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Salt Lake City - Ein Tag bei den Mormonen

Veröffentlicht: 02.09.2019

13.06. / Montag / Salt Lake City

Es ist recht bewölkt, aber knapp 20°C, als wir um 9.30h das Hotel zu Fuß verlassen. Wir gehen zum Temple Square, dem Gebäude-Komplex der Mormonen im Stadtzentrum. Dort stehen neben dem Beehive-House (dem Wohnhaus des Mormonen-Gründers), noch der Tempel, den man als Nicht-Mormone nicht betreten kann, das Tabernakel und ein 26stöckiges Büro-Gebäude sowie zwei Visitor Center und eine Mormonen-Kirche (spitzer Turm) sowie eine Versammlungshalle.

Zunächst sehen wir aber, dass eine Information, die wir in einer Broschüre gefunden haben, wirklich stimmt: Alle nicht beampelten Straßenüberquerungen bieten beiderseits des Zebrastreifens an den Lampenpfosten Köcher, in denen rote Wimpel stecken. Man soll diese als zusätzliche Sicherheit beim Überqueren der Straße um sich herumschwenken, damit einen Autos nicht übersehen. Wir machen uns natürlich einen Jux daraus, ein mich passierender Autofahrer lacht uns an oder aus. Die Leute sind hier ohnehin alle sehr freundlich. Selbst die, die einen an Ampeln über die Straße lassen oder beim Abbiegen nicht über die Straße lassen, lächeln uns freundlich an.




Heute ist ja nun Montag und der Verkehr ist nicht wirklich deutlich mehr als gestern. Die Stadt wird mir langsam suspekt. Alle Straßen sind sehr breit, anno dunnemals so gebaut, dass Pferdegespanne und Ochsenkarren problemlos wenden konnten.



Montag Morgen: Rush hour in Salt Lake City

Vor dem Temple Square sehen wir uns den schönen Garten des Beehive House an.


Der Mormonen-Komplex mit Beehive House (rechts), Office Building (Hochhaus), Kirche (links) und anderen Gebäuden des Temple Square

Der Gründer der Mormonen gilt als (erster) Prophet. Joseph Smith wurde 1844 umgebracht. Brigham Young, der als (zweiter) Prophet auf Smith folgte, hat im Beehive House und im daneben stehenden Lion House bis 1877 gelebt. Er führte seine Mitglieder in großer Zahl aus den den USA der 1840er Jahren hinaus. Denn die Rockies inkl. des heutigen Utah gehörten damals zu Mexiko. Die Gemeinschaft gründete Salt Lake City. Brigham propagierte Polygamie, die bisher nur im Geheimen und nur von den Kirchenführeren praktiziert worden war. Brigham ließ aber eine sog. "Offenbarung" in die Leitfäden von Smiths Buch "Lehre und Bündnisse" aufnehmen und rief damit seine Gemeinde und Gläubigen auf, mehrere Frauen zu haben. Der Streit über diese etwas seltsame Familienstruktur eskalierte, als Utah an die USA fiel und man Brigham zum Territorialgouverneur ernannte. Das, was man eigentlich mit der Auswanderung in die Rockies und nach Utah hatte bezwecken wollen, also die USA zu verlassen, hatte die Mormonen nun wieder eingeholt. Die letzten 30 Jahre seines Lebens und Wirkens hat Brigham die Mormonen angeführt und galt als Prophet und Kolonisator. Er hat selbst zahlreiche Ehefrauen gehabt. Die Vielfrauen-Ehe ist mittlerweile auch bei den meisten Mormonen nicht mehr üblich.

Auf dem Temple Square 



Wir steuern das Bürogebäude an, denn im 26. Stock gibt es eine Aussichtsplattform, die man aber nur in Begleitung einer Angestellten besuchen darf. Unsere Begleitung ist eine nette Mitt-Fünfzigerin, die wir freimütig über den Glauben und die Geschichte der Mormonen löchern. Natürlich werden wir nach unserem Glauben befragt und selbst unsere Aussage, dass wir keine praktizierenden Christen seien, ist für sie ok. Die Mormonen, so erfahren wir, glauben grundsätzlich an die Bibel, an Jesus Christus, aber auch an das Buch von Mormon. 


John Smith hat diese Leitschrift ab 1820 verfasst. Damals - er lebte in Manchester/New York - ist ihm ein Engel erschienen (namens Moroni). Diese Schrift besagt, dass Jesus nach der Wiederauferstehung zu den verbleibenden 11 Jüngern kam und ihnen verkündete, woran Mormonen als Lehre heute glauben und dass sie diese Lehre verbreiten sollen. Das macht die Mormonen zu sehr intensiven Missionaren. Wir kennen ja die Truppen junger Leute, meist Männer, die auch in Deutschland immer mal wieder in U-Bahnen oder auf der Straße auffallen, weil sie immer super-korrekt in Anzügen mit Krawatten und Namensschildern rumlaufen und Leute ansprechen. Hier laufen die missionierenden Mitglieder eher im Freizeitlook herum, sind immer mit Bibel unterm Arm und freundlichen Minen unterwegs.


John Smith, der schon erwähnte Gründer der Mormonen, propagierte, dass der Heilige Geist irgendwann auf die Erde zurückkehrt und zwar nach Amerika, um hier sein gelobtes Land zu errichten. Daher ist das Zentrum der Mormonen in den USA.

Die in Utah lebenden Mormonen bezeichnen sich als Rocky-Mountain Mormons – hört sich an wie eine Reitertruppe…sie sehen definitiv Joseph Smith als ihren geistigen Führer an. Es gibt Abspaltungen, die das wiederum nicht tun. Seit 1890 ist die Polygamie kein Bestandteil mehr des Glaubens und wird von den Rocky-Moutain-Mormonen abgelehnt. Andere Gruppierungen sehen das bis heute anders.

Weltweit hat die Hauptgruppe der Mormonen über 13 Millionen getaufte Mitglieder. In Kontinentaleuropa, Asien und Afrika zusammen finden sich nur rund 5% der Gläubigen. In Deutschland geht man von etwa 36.000 Mitgliedern aus.



Das Office Building mit der Aussichtsplattform in der 26. Etage

Unsere Begleiterin erzählt, dass junge Leute, die sich um die Sache der Kirche verdient gemacht haben, die Möglichkeit haben, für zwei Jahre zum Missionieren in die Welt geschickt zu werden. Dies kommt einer Auszeichnung gleich. Wohin die Jugendlichen kommen, entscheidet die Kirche. So kann es einfach ein anderer Bundesstaat in Amerika sein, oder eben wirkliches Ausland. Ihre zwei Söhne waren in Taiwan bzw. Spanien. Eine Vorbereitung von sechs Wochen in Salt Lake City reicht (Sprache, Gepflogenheiten etc.) und dann geht’s ab in die Fremde. Zweimal im Jahr darf man nur mit seinen Eltern/Kindern sprechen: Muttertag und Weihnachten. Ansonsten ist der Kontakt nur auf Briefe/E-Mails beschränkt, was schon hart für beide Seiten ist. Jungen werden mit 19 Jahren „verschickt“, Mädels erst mit 21. Sie sollen dann in den anderen Ländern missionieren. Da dies nur mit lokalen Sprachkenntnissen funktioniert, sind die Rückkehrer fließend in den Sprachen ihres Gastlandes. Der eine Sohn unserer Begleitung hat danach offenbar Bombenjobs bei internationalen Großbanken aufnehmen können, da er nun fließend Mandarin spricht und im Ostasien-Geschäft eingesetzt wird und viel in Asien unterwegs ist. Nun ist so ein Einsatz nicht kostenfrei, denn die Eltern müssen immer noch einen Großteil dieser zwei Jahre finanzieren. Früher mussten sie alles finanzieren, was dazu führte, dass solche Einsätze nicht möglich waren oder die Eltern in den Fast-Ruin trieben. Da die Kirche aber vitales Interesse an diesen Missions-Einsätzen hat, ist es zwischenzeitlich so, dass dies teilweise über Spenden der Kirche mitgetragen wird. Die Kirche selbst finanziert sich über „Spenden“ der Mitglieder, die 10% ihres Einkommens monatlich der Kirche geben. Die zwei Jahre verbringen die Kinder dann in angemieteten Apartments. Da sie selbst nichts verdienen können in der Zeit sind sie für zwei Jahre auf die 100%ige Unterstützung von Eltern und Kirche angewiesen, um ihren Lebensunterhalt in der Fremde zu bestreiten.

Der Tempel der Mormonen

Blick zum Capitol Hill



Der Blick vom 26. Stock ist toll und wir sehen den Temple Square von oben. Wir müssen uns in eine Besucher-Liste eintragen und dürfen ankreuzen, ob wir auch mal Besuch haben möchten. Wir lassen das offen und ich warte nun darauf, dass es bei mir klingelt. Wir kriegen eine kleine Karte mit, die uns die Grundsätze von John Smith auf deutsch auflistet und verlassen deutlich erleuchtet nach über einer Stunde das Office Building, um im John Smith Memorial Building nebenan, rasch etwas zu trinken. 


Kirchenlieder im Memorial Building

Das Gebäude hat Elemente eines alten Ballsaals. Wir sausen nach 20 Minuten wieder weiter, da im Tabernakel eigentlich um 14.00h ein Orgelkonzert sein soll.Die Orgel ist weltberühmt und mit 11.623 Orgelpfeifen und 147 Registern eine der größten der Welt. Sie wurde in ihrer ursprünglichen Form 1867 erstellt, durch Nachbesserungen etc. aber erst in den 1940er-Jahren auf die heutige Form und Größe gebracht. Kaum, dass wir im Tabernakel stehen und feststellen, dass das Orgelkonzert ausfällt, kleben auch schon zwei Mädels an uns dran, die uns ungefragt mit Wissen impfen. Dabei wird dann auch erzählt, dass dies die zweitgrößte Orgel der Welt sei und die größte in einem Kaufhaus in Philadelphia steht…Ich google das und stelle fest: Es stimmt sogar! In einem Macy’s Kaufhaus in Philadelphia steht sie im sieben Etagen hohen Innenhof und hat 28.500 Pfeifen. Es ist die sog. Wannamaker Grand Court Organ.

Jedenfalls hat der Dom St. Stephan in Passau schon über 17.000 Pfeifen und gilt als weltgrößte Kirchenorgel. Es gibt nun mal keine Rangfolge für Kaufhaus-Orgeln, damit dürfte die Philadelphia-Orgel die größte der Welt sein, aber eben keine Kirchenorgel. Die steht in Passau.

Zwischen allen Erklärungen über den Chor und die Akustik des Tabernakel, kommt urplötzlich die Frage: „Are you familiar with the bible?“ Ups..hüstel. Nun ja…Wir reden uns raus und verdrücken uns, bevor es noch enger wird. 

Orgel im Tabernakel / Temple Square

Draußen sind wunderschöne Blumenbeete, die wir fotografieren, nicht ohne gleich wieder von den nächsten Mädels gekrallt zu werden. Es hilft nur der Weg zur Toilette und ins Visitor Center.


Unsere "Schatten"...


Visitor Center mit dem Einsichts-Modell des Tempel

Da die Mormonen daran glauben, dass sie auf ewig zusammenbleiben und Ehen nicht bis zum Tod geschlossen werden, sondern für die Ewigkeit, sind für Mormonen Familien-Stammbäume total wichtig. So gibt es verschiedene Datenbanken, wie www.ancestry.org in denen Millionen Familienhistorien gespeichert sind, die in einem bombensicheren unterirdischen Bunker gelagert werden, damit auch die Nachwelt noch weiß, nach wem sie im Jenseits Ausschau halten soll. Hier im Visitor Center gibt es ein paar Computer, in denen man nach Familien-Namen suchen kann. Wir finden aber keine Leute, die uns bekannt erscheinen. Es hat sich noch keiner eingetragen.


Im Visitor Center

In diesem mit Jesus-Bildern dekorierten Visitor Center, in dem auch interaktive Bildschirme kleine Dokumentationen liefern, steht zudem vor einer bestimmt 20-30 Meter hohen Fensterfront zum Salt Lake Temple ein mehrere Meter hohes Querschnitt-Modell davon, das einem die einzelnen Räume zeigt. 

Das Modell des Tempel-Innern

Zudem gibt es einen interaktiven Bildschirm mit hörbaren Erklärungen zu den einzelnen Räumen und einem 360°-Panorama. Wir, als Nicht-Mormonen, können nicht in den Tempel, der mit seinen vier Türmchen Ähnlichkeit hat mit dem Cinderella-Schloss aus Disney World. Der Tempel wird nur für Taufen (mit 8 Jahren), Hochzeiten und Versammlungen der 12 Weisen (11 Jünger plus der Ober-Mormone) genutzt. Die Taufen erfolgen mit komplettem Untertauchen im Becken.


Draußen hat es angefangen zu nieseln und wir laufen zum Hotel zurück. Ich hab glücklicherweise meine „Plastik-Tüte“ aus dem Yellowstone-Park zum Überziehen dabei. Wir schnappen uns unser Auto am Hotel und fahren Richtung Nevada an den Salzsee. 



Ein Highway führt parallel zum Ufer, leider aber gibt es keine Straße, die dort direkt langführt und auf dem Highway kann man nicht stoppen. Wir sehen einige Salzförderstätten und dass das Wetter sehr sehr dunkel wird. 


Also drehen wir etwa nach 60 Meilen um, ohne die Salzwüste zu erreichen, die auf Fotos wirklich beeindruckend aussah. Zuletzt fahren wir doch nochmals vom Highway ab und finden einen Zugang zum See, der jedoch ziemlich verlandet aussieht. Es blitzt und donnert und fängt mächtig an zu stürmen, so dass wir uns in Richtung Salt Lake City verziehen.


Da es Downtown nicht einen Laden gab, den wir dort gesehen hätten, was wirklich ziemlich komisch ist, fahren wir in ein stadtnahes Einkaufszentrum unter nun wieder blauem Himmel. The Gateway wurde 2002 eröffnet, als hier die olympischen Winterspiele stattfanden. Möglich, dass damals alle Innenstadt-Geschäfte in die Grütze gingen. Die Innenstadt von Salt Lake City wirkt ohne jegliche Geschäfte ziemlich tot. Besonders abends. Es gibt wirklich nur Büro-Gebäude, Verwaltungen, ein paar Restaurants und möglicherweise hier und da mal einen Drug-Store oder einen kleinen Laden. Die Stadt ist bei näherem Hinsehen sehr untypisch für die USA und etwas sehr steril. Wir gehen kurz was essen und fahren dann nochmals hoch zum Capitol Hill, um dahinter von einer Anhöhe die Stadt im Abendlicht zu sehen und zu fotografieren. Die Häuser hier oben sind irre und auch bei den Mormonen gibt es wohl recht wohlhabende Leute. 60% der Bewohner von Salt Lake City sind Mormonen.





Wir stiefeln durch den Garten eines leerstehenden Hauses, in der Hoffnung, daß hier nicht der burglar alarm oder Flutlicht angeht. Das Haus ist noch teilweise möbliert und hat eine Traumlage. Wir kriegen super Bilder hin von der Stadt vor der Berg-Kulisse und vom Salzsee in der untergehenden Sonne.

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