Veröffentlicht: 22.07.2017
08.07. bis 22.07.
supertramp - so heisst das hostel in cusco - mutiert für mich von einer gewöhnlichen übernachtungsmöglichkeit zu einem kleinen davos in peru...
davos mit blick auf cusco und hängematte
der ausflug nach aguas calientes und meine nicht immer zufriedenstellende ernährung hat mein immunsystem in die knie gezwungen.
unter normalen umständen wäre ich mit einer erkältung davon gekommen, aber so habe ich letzten samstag - am 15.07. - von einem herbeigerufendem notarzt die diagnose kehlkopfentzündung genannt bekommen.
nach dem ich schon eine woche ohne besserung flachgelegen habe wollte ich nur eine adresse, die ich dann am montag aufgesucht hätte, mit taxi hätte das geklappt, aber die rezeptionsleute haben im grunde genau das richtige getan. der arzt hat mich gründlich untersucht.
zwar waren die begegebenheiten dann doch wieder recht südamerikanisch: an dem abend gab es im hostel livemusik und asado. kurz vor seinem eintreffen wurde mir noch ein teller leckere antipasti gebracht, und so saß ich mit vollen backen kauend in der rezeption, als der notarzt die untersuchung beginnen wollte. sein gesichtsausdruck war in der tat etwas irritiert- ein mit vollen backen kauender patient, der den notarzt rufen lässt...?
ich sitze wie auf dem präsentierteller, in einem großen schaufenster, das licht in die rezeption lassen solll - nun aber sitze ich da und bin auf diskretes wegschauen angewiesen. aber im grunde ist mir das auch ziemlich egal. und als der notartzt mir dann offenbart, dass meine lunge clean sei, bin ich beruhigt und zu allen medizinischen schandtaten bereit. er hat mir dann auch gleich ein antibiotikum verschrieben, das ich eine woche drei mal täglich nehmen soll.
aber eines hat doch mal wieder richtig gut geklappt und hat schutzengelqualität:
das hätte mir auch irgendwo in der provinz passieren können, wo mal nicht so eben ein notarzt vor der türe steht, wo ich auf ein hostel hätte treffen können, das keine küche anbietet, sondern wo ich dann wirklich auf pollo angewiesen wäre. so passt alles und der heilungsprozess kommt in gang.
bei dem supertramp hostel handelt es sich um ein eco-hostel mit sehr guter küche. zwar gibt es auch hier wie in allen hostels, die ich in peru kennengelernt habe, keine gemeinschaftsküche, in der sich der gast was kochen kann, sondern er ist auf die garküchen und restaurants in der stadt angewiesen. und da steht pollo an erster stelle...
aber hier werde ich verwöhnt mit tollen salaten, kräftigenden hühnersuppen, gestern sogar mit einem frühstück, das haferflocken und früchte im angebot hatte. das gemüse dentig und nicht verkocht und: ich habe der küche das rezept heisse milch mit honig und rum nahegebracht. den rum habe ich noch von einem schweizer mitbewohner besorgen lassen und nun bekomme ich fast jeden abend meine wundermedizin, die jetzt aber nur zusammen mit den medikamenten ihre wirkung entfalten kann.
heute ging es mir schon so gut, dass ich davos für einige stunden verlassen konnte. es hat geklappt, zu fuß in die stadt zu kommen.
so habe ich mir einen gemütlichen tag auf einem bänkchen auf der plaza de arma gegönnt und für erholung gesorgt und abwechslung genossen.
diese ließ auch nicht auf sich warten. zum einen erregte ich sofort die aufmerksamkeit aller schuhputzer, weil meine wanderschuhe den sonntagsstaat vermissen ließen.ich lehnte immer höflich ab.
dann setzte sich eine schmuckverkäufern neben mich auf die bank und zeigte mir ihre auswahl, die recht eingeschränkt war. ich ließ mich tatsächlich auf einen kauf ein, das geschäft war gemacht, aber sie blieb sitzen und fing eine unterhaltung an. ich ließ mich drauf ein. ihr spanisch konnte ich ganz gut verstehen und habe diesen schnack als praktischen spanischunterricht eingeeordnet. die touristenpolizei kam häufiger bei mir vorbei als vor dem besuch, was mich vermuten ließ, dass sie sofort die dame gebeten hätten, aufzustehen, wenn ich unmut gezeigt hätte. aber es war ja alles ok.
sie erzählte von ihren drei kindern, von ihrem mann, der vor 8 jahren das weite gesucht und sie ohne sicherheit zurückgelassen hätte, von ihrem schmucklieferanten, der ihr die ware nicht in kommission liefere, sondern nur gegen barzahlung
dann erzählte sie mir, dass ihre familie von einer peruanischen terroristenorganisation umgebracht worden sei. vielleicht stand der vater auf der falschen seite.
sendero iluminoso, bei uns bekannt als leuchtender pfad ist eine marxisitisch leninistische partei, die in den 60iger bis 80iger jahre hier aktiv war und von der eu bis 2016 als terrororganisation eingestuft wurde.
meine verkäuferin ist im andenhochland unweit von hier aufgewachsen und hat unter der abschottung seitens lima sehr gelitten. keine ausbildung und wenn, dann hatten indigenaussehende menschen keine berufschance. das hat sich die partei zu nutze gemacht und menschen mobiisiert, um die große revolution zu erreichen. aber warum nun die ganze familie zum opfer wurde? lt wikipedia sind 70 tsd menschen auch unter beteiligung der regierung zu tode gekommen...
und dann wurde es komisch: sie wollte von mir - nach der sicherlich sehr ergreifenden overtüre - 500 (!) soles haben. wenn sie 50 gesagt hätte, aber 500 ist doch schon recht viel, und es kam völlig überraschend.130 euo!!! ich habe ihr dann 20 dollars gegeben, das sind 60 soles. ich habe ihr erklärt, dass ich ein knappes budget und heute nur gefrühstückt hätte und habe ihr auch von meiner sparsamen lebensweise erzählt. sie hörte interessiert zu, legte aber weiter mit forderungen oder wünschen nach. ich lachte sie an und sagte: NEIN!
dann wollte sie mich morgen wieder treffen und mich in ihre wohnung einladen. das habe ich dann höflich abgelehnt, sie sei morgen wieder am plaza de arma...
was sie erzählt hat, mag ja alles stimmen. wenn sie das alles vor dem verkauf ihrers schmuckstücks von sich gegeben hätte, ein geschäft wäre nicht zustande gekommen. so aber war das erledigt und sie konnte in gemäßigtem und in eher sachlich gehaltener tonalität fortfahren...
dann ohne große vorbereitungen hat sie sich recht schnell, schon fast überstürzt verabschiedet.
erst als sie weg war überkam mich der verdacht, dass sie mir noch schnell geld entnommen haben könnte - war aber alles ok.
ich habe dann noch einen positionswechsel vorgenommen, denn die sonne war mittlerweile weg, habe noch ein bisschen gedöst und bin dann am spätnachmittag mit dem taxi zurück ins hostel gefahren.
vorher wurde ich sogar zeuge zweier frisch vermählter brautpaare, eines davon wurde in einem gestrechten vw-cabriolet von der kirche abgeholt.
das sonnenschirmchen wird noch schnell gereicht, der gekühlte champagner mit vier beschlagenen gläsern steht auf einem runden tisch bereit, die flasche durch eine passende öffnung in der mitte des tisches vor vollbremsungen oder rasanten kurvenfahrten geschützt
für die nächsten tage ist wenig oder gar nichts auf dem programm. schon in die stadt, aber mit dem taxi zurück, vielleicht zum markt und das frühstück anreichern, vielleicht noch ins matchu picchu- museum - in jedem fall auf der plaza de arma sitzen, leute beobachten und meine sitzposition dem lauf der sonne anpassen.
23.07.
heute war eher ein rekonvaleszenz-tag. ein gutes frühstück mit obst und haferflocken, aber obwohl die nacht ruhig war - keine gäste, die kommen oder gehen - fehlte mir die kraft für aktionen. ausserdem haben wir hier tiefsten winter. die sonne scheint wolkenlos vom himmel und gibt wärme wenn nicht hitze ab, im schatten und damit im hostel ist es kalt. halbschatten gibt es nicht. also bleibt nur das bett, das die körpertemperatur ausnutzt.
am nachnittag will ich es wissen und möchte nach der vepse auf dem campingpatz sehen. es sind viele treppenstufen und später einige serpentinen zu gehen, aber ich drehe auf halber strecke um. eine neue herausforderung für morgen.
hier empfängt mich asado und ive-musik und heisses wasser für tee. und dann wieder in die horizontale. sanatorium davos!
24.07.
habe meine kräfte geschont, einen opa-gang in die stadt gemacht, wäsche weggebracht, meine schmuckverkäuferin aauf dem plaza de armas getroffen, aber mit verweis auf meine stimme, die noch nicht da ist, das beginnende gespräch gestoppt, dann wieder in zeitlupe zurück zum hostel. heute mittag wieder eine kräftigende hühnersuppe und einen großen teller salat. mal sehen, ob ich mittwoch schon fahren kann. wird sich morgen entscheiden.
25.07.
der akku hat sich im laufe des tages auf 80% eingependelt. das reicht nicht, schon morgen am mittwoch durch die berge richtung nasca zu fahren. also habe ich um weitere drei nächte verlängert und hoffe, dass ich am samstag morgen starten kann.
der heutige tag war ähnlich wie der gestrige. sonne und energie tanken, am nachmittag viele treppenstufen in die stadt und wieder zurück, lange pause auf der plaza de arma.
26.07.
wieder ein relaxter sanatoriumstag. das mittagessen mit hühnersuppe und einem leckeren salat hat mich gleichsam zu dem campingplatz, wo die vepse steht, hinauf katapultiert.
mit einem leckeren mango-dressing
danach - mit einer pause und einem vitaminreichen orange-bananen mixgetränk habe ich noch einen gang in die innenstadt gemacht, plötzlichen heisshunger auf cadbuyries karamellschokolade bekommen und danach in kleinen schritten die steigung wieder hoch zum hostel bewältigt.
vielleicht kann ich am samstag meine tour fortsetzen.
27.07.
übermut tut selten gut...
eine magenverstimmung fesselt mich heute ans bett. samstag will ich endlich weiter.
28.07.
der hunger ist wieder da. zwei knusprige brötchen mit hausgemachter marmelade und ein pfannekuchen erfordern den härtetest - mit erfolg!.
heute ist der unabängigkeitstag perus, was die hostelküche zum anlass nimmt, einen asado zu organsieren. ich bekomme eine vorspeise und einen hauptgang. beides vertrage ich gut, die kräfte kehren zurück.
ich habe mir die nächste etappe angeschaut, die mit 190 km angegeben, aber mit ca. 5 stunden veranschlagt ist.
es werden pässe von 3.800 bis 4.500 m dabei sein und auch täler, die nur 1.800 m haben. also es geht zur sache. einige male werden die düsen wohl gewechselt werden müssen.
deswegen werde ich morgen noch kräfte sammeln und erst am sonntag starten.
29.07.
mein akku hat seine normale umdrehungszahl wieder erreicht und heute unter beweis gestellt. mein besuch bei der vepse auf dem campingplatz quinta lala wurde von ihr mit einem sofortigen anspringen kommentiert - es kann also morgen losgehen. ich werde aber morgen trotzdem langsam machen und nur 70 km fahren, die eine fahrzeit von bestimmt zwei stunden erfordern.
heute habe ich dann noch die guten augen unseres rezeptionisten gebucht, weil die mm-angaben auf den düsen nur er entziffern konnte. die werte sind feinsäuberlich notiert und wenn ich die nächsten tage aufgrund der höhenunterschiede die düsen wechseln muss, laufe ich nicht gefahr, dass ich eine falsche einsetze. die hostelleute sehen mich schon als familienmitglied und als ich erzählte, dass ich mit der vepse unterwegs bin sind sie schier ausgeflippt. es geht endlich weiter und ich freue mich auf eine schöne fahrt durch das heilige tal.
30.07.
es soll nicht sein. cusco will mich nicht gehen lassen.
cusco liegt in einem tal. wer gen norden will, muss sich die hänge hochquälen. die vepse ist tapfer, gibt wirklich alles, aber dann alle viere von sich gestreckt und nichts geht mehr. mein navi hat sich dem angeschlossen und ist mit der neuberechnung der route für den rest des nachmittages befasst.
so lasse ich das schicksal walten, fahre in die altstadt und finde schließlich zu dem hostel "flying dog", das auch an einer steigung liegt und bis wohin es die vepse dann auch genau schafft.
hier bin ich nun, für die vepse sollte es keinen gesicherten abstellplatz geben, aber die hostelchefin erlaubt dann doch, dass sie im rezeptionsbereich geparkt werden darf.
hier steht sie sicher, warm und trocken.
morgen mache ich keine großen experimente, bestelle ein taxi, das dann die aufgabe hat, mich über geringere steigungen aus der stadt herauszuführen.
das wäre doch gelacht...