr, die klavierbegleitung kommt vom band. ich wäre schon neugierig zu erfahren, was sich da hinter den kulissen in der langen zeit des wartens noch so abgespielt hat. sie trällert drei lieder und dann ist es überstanden. es erinnert mich an den film einer operndiva, die keine ist, aber aufgrund ihres starken finanziellen rückhalts die größten bühnen amerikas bucht und eintrittskarten verschenkt, damit die säle voll werden. ihr gesang selbst ist eine katastrophe - das publikum nimmt es hin.
ich stufe die heutige sängerin auf mezzosopran ein. im mezzo ist sie auszuhalten, aber dann will sie es wissen und geht in die höhe und verweilt da auch noch! eine ziemliche eierei! die stimme hat ihre schönsten zeiten gehabt, aber dann muss auch gut sein. einfach nur peinlich. keiner sagt etwas, keiner hustet oder verlässt den konzertsaal. nein - es gibt sogar standing ovations! wo bin ich hier? schießt es mir wieder durch den kopf. ich bin einer der wenigen, der sitzen bleibt.
dann werden alle künstler auf die bühne gebeten. eine ganz schrille madame mit strickhosenanzug und zipfelmütze in bunten streifen - ihres zeichens künsterlin eines der zahlreichen werke im foyer - stürmt durch den saal auf die bühne, ergeifft das mikrophon und ermuntert das publikum zum nonstop-applaus. das ist ihr moment! ihre chance, heute abend vielleicht doch noch das eine oder andere bild zu verkaufen?
als das überstanden ist, tritt noch unser rotbefracktes samtjackett hervor. es sei sooo schön gewesen - und jetzt müssten sich alle umarmen.... mann oh mann - bloß raus hier!!

ich ergreife die flucht ein zweites mal und überlege dabei, wie und wo ich meinen hunger stillen kann. auch interessiert mich die antwort auf die frage, ob denn der ganze zinober heute abend schwarze zahlen geschrieben hat. viel geld ist heute abend nicht reingekommen bei einem eintritt von 10 dollares. ich bin schon richtung ausgang unterwegs, als ich zwei langegezogene tische mit fingerfood sehe. es gibt rot- und weisswein, kaffee , tee und selbstgebackenes unserer überdrehten amerikanerinnen.
ich stelle mir vor, wie sie mit weisser kopfhaube, gestärkter weisser schürze und rot lackierten fingernägeln - den kleinen finger der rechten hand etwas abgespreizt -  den teig ausrollen und sich gleichzeitig amerikanische soaps angucken.
ich greife zu, aber richtig und immer wieder - meine gute erziehung dabei vergessend. ich bin mit meinem rucksack ein kleiner störfaktor, weil ich mir dadurch abstand nach hinten verschaffe. das wurde bestimmt nicht gerne gesehen... egal! das habe ich mir heute abend verdient!

dieser abend wird mir in erinnerung bleiben.




 






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