Veröffentlicht: 02.09.2017
31.08.
jedes haus hat ja seine geschichte. Daseine erzählt sie frei heraus, das andere ist eher verschwiegen. Dashostel in piura ist recht gesprächig und erzählt mir von den gutenzeiten, die es erlebt hat.
Sein bauherr habe gut verdient, wollteeine große familie und habe entschieden in einer ruhigen und etwasgehobenen wohnlage von piura ein großes haus zu bauen. Das hauswurde bis auf das letzte zimmer mit vielen kindern bevölkert. Diewurden größer, verließen irgendwann das haus, vater und mutterwollten nicht allein dort leben. sie haben es dem daheimgebliebenen sohn – ich nenne ihn vincent - vermacht. Der abermusste seine zahlreichen geschwister ausbezahlen und dafür einenkredit bei der bank aufnehmen. Das war kein problem, denn der wert deshauses und der wert des grundstücks waren in der zwischenzeitansehnlich gestiegen. Doch vincent -. er war der jüngste von insgesamt 5geschwistern – und während seiner kindheit als nesthäkchen verhätschelt und verwöhnt - brachte esnun mit sich, dass er sich in lebenspraktischen dingen überhauptnicht auskannte.
Er sollte das haus übernehmen und selbst einefamilie gründen. Doch er hatte andere oder besser gesagt keinepläne, das geld, das er als lagerist verdiente, reichte nicht aus,um den kredit für das haus zu tilgen. Während einer urlaubsreisemit seiner freundin nach lima wohnte er in einem hostel, und dortwurde die idee für die zukunft seines hauses geboren. Er würde auchein hostel gründen und mit den erlösen im stande sein, das haus zufinanzieren. Viel geld wollte und konnte er nicht reinstecken, aberals lagerist hatte er zugang zu paletten. Die möbel wurden verkauftund in jedes der zahlreichen zimmer mithilfe der palettenmehrstockbetten gebaut. Die dachterasse hat er mit freundenüberdacht. diese dient nun als aufenthaltsort für die gäste.
Imgrunde war das mit dem hostel eine gute idee, aber das haus verkam und verkommtweiterhin. Zwar gab es noch von den gästen den versuch, atmosphärein das „palettenager“ zu bringen – sie bemalten die wände undbrachten selbstgewebte tischdecken in den typisch knalligenperuanischen farben mit, aber das alles half nur bedingt.
Vincent hattezwar noch eine putzhilfe, die sich um die betten und die bäderkümmerte, mehr zeit konnte er ihr nicht geben, so dass die küchenin einem ziemlich schlimmen zustand waren und immer noch sind. dashaus ingesamt leidet sehr unter der behandlung.
Seine geschichteist noch nicht zu ende – vielleicht meint es das schicksal ja doch noch gut.
Ich bin froh, als ich das hostelverlassen kann.
während ich auf der überdachten dachterrasse frühstücke profitiere ich wenigstens nochvon dem grün und dem vogelgezwitscher.
Die entfernung nach tumbes – unweitvon der grenze entfernt – beträgt zwar nur 280 km, wird aber miteiner fahrzeit von über 6 stunden angegeben. Ganze 43 km/hdurchschnittsgeschwindigkeit sollen nur möglich sein. Berge undspitzkehren können es nicht sein, wir bleiben auf meerespiegelhöhe,was aber dann? Ich denke darüber nicht mehr weiter nach, sondernkämpfe mich durch das asphaltlose und holprige piura. Das chaostobt, aber das ist für peru nichts neues.
Ich habe mir festvorgenommen, mich nicht verdieseln zu lassen, sondern mit allenmitteln, die mir zur verfügung stehen, an und zwischen den autosvorbeizufahren. Ich habe mittlerweile routine und wenn denn mal einseitenkoffer ein auto „touchiert“, dann wird das von dem betroffenen nicht zurkenntnis genommen. Entweder weil draussen so ein krach ist, oder weildas auto – wie die meisten, die hier rumfahren – eigentlich aufden schrottplatz gehört. Zu beginn meiner touren durch perusinnenstädte habe ich mich noch erschrocken und wollte schon zuentschuldigungen ansetzen, doch ich fand keine beachtung. Hoffentlichgewöhne ich mich noch rechtzeitig wieder um.
Endlich komme ich auf die panamericanaund freue mich auf ein entspanntes fahren.
diese freudewährt nur 5km, denn das desaster findet seine fortsetzung. Sogarnoch eine stufe schlimmer. In piura waren es größtenteilsdurchgehend sehr holprige fahrbahnen, die gerne auch mit gefährlichtiefen schlaglöchern aufwarteten. Das war nicht schön, aber derautofahrer wusste, was ihn erwartet.
Die panamericana kommt da vielheimtückischer des weges. sie macht einen guten eindruck, derstraßenbelag hat eine gesunde und dunkle farbe, die tachonadelsteigt und damit auch die entspannung, der blick wendet sich von derstraße ab, will die landschaft bewundern, als PLÖTZLICH und ohnevorwarnung mehre schlaglöcher auftauchen und eine sofortigevollbremsung erforderlich machen. Denn diese sind nicht nur dazugemacht, die reifen und das fahrwerk zu zerstören, sondern auch denfahrer aus dem sattel zu heben.
Nach der schrecksekunde zeigt sich die fahrbahn wieder inbester verfassung, aber bei mir ist es mit dem vertrauen vorbei. Jaüber die nächsten drei stunden, die das dauert entwickelt sichsogar eine art paranoia, weil der kleinste schatten eines baumes oderpfahls beispielsweise bei mir horrorszenarien hervorruft und ichschon automatisch das tempo drossele oderf sogar bremse .und das die nächsten dreistunden. Mein genick brennt durch die angespannte sitzhaltung, diesonne brennt, aber meine motorradjacke will ich nicht ausziehen.Langsam scheint sich die lage zu bessern, und ich bewundere dieperuaner, die mit schubkarre, schaufel und wasser die schlaglöcherder straßenoberfläche angleichen wollen. Und wenn sie das nichttun, dann stehen sie an den gefahrenstellen, winken mit einem eimeroder was sie gerade zur hand haben und hoffen natürlich auf eintrinkgeld, wenn der fahrer ohnehin langsamer werden muss. Ich habemir vorgenommen, das auf der rückfahrt nachzuholen.
Wenn sich diepanamericana von ihrer guten seite zeigt, glänzen die kommunen mitihren buckeln. Geld, diese mit gelber warnfarbe anzupinseln istkeines da. Und da auch kein system zu erkennen ist, wann ich mitdiesen freunden zu rechnen habe und hinweisschilder eher nur seltenaufgestellt sind, sind diese noch zusätzlich eine große belastungfür reifen und fahrwerk. UND GEPÄCKTRÄGER!
Ein vorteil haben diese drei stundenschlaglocherahrung. ich lerne sie von ferne zu erkennen und wenn nötig rasante kurven zufahren.so mach ich mich fit für die transoceanica.
Zwischen den beiden ländern peruund ecuador und auch kolumbien scheint es keine oder nur sehr wenigehandesbeziehungen zu geben, sonst wäre die straße nicht in demmiserablen zustand. Später höre ich, dass das nicht immer so war. Schuld seiel nino, der anfang des jahres sein unwesen auch in piuragetrieben haben soll.
Und zwischen diesem staub und genervtenauto- und lkwfahrern wandern auf dem standstreifen gläubige einerfreikirche. Sie tragen einen violettfarbenden bis zu den schuhenreichenden umhang. ein großes und massives holzkreuz lehnt auf denschultern, das sie mittels eines rades am längeren ende hinter sich herrollen. Bei diesen temperaturen und straßenverhältnissen ein wahres opfer, das sie für ihren glauben bringen.
Meistens sind es junge männer, die ihre eigenen sachen ineinem kinderwagen vor sich herschieben. Ich habe sie immer wieder aufder panamericana - auch in chile – getroffen. In den städten undortschaften erhoffen sie sich dann spenden.
Der zustand der straße wird langsam besser, esgibt meine heimtückischen gegner zwar noch, aber ich umfahre sie großzügig, ich habe wiedereinen blick für die landschaft, mit dünensand überwehtegranitberge säumen die straße und dann sehe ich nach einer kurvemal wieder den tief blauen pazifik, dessen ende mit dem dunstigenhorizont verschwimmt.
mit blick auf die ca. 8 bis 9 stunden fahrzeit, bin ich an diesem tag schon seit halb 11 auf dem sattel undmerke, dass meine kondition abnimmt. Es ist mittlerweile schon 16:00uhr – pausen habe ich bis auf tanken keine gemacht, denn die 6,5stunden fahrzeit sitzen mir im nacken. Das genick und die fehlende, mindestens 30 cm dicke schaumstoffunterlage fürden sattel sorgen jetzt für pausen im stundenrhytmus.
die sich reduzierende km anzahl hat direkten einfluss auf meine motivation, diese tour möglichst schnell zuende zu bringen. Der verkehr wird wieder dichter, ich werde in meinem fahrstil immer rabiater, die peruaner machen platz und winken freundlich.
Ichkomme in tumbes, der grenzstadt zu ecuador an, und hier tobt das chaoswie noch nie. Arequipa war ein verkehrsübungsplatz dagegen. Ich habeeine hosteladresse, und als ich da bin stelle ich fest, der rollerpasst nicht in den hausflur. Es hat keinen zweck hier in dem getümmelweiter zu suchen zumal die sonne sich schon bedenklich in eintieferes rot verwandelt. Ich fahre zurück zur küste und landeschließlich kurz vor dem dunkelwerden in einer hotelanlage mit pool,tennisanlage, weitläufigen flächen zum sporteln und einem freienblick auf den vor sich hin säuselnden pazifik.
Wie immerum diese uhrzeit bin ich ausgehungert, und der sicherheitsmann weistauf ein restaurant gleich neben unseren grundstück. Da ist aberlive-musik und so laut, dass mich da nichts hinzieht. Gleich danebensehe ich ein schild, das zwar nicht auf leckere speisen hinweist,sondern auf gesunde produkte, aber ich gehe trotzdem hin und frage, ob es etwas zu essen gäbe. Diefrau mittleren alters winkt kategorisch ab, ich jammere rum undbekomme dann thunfisch und chips. Der thunfisch ist mit zwiebelnangereichert. Dazu eine cola und dann ist der hunger gestillt. Wirhaben einen schönen schnack.
Als ich dann wieder auf meinerterrasse sitze kommt ein peruanischer urlaubsarzt zu mir rüber undspricht mich auf englisch an. Ich erkläre ihm, dass ich nichtenglisch reden wolle, sondern hier in südamerika sei, um meinspanisch weiter zu verbessern. Er nickt verständnisvoll. Er habe dasin usa auch erlebt und ähnlich reagiert wie ich.
Ich schreibenoch ein wenig, vergesse, mich mit mückenschutz einzureiben undbekomme in der nacht die rechnung. Sie sind einfach überall.