Veröffentlicht: 13.02.2019
11.02.
heute ist es nicht weit. knapp 200 km sind es nach porto alegre. der wettergott meint es gut mit mir. vereinzelte wolken am blauen himmel, die temperaturen sind wieder erträglich, das frühstück wie immer reichhaltig mit yoghurt und haferflocken - es kann losgehen.
luna wird mich vermissen. zwei wochen hatten wir zeit, uns aneinander zu gewöhnen.
alexandre macht noch ein foto von der vepse und mir, ich verabschiede mich von seiner mutter, der ich ans herz gewachsen bin und von den servicekräften in der küche, die mich nicht vergessen werden, weil ich immer aus alter gewohnheit mein geschirr in die küche gebracht habe.. das haben sie noch bei keinem gast erlebt.
die reifen haben genug luft, der ölstand ist geprüft, die tanks sind voll - ich kann ohne verzögerung los. es ist kurz vor 10:00 uhr. langsam holpere ich über das kopfsteinpflaster auf die BR 470 und habe bald meine reisegeschwindigkeit erreicht.
die beleuchtung mutet schon etwas herbstlich an. es ist augustwetter, das, wie bei uns, mit heissen tagen daher kommt, aber auch schon frische abende im gepäck hat. im winter kann es hier auf ca. 700 m sogar schneien.
etwas sorge bereitet mir der auspuff. sein innenleben scheint in der auflösung begriffen - er hört sich an wie ein zischen...
ich komme gut voran und habe jetzt auch die antwort, warum die weinberge nicht zu erkennen sind. die charakteristischen zeilen der rebstöcke sind nicht zu sehen, weil diese von blättern und trauben verdeckt sind.
ein taxistand in porto alegre...
während einer kurzen pause hält ein pkw neben mir. zwei schon etwas ältere youngsters sitzen drin. der beifahrer hat nur augen für die vepse. er erkennt sofort, dass ich aus deutschland bin und spricht ein gutes englisch. er fragt mich nach meiner route, und als ich porto alegre erwähne erzählt er von einem lambretta-club in santa maria (ca.20 km entfernt), den ich unbedingt besuchen müsse. wir tauschen telefonnummern aus, und er sagt mir noch, dass der club mir schreiben würde.
nuovo hamburgo - ein vorort von porto alegre - begrüßt mich miit einem fachwerkhaus (?), mit der hamburgischen firma jungheinrich und weiteren deutschen namen aus gewerbe und industrie. doch der südamerikanische lebensstil hat sich durchgesetzt. und spätestens in porto alegre bin ich wieder in südamerika angekommen. die zeit in "europa" hat mir genug kraft mitgegeben, um den charme, der mich umgibt wieder schätzen zu lernen.
eigenwillige stadtplanung
puorto alegre könnte direkt am atlantik liegen, gäbe es da nicht eine über viele kilometer reichende landzunge, die sich davor gesetzt hat..
mein hostel liegt in dem vorort cristal und irgendwie habe ich die hoffnung, dass die urbanität der stadt hier ein ende hat und ich nur nach wenigen kilometern an der langezogenen bucht bin.
ich bin wieder auf meeresspiegelhöhe und die temperaturen sind selbst mit fahrtwind gut spürbar. die einfädelei klappt gut, die halterung für das smartphone hält und bald bin ich in der straße, in der mein hostel liegen soll. doch die suche nimmt bestimmt noch eine stunde in anspruch, weil es die hausnummer 1410 nicht gibt. irgendwann stelle ich die vepse ab und frage. ja, die sei aber ganz woanders. ich müsse die straße weiterfahren und dann die erste abzweigung nach links nehmen. diese information hilft mir nicht weiter - mittlerweile befinde ich mich schon im 2000er bereich. das hb-männchen kommt langsam aus seiner deckung.
irgendwann habe ich die idee, google nach der adresse zu befragen und die antwort lautet lapidar: 1490!
und wieder profitiere ich von der herzlichkeit der braslianer. ich muss einen bemitleidswerten eindruck machen. ich bin für die temperaturen viel zu warm angezogen. rinnsale laufen über mein gesicht, das langärmlige t-shirt hat seine farbe ganzflächig von blau auf dunkelblau gewechselt.
ich klingele bei 1490. kein summer ertönt. bin ich hier richtig? kein hinweis, dass es sich um das hostel cristal apartamentos handelt. ich frage im benachbarten schreibwarenladen. die inhaberin ist hilfsbereit und versucht die gastgeber telefonisch zu erreichen und schickt schließlich dem hostelsenor meine telefonnummer, damit er sich bei mir per whatsapp melden kann. es ist erst früher nachmittag. ich plane, an den "nahegelegenen strand" zu fahren und stelle mir vor, dass es dort einen platz mit sonnenschirmen gibt mit freier sicht auf munter sich kräuselnde wellen im nachmittagslicht....
spielende männer wie in mendoza
doch dann klingelt mein smartphone und der hostelsenor ist dran.
er sei geschäftlich unterwegs und gibt mir den nummercode für das einfahrtstor. ich frage mich, wie ich die vepse durch die schmale tür buskieren soll, als ich feststelle, dass sich das ganze tor hebt und sich nur knapp an meinem kopf und der vepse vorbeibewegt. das hätte schief gehen können! aber damit nicht genug: ich weiss nicht, wann sich das tor wieder selbsttätig schließt. die vepse steht im falschen winkel - das merke ich erst, als ich zu viel gas gebe und sie zum glück nur leicht die ecke berührt. ich ziehe sie rückwärts - wohlwissend, dass der countdown der türschließmechanik läuft - bringe sie in die richtige position und gebe gas. keine sekunde zu spät. denn kaum habe ich die schwelle passiert, höre ich schon das quietschende schließgeräusch hinter mir. ein zweites mal: glück gehabt!
mir steht hier für 13 euro ein ganzes appartment zur vergügung. mit klimaanlage, "salon" mit sofa und tv und einer küchenzeile.
am abend schüttet es aus eimern und ein gewitter entlädt sich direkt über der stadt. nach einer stunde ist der spuk vorbei und die temperaturen wieder erträglich.
nebenan gibt es ein sushirestaurant, das ich morgen wieder aufsuchen werde!
12.02.:
frühstück gibt es nicht. der hostelsenor - um die mitte dreissig und a-klassefahrer - ist tagsüber unterwegs.
der markt ist die seele der stadt und Sie sind die seele des marktes
aber es gibt nicht nur das sushirestaurant, sondern auch ein bäcker in der direkten nachbarschaft, bei dem ich frühstücken kann. ich erwarte kein frühstück, sondern sage nur, dass ich einen kaffee haben wolle und diesen gerne hier trinken würde. frühstück heisst auf portugiesisch cafe da manha. und so wird mir das glück zuteil, dass mir nicht nur die tasse kaffee serviert wird, sondern auch ein knuspriges (!!) brötchen mit schinken und köse. die krönung des ganzen: ein stoff-spitzen-set, das die bedienung noch darunter legt.
es ist bewölkt und nur 23 grad!
die bushaltestelle ist genau vor meinem hostel. die app sagt mir, welche busnummer ich nehmen soll und wo ich aussteigen muss. nach einer halben stunde bin ich in der innenstadt.
als sehenswürdigkeit ist die casa cultura angegeben - ein haus im kolonialstil, einige parks und die kathedrale. ich lasse mich treiben, mache fotos und besuche die markthallen, die in der nähe des früheren hafengebietes liegen.
hier gibt es weniger stände, keine schlachter, die schweine zerteilen und zerlegen, keine frühstückenden und übernächtigten brasilianer und keine gemüse schneidenden jungen frauen, deren babies in sichtweite im kinderwagen liegen und schlafen.
später finde ich dann den weg zu einem schiff, das nach guiaba fährt. ich freue mich auf die skyline von porto alegre auf einem windigen deck. aber schnell werde ich eines besseren belehrt. es gibt kein deck, sondern nur plätze im inneren des schiffes. und sehr schnell weiss ich auch warum. das schiff rast mit einer affenarigen geschwindigkeit über das wasser. wir wären alle weggeflogen.
auf der rückfahrt mache ich bilder durch die wasserbetropften seitenscheiben, die den fotos einen ganz besonderen ausdruck verleihen.
das neue stadionein törtchen mit kokusnussteig. lecker und schwer. es mussten zwei sein...ich muss mit dem akku sparen. er ist schon im roten bereich. ohne funktionierendem smartphone bin ich hier so gut wie orientierungslos.
wenigstens muss es mich zur richtigen bushaltestelle führen. es klappt. zwar stehe ich eine viertelstunde in der falschen schlange, weil ich zu spät erkenne, dass es noch eine haltestelle direkt vor dem zebrastreifen gibt. nicht nur eine, sondern auch noch haltestellen für andere busse. demzufoge ist der platz zu eng und mein bus fährt erst ein stück an uns vorbeii, um dann rückwärts einzuparken und dann die türen zu öffnen. südamerika!
wie in london auch, bildet sich vor dem einsteigen eine schlange. kein gedrücke und weggestoße, aber böse blicke, wenn sich einer vordrängelt.
als ich nach hause komme, finde ich sms-nachrichten von dem vespaclub. viellleicht gibt es morgen ein treffen in santa maria?
13.02.:
das wetter hält sich an die vorhersage. bewökt und 25 grad.
heute meide ich die große stadt, sondern verbringe den tag am rio guiaba, der nur knapp 7km von meinem hostel entfernt ist.
ich fahre die uferstraße entlang und erreiche immer ärmere regionen. pferdefuhrwerke kommen mir entgegen, die häuser werden immer ärmlicher, die straße immer engerund der müll liegt vor den häusern.
ich fühle mich dabei nicht wohl. ich gucke nach vorn und meide den blick in offene türen oder fenster.
als ich wieder eine halbwegs asphaltierte straße unter mir spüre wendet vor mir ein armeelaster, der vollbepackt ist mit soldaten und ihren waffen im anschlag. ein beklemmendes gefühl die mündung auf mich gerichtet zu sehen. ich warte bis die straße wieder frei ist und sinniere darüber, ob es sich hier um eine übung oder einen ernstfall handelt. sie springen ab und laufen in gebückter haltung mit ihrer waffe im anschlag die straße entlang. ich tue unbeteiligt, mache mich unsichtbar und fahre weiter. werden sie mich stoppen und mich zu ihrem feindbild erklären? sie lassen mich weiterfahren.
das gleiche szenario ereignet sich wenig später. wieder muss ich halten. wieder bewaffnete soldaten mit helmen und schwarzen tüchern vor den mündern. hier ist die straße so eng, dass ich dem fahrzeug den vortritt lassen will. ja keine übereilten handlungen, sondern defensiv und besonnen. der lkw drückt sich an die hauswand und gibt mir ein ungeduldiges zeichen, dass ich weiterfahren soll.
im rückspiegel wiederholt sich das gleiche szenario wie vorhin. sie springen von der ladefläche ab und verteillen sich in geduckter haltung und waffe im anschlag. es sind kaum menschen auf der straße, aber die, die ich sehe machen keinen aufgeregten oder ängstlichen eindruck.
ich bin froh, dass ich meinen ausgangspunkt an der uferstraße unbeschadet erreiche und entdecke ein restaurant an bord eines ausrangierten und umgebauten schiffes.
genau so habe ich mir das vorgestellt
hier werde ich mit frischem lachs und gepressten zitronensaft verwöhnt. vor mir liegt der rio guiaba, der von seiner breite her eher einem see gleicht. es sind kaum gäste da und ich bekomme einen platz in der ersten reihe mit blick auf das wasser. es ist kaum verkehr auf der nur zweispurigen uferstraße, es läuft kein tv gerät und auch kein radio.
das treffen mit dem vespaclub findet heute nicht statt. es stellt sich nach einigen whatapps und sms-nachrichten heraus, dass er sich nicht in unmittelbarer nähe befindet. er liegt auf meiner strecke nach sao gabriel, müsste aber einen umweg von 160 km in kauf nehmen. schade, aber ich sage das treffen erst einmal ab. es gibt immer noch die option, dass wir uns auf halber strecke irgendwo treffen.
wilfried kann sich das "zischen" der vepse auch nicht erklären, empfiehlt mir aber, die verschraubung des auspuffs zu prüfen.
spätnachmittagsstimmung
heute abend erlebe ich noch einen schönen sonnenuntergang. der mich erst etwas irritiert. aber nach einem blick auf die karte wird mir klar, dass ich mit dem rücken zum etwas weiter entfernten, östlich liegenden atlantik sitze.