Veröffentlicht: 24.03.2022
Der Tag fängt mit einem letzten Blick von meinem Balkon in Myrtle Beach noch verheißungsvoll an. Von dort mache ich noch zwei Bilde bei einigermaßen gutem Wetter - es sollen die zwei letzten für heute sein.
Nach circa 100 km Fahrt fängt es erst leicht, dann richtig an zu regnen. und will nicht mehr aufhören. Ich hatte ja bisher wirklich Glück mit dem Wetter, aber heute scheint mich das komplett verlassen zu haben. Und wie es an solchen Tagen üblich ist, klappt dann auch sonst nichts. Der Wildlife Park an meinem Ziel ist geschlossen, das Motel zwar sauber aber schmucklos und der Eisautomat spuckt kein Eis aus.
Also mache ich aus diesem etwas verlorenen Tag das Beste und anstatt morgen packe ich meinen großen Koffer heute. Wenn man sechs Wochen lang einfach alles reingeschmissen hat, dann braucht die Reorganisation doch einige Zeit. Und ich komme, da es trotz des Regens schwül ist, dabei ins Schwitzen.
Hardeeville, Der Ort in dem mein Motel liegt, steht der Schmucklosigkeit der Unterkunft in nichts nach. Heute ist einfach nicht mein Tag. Zum Glück habe ich mir heute Morgen beim Walmart in weiser Voraussicht was zu essen besorgt und muss nicht mehr raus. Ich hätte auch keine große Lust gehabt. Also gibt es einen Fernsehabend bei Caesars salad und Mac & Cheese. Und hoffen auf einen besseren morgigen Tag.
Der Regen hat nachts überhaupt nicht aufgehört. Selbst morgens um sieben schüttet es noch richtig. Meine Alligator tour die ich für heute Mittag gebucht habe kann ich ja wohl auch vergessen. Immerhin gibt es ein warmes Frühstück hier. Und nicht mal das schlechteste.
Bei leichtem Regen fahre ich los und siehe da, es klart auf. Glück gehabt. Nach Hilton Head sind es 45 Minuten und als ich dort ankomme hat es ganz aufgehört zu regnen. Ich freue mich schon sehr, und biege zum Treffpunkt ein, da erreicht mich eine E-Mail. Die Tour wurde abgesagt. Wegen des Wetters. Hallo? Es regnet nicht mal mehr. Naja, ich ärgere mich ein wenig aber kann man ja nicht ändern. Und dann nimmt der Tag Fahrt auf.
Während ich noch so grübele warum sie jetzt die Tour nicht machen, fahre ich an einem See vorbei und werde von einem Alligator angestarrt. Der schwimmt nur ein paar Meter vom Ufer entfernt seelenruhig an mir vorbei. Ich steige aus und versichere mich, dass ich schnell ins Auto zurück flüchten kann. Ein kleines Video und ein paar Bilder später Sitze ich wieder in Sicherheit. Es ist schon ein seltsames Gefühl, diese historischen Tiere in ihrem natürlichen Habitat zu sehen. irgendwie hat man den Eindruck dass der Bruder oder die Schwester hinter einem auftauchen und sich abgesprochen haben. So zwecks Ende der Nahrungskette.
Ich stelle das Auto ab und laufe ein wenig durch diesen schönen Park. Es ist zwar überall nass aber regnen tut es immer noch nicht. Bei meinem kleinen Spaziergang entdecke ich insgesamt weitere vier Alligatoren, die alle im Wasser treiben. Total bedächtig und geruhsam lassen Sie ihre Schwanzflosse hin und her gleiten, und machen den Eindruck, als ob sie vollkommen gelangweilt wären. Ein paar Enten schwimmen auf einem See. Ob die wohl wissen was da unter ihnen ist?
Trotz der Absage war das ein wirkliches Ereignis. Ich hatte nicht gedacht, dass man diese Tiere auch ohne Hilfe einer Tour erblicken kann. Ein Angler, den ich frage ob er nicht Angst hat dass ihn mal ein Reptil anfällt, meint, „ if you don’t mess with them they don’t mess with you.“ Immerhin klare Ansage. Wer will schon Stress mit einem Alligator.
Nach 2 Stunden habe ich genug gesehen und verlasse dieses schöne Fleckchen weit vor Ende der Tour. Das hat den Vorteil, dass ich bei 3 Stunden Fahrt in mein nächstes Hotel nicht so spät ankomme. Und pünktlich als ich losfahre geht der Regen auch schon wieder los. Vielleicht war die Absage doch richtig.
Auf dem Weg zu meinem Quartier fahre ich zum Teil über Land und genieße ein letztes Mal die Landschaft um mich herum im Bewusstsein, nicht zum Flughafen zu fahren. Es macht mich total wehmütig darüber nachzudenken, dass morgen alles zu Ende ist. Gestern hatte ich einen kurzen Moment während des Regens, als ich fast schon froh war. Das ist heute komplett vorbei. Trotz sechs Wochen Aufenthalt und der der Erkenntnis der Vermessenheit noch mehr zu wollen tue ich mir selber leid.
Um mich aufzuheitern fahre ich einen BBQ Laden mit drive thru an. Hier hat man aus der Not eine Tugend gemacht. Da der Laden nur einen kleinen Sitzraum hatte, und der wegen COVID geschlossen werden musste, hat man das Fenster zum Drive Thru umgebaut, sagt mir Nancy beim bestellen. Die Kunden haben es sehr gut angenommen und sie haben es jetzt so gelassen. Ich bestelle ein Shortrib Sandwich und einen Brunswick Stew, einen Eintopf mit Schweinefleisch.
Bei beiden Gerichten kann ich erkennen, warum den Kunden einen Sitzplatz nicht so wichtig ist. Warum kann es in Deutschland sowas nicht geben? Oder habe ich das noch nicht entdeckt? Aber ich wüsste keinen BBQ Laden in meiner Nähe.
Das Motel ist auch viel freundlicher als das letzte, mit Parken direkt vor der Tür, was am letzten Abend unglaublich bequem und praktisch ist. Dank des Kofferpackens gestern kann ich nun meinen letzten Abend ohne Stress genießen. Heim will ich aber immer noch nicht.