2017 VespamerikasuR 2019
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09.09.: El Carmen

Veröffentlicht: 11.09.2017

09.09.

el carmen ist der echte wahnsinn!  vielleicht sogar noch schlimmer als tumbes. in tumbes habe ich rechtzeitig die flucht ergriffen, für el carmen ist es zu spät. aber der reihe nach:

es ist samstag und mein abreisetag von meinen reisefreunden sandra und rolf. eine woche war ich da und habe mich in der zeit gut erholt, habe den pazifik genossen und die süße frucht des nichts tuns. doch nach einer woche spüre ich wieder unternehmensgeist und die mir wohlbekannte neugierde.
cassandra hat gestern noch mit der vespavertretung in quito und in guayaquill telefoniert, was wirklich ein schweres unterfangen war. aber sie hat nicht aufgegeben, so dass ich in quito den antriebsriemen bekommen werde und bei der vespavertretung in ambuto auf meinem weg zurück nach peru vielleicht die neue benzinpumpe und den anlasser. beide funktionieren zwar, aber zeigen schon altersschwäche.

ich werde von den vieren sehr nett verabschiedet. rolf filmt meinen "abgang" von der bühne.

die fahrt nach el carmen verläuft planmäßig. ecuador zeigt sich wieder von seiner besten seite. ich fahre ein kleines stück noch an der küste entlang, aber dann nehme ich kurs auf ost / nordost. es wird schon etwas hügeliger, der verkehr ist wesentlich dichter als in peru, die autofahrer sind ungeduldiger und die busfahrer stehen unter zeitdruck. überholen haben beide nicht gelernt, ein meter sicherheitsabstand beim überholen ist ihnen nicht bekannt.

ein platz zum verweilen -  wenn da nicht die donnernde hauptstraße wäre

die reihenfolge stimmt nicht ganz: chile - peru - ecuador

frühling

nach vielleicht 3 stunden erfordert die fehlende schaumstoffunterlage eine längere pause bei einem gemütlich aussehenen "restaurant".
es befindet sich in einer ärmlichen holzhütte mit einer überdachten terrasse. dort gibt es eine offene herdstelle, die scheinbar noch nie verloschen ist. die dachbespannung aus geflochtenen bambushalmen ist tiefschwarz, so auch die töpfe, die auf dem rost stehen. etwas speckig anmutende plastiktischdecken liegen auf den tischen, die obligatorischen seidenblumen in der mitte. eine ältere frau bewacht das feuer. erst zögere ich, aber an weiterfahren ist jetzt nicht zu denken, und ich frage, ob es etwas zu essen gibt. mein eindruck ist, eher nein, aber dann gibt sie sich einen ruck und ruft ihre tochter.
der verkehr tobt auf der dicht an dem haus vorbeiführenden verbindungsstraße nach quito, eine unterhaltung ist nur sehr schwer  möglich. ich bestelle reis und drei spiegeleier und bekomme einen frischgepressten mandarinensaft aus einer plastikflasche, die ursprünglich einem anderen verwendungszweck gehorcht hat. von aussen auch speckig, der saft aber schmeckt grandios. ich habe es mit einer großfamilie zu tun, die sich so langsam einfindet und sich zu mir setzt. ich vermute im nachhinein, dass dies der esstisch der familie ist. die älteste tochter ist die erste, die kommt, weil sie bei der unterhaltung helfen muss. nach dem ich meine geschichte erzählt habe, werde ich gefragt, ob ich angst hätte, so alleine durch das land zu fahren. wir hängen an dem begriff "medio" fest. ich sichere mich ab und frage dayana, die 12 jährige tochter, ob sie angst habe, wenn es dunkel sei. sie nimmt die frage direkt und antwortet nein. mein zweck der frage war nur, herauszufinden, ob ich die richtige übersetzung weiss. ihrer antwort nach zu urteilen, weiss ich sie nicht. so kommen wir nicht weiter, und sie holt schließlich ihr englisches wörterbuch.  so entspinnt sich eine nette unterhaltung. der sohn, schätzungsweise 14 kommt dazu, die jüngere schwester und dann vater und sohn, also großvater und vater. sie setzen sich abseits, beobachten etwas misstrauisch den vespafahrenden gringo und sagen recht wenig, eigentlich eher gar nichts.
es war eine schöne begegnung. auch hier wieder die ernüchterung, als ich das alter der mutter erfahre. sie ist 46 und sieht viel viel älter aus. es fehlen vorderzähne, sie hat abgearbeitete hände, aber lustige augen. auch die übrige familie macht nicht den eindruck, dass sie arm ist. der lehmfußboden, die dünnen und zugigen bretterwände haben keine bedeutung. ich habe mich dort recht wohl gefühlt und breche erst um halb fünf auf.

eine  stunde später bin ich also in el carmen. 60 tsd einwohner sind hier zu hause. es scheint so, als ob sie alle auf der straße wären.
links und rechts sind die läden mit autos, motorrädern und verkaufsständen von fahrenden händlern zugestellt. da die autos zweireihig parken oder nur halten staut sich der überlandverkehr. stinkende und laute busse, stinkende und laute megatrucks quälen sich durch diese "einkaufsstraße". dann die mototaxis und die motorräder, die zwischen den autos herfahren- gehupe und gerüche nach gebratenden hühnern, der hier genauso präsent ist wie in peru, gerüche nach frisch gebackenen käseempanadas und weiter weg ist ein fischstand, dem es gelingt, sich gegen alle konkurierenden "düfte" zu behaupten. ich denke an patrik süskind und sein buch "das parfum". das ganze szenario wird von einem ohrenbetäubendem lärm begleitet. laute musik aus den tiendas, schleifgeräusche aus den werkstätten, wasserpumpen und ein dauerhaft hoher ton, dessen herkunft ich mir nicht erklären kann. ich taste mich auf der suche nach einem hostel oder hotel langsam in diesen pulsierenden knoten rein, sehe tatsächlich die leuchtschrift "hotel california", stelle die vepse zwischen den parkenden autos und den verkaufständen ab, schaue mich suchend nach dem eingang um, asisaten, die eine motorradwerkstatt betreiben und mich exoten beobachten weisen mir den weg und wenig später befinde ich mich ein stockwerk höher. ja - es gibt ein zimmer - und die vepse könne auch sicher untergestellt werden. selbst hier oben ist der hohe ton zu hören, der gestank der dieselnden lkw und busse zieht nach oben, und ich frage nach einem zimmer, das nach hinten raus geht. ich bekomme eine gefängniszelle gezeigt mit kleinem, nicht verschließbaren oberlicht. hier ist der geräuschpegel auszuhalten, und ich sage zu.
die vepse muss noch "in den stall". eigentlich ein hoffnungsloses unterfangen. der rezeptionsmann geht vor, und ich versuche, ihm zu folgen. also langsames rückwärts bewegen aus den parkenden autos, die vepse in fahrtrichtung bringen, schlaglöcher und eine tiefe wasserrinne sind gefahrenherde. dann dem verkehr trotzen und sich einfach im rechten winkel zur allgemeinen fahrtrichtung, die vorfahrt des "fließenden" verkehrs missachtend auf die gegenspur zu tasten, ein paar meter geradeaus zu fahren und dann gleich wieder links abzubiegen. hoffentlich schläft nicht der hintermann oder muss dringend seine whatapps checken. aber alles geht gut.
obwohl es nicht den anschein hat: hier achtet jeder auf jeden. unfälle sind wirklich rar. bisher habe ich den den 6 monaten noch keine gesehen, geschweige denn martinshörner und blaulicht.
der geruch nach fisch wird durchdringender, hinzu gesellt sich der scharfe geruch nach urin, dann geht es auf einen großen platz, und unter einem unterstand, wo mehr oder weniger saubere wäsche hängt, darf ich die vepse abstellen.

wenig später bahne ich mir den weg durch die hauptstraße, um mir die beine zu vertreten und finde recht schnell die plaza de armas, die direkt an einer kirche liegt. auch diese kirche läutet alle viertel stunde. es ist gottesdienst. sie ist neueren baujahres und mit kitischigen farben beleuchtet, die immer wieder wechseln. so nach und nach trudeln die gottesdienstbesucher auf ihren motorrädern ein, die dazugehörigen kinder sind schnell wieder auf der straße zu sehen.
es könnte alles schön und harmonisch sein. aber ich fühle mich hier nicht wohl, sondern beobachtet ich ziehe es vor, mich in meine zelle zurückzuziehen. die temperatur -  abends um 20:00 uhr 29 grad!

ich schreibe tillmann noch einen geburtstagsbrief und später im blog. aber aus welchen gründen auch immer -  der browser gibt seinen auf -  ich öffne ihn erneut, meine eintragungen sind weg.

zeit, den tag zu beenden.

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