Veröffentlicht: 19.03.2022
Mein erster Blick aus dem Fenster heute Morgen gilt dem Wetter. Und es ist neblig. Sogar hier unten jetzt. Ein wenig bedaure ich das. Das bedeutet wohl, dass ich das letzte Drittel des Skyline Drive auch im Nebel fahren muss. Sogar meine Wetter App warnt vor einer geringen Sichtweite. Ich bleibe noch ein wenig liegen und denke, dass ich einfach nicht so früh losfahren muss. Im Nebel geht es ja Ruckzuck wenn man keine Aussichtspunkte ansteuert.
So trödele ich ziemlich rum und komme erst um 10 Uhr los. Ein wenig heller ist es inzwischen geworden. Ich fahre die 8 km wieder den Berg hoch, und steige an der Stelle ein wo ich gestern aufgehört habe. Und es ist strahlender Sonnenschein. Ich kann mein Glück kaum glauben. Es sind tatsächlich nur ein paar Wolken am Himmel und der Nebel ist weiter unten. Die ganzen 50 km fahre ich ständig raus und genieße die wahnsinnigen Ausblicke die mir dieser Weg bietet. Im Herbst wenn alles rot grün und gelb ist muss das noch eine ganz andere Welt sein.
Um 11:30 Uhr bin ich schließlich am Endpunkt angelangt und will nun ohne Pause an die Küste fahren. Dazu muss ich an Washington vorbei. Das könnte verkehrstechnisch ein wenig holprig werden. Ich habe noch kein Quartier gebucht und will abwarten welchen Fortschritt ich mache. Damit es schneller geht und auch weil die Strecke keine besonderen Anreize bietet, fahre ich nur interstate. Und um die Hauptstadt von den USA herum ist es wirklich voll ohne Ende. Trotz sechsspuriger Fahrbahn reiht sich ein Auto an das andere. Zudem wird noch gebaut wie die Weltmeister. Eine solche Baustelle habe ich in meinem Leben noch nie gesehen. Tausende von Arbeitern bauen an neuen Brücken und Zubringern.
Trotz dieser massiven Einschränkungen geht es relativ zügig voran. Der Verkehr stockt nur ein paarmal, ansonsten ist es zwar nicht besonders schnell aber durchgehend in Bewegung. Nach 2 Stunden komme ich an der Chespeake Bay Bridge an, die die ruralen Ostgebiete von Maryland mit dem urbanen Westen verbindet. Der monumentale Bau ist fast 7 km lang und ich habe so eine Überquerung noch nie in meinem Leben gemacht. Es ist schon faszinierend, was der Mensch technisch zu leisten vermag.
Als ich auf der anderen Seite ankomme scheint die Sonne immer noch und ich beschließe dass ich doch weiter fahren kann als ich dachte. Ich buche ein Quartier in Chincoteague, ca 2 Stunden Fahrt von hier entfernt. Ursprünglich wollte ich in Ocean City haltmachen, aber der Trubel dort sagt mir überhaupt nicht zu. Also nehme ich die halbe Stunde mehr in Kauf und fahre auf mäßig befahrenen Landstraßen ganz gemütlich an mein Ziel.
Der Ort ist klein und man merkt sofort, dass der Tourismus dieses Jahr noch nicht so wirklich zurückgekehrt ist. Viele Geschäfte sind auch geschlossen und auf den Straßen ist wenig los. Mein Inn hat ein großes geräumiges Zimmer mit allen Dingen die Standard sind. Lediglich dass man in den zweiten Stock laufen muss ist ein wenig umständlich. Aber richtig Mühe macht das mit einem kleinen Koffer natürlich nicht.
Ich bin so früh da, dass ich , nachdem ich mein Zimmer bezogen habe, auf die vorgelagerte Insel Assateague fahre, die man über eine Brücke erreicht. Dort befindet sich ein Strand, ein Leuchtturm und ein Wildlifereservat. Der Strand ist relativ unspektakulär, zudem ist es total neblig. Aber das Reservat ist faszinierend. Ich sehe unzählige Vögel und andere Tiere, unter anderem Fischreiher, wilde Truthähne und wilde Ponys. Ein Teich ist so voll mit Fischen, dass man mit der Hand welche fangen könnte. Ich stelle das Auto ab und laufe durch diese unberührte Natur. Eine Oase der Ruhe und Unberührtheit.
Abends frage ich Jennifer an der Rezeption, wo man dann gut essen könnte. Sie meint, dass es überall relativ gutes Seafood gebe. Aber wenn ich was richtig Gutes wollte, und das auch mag, dann empfiehlt sie mir Fried Chicken bei Marias. Ich überlege kurz und nehme dann Ihren Vorschlag an. Obwohl Google sich bei seiner Bewertung nicht überschlägt.
Marias ist klassischer alter US Stil. Noch ohne Fernseher, dafür aber mit Neonlicht und Booths und Tischen aus den Sechzigern. Die Bedienungen haben dem modischen Trend der letzten 20 Jahre auch getrotzt, aber Lisa, die für meinen Tisch zuständig ist, ist ausgesprochen nett. ich sage ihr, dass ich auf Empfehlung für ihr Hühnchen da bin, und sie nickt und meint, dass es die besten wären. Sie fragt mich was ich dazu will, und meint ich hätte zwei Sides frei, aber sie würde mir den Salat empfehlen. Ihre Salat Bar wäre total gut bestückt und sehr beliebt. Auch hier lasse ich mich auf den Ratschlag ein und werde nicht enttäuscht. Sie ist wirklich für amerikanische Verhältnisse mit vielfältigen Salaten, die nicht mit Mayonnaise angerührt sind, ausgestattet. Ich mache mir meinen Teller voll und bin sehr zufrieden.
Die Hühnchenteile übertreffen dann alles. Es ist nicht mal spektakulär oder besonders angerichtet, aber es ist ein unglaublicher Genuss zwischen knusprig und saftig. Ganz ehrlich, so gut zubereitete Stücke habe ich noch nie in meinem Leben gegessen. Da kannst du jeden KFC in der Pfeife rauchen. Ich packe natürlich nicht alles und lasse mir den Rest mitgeben. Lisa meint zum Schluss, dass sie hofft dass ich bald wiederkomme. Würde ich sehr gerne Lisa.