thegreatjourney
thegreatjourney
vakantio.de/thegreatjourney

Mwaswera bwanji? Ndaswera bwino kaya inu?

Veröffentlicht: 20.02.2017

Ich bin sehr froh, dass ich mir noch in Deutschland ein Buch gekauft habe, um die Landessprache zu lernen: Chichewa. Wie fast immer ist die Sprache der Schlüssel zu den Menschen. Und in Malawi ganz besonders. Schon ein paar kleine Wörter und Sätze reichen aus und die Patienten im Krankenhaus freuen sich unglaublich und ich kann Ängste und Vorbehalte abbauen. Aber auch bei den Angestellten des Krankenhauses kommt das super an, sie fühlen sich ein Stück weit geehrt, dass ein Azungu ihre Sprache lernt/spricht, und dass es überhaupt ein Buch in Deutsch über Chichewa gibt ist schon das erste Gesprächsthema. Wir lernen die Leute kennen und werden zweimal zum Essen eingeladen. Darüber freue ich mich sehr, denn ich finde es richtig interessant die „echte“ Kultur in Malawi kennenzulernen. Hierzu ein kurzer Vergleich, wie es im Haus bei uns Studenten aussieht: Wir haben zwei Betten und ein Regal in den Zimmern, in der Küche steht eine Spüle und ebenfalls ein Regal mit alten Töpfen drin sowie ein altes externes Kochfeld mit zwei Herdplatten. Sogar einen Kühlschrank gibt es. Alles ist etwas dreckig, verramscht, nicht luxuriös, aber man kann es trotzdem ganz gut aushalten. Ich habe ja auch keine großen Ansprüche.

Aber bei den Leuten hier war ich dann doch ziemlich überrascht: es gibt fast keine Möbel, keine Tische, kein Besteck, keine Regale, nur ein paar Stühle. Und eine große freie Fläche in der Mitte des „Wohnzimmers“. Das Essen läuft dann folgendermaßen ab: das Essen wird auf den Boden gestellt und es werden Teller gebracht. Dann läuft der Gastgeber im Kreis rum und wäscht den Gästen die Hände. Es gibt fast immer nur „Nsima“, das ist Wasser mit Maispulver und schmeckt nach gar nichts. Jeder bekommt eine große Kelle voll auf den Teller und dann kann man sich die Beilagen aufladen, also z.B. kleine getrocknete Fische in Soße, Tomaten, Bohnen, Ei, Okraschoten etc. Gegessen wird mit der rechten Hand, dazu wird eine Kugel Nsima geformt und dann ein Loch reingedrückt. Mit diesem „Löffel“ schaufelt man die Beilage auf und das Ganze dann in den Mund. Da die ganze Hand danach voll mit Essen ist geht der Gastgeber wieder rum zum Händewaschen. Zu trinken gibt es Wasser. Als Gastgeschenk wollten wir etwas Besonderes mitbringen und kauften 8 Flaschen Cola, das kam aber nicht gut an. Getrunken wurde nur aus Höflichkeit.

Zuerst hat mir das sehr leidgetan, aber ich glaube der Reichtum der Menschen steckt hier in den Beziehungen untereinander. Fast alles was die Menschen besitzen kann man direkt an der Straße kaufen, genauso wie der Alltag an der Straße abläuft: Friseur, Schneider etc. Aber das kümmert hier niemanden, so kommt es mir vor. Viel wichtiger ist es zusammen zu sitzen, zu reden und zu lachen und sich gegenseitig zu helfen. Damit sind sie wahrscheinlich glücklicher als viele Europäer und eines habe ich jetzt schon gemerkt – ich werde die Freundlichkeit der Leute hier vermissen, man grüßt sich und redet kurz wie es einem geht und was man tut, das ist irgendwie schön. Die meisten sind auch immer interessiert, denn Touristen gibt es zumindest hier in Phalombe so gut wie keine. Bisher haben wir nur einen Franzosen getroffen, der seit knapp zwei Jahren hier ist. Er war ganz aufgeregt andere Weiße zu sehen und hat sich gleich mit uns zu einem Treffen verabredet.

Dennoch birgt die einfache Lebensweise auch Gefahren, so besitzen sehr viele keine Herdplatte, gekocht wird also über dem offenen Feuer. Im Krankenhaus gibt es deshalb sehr viele Patienten mit zum Teil extrem großen und schweren Verbrennungen. Andere typische Probleme sind: Tuberkulose, HIV, Malaria, Mangelernährung (besonders bei Kindern), Lungenentzündung und der Klassiker: Abszess. Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache, wenn 1 Liter Eiter aus der Kieferhöhle abgelassen wird. Der Patient freut sich, plötzlich kann er wieder sprechen. So gibt es einiges was mich schwerer atmen lässt, sei es das zweijährige Kind mit AIDS im Endstadium und opportunistischer Tuberkulose, schwerste Pneumonien die den Patienten an den Rand der absoluten Erschöpfung treiben, Trümmerbrüche durch häusliche Gewalt, zahllose Infektionen und und und. Im Großen und Ganzen wissen die Clinical Officers aber ganz gut was tun ist, das Problem ist nur, dass alles unglaublich lang dauert. Die eine Hand weiß nicht was die andere tut, eine OP Indikation verläuft sich im Sand oder der Anästhesist geht essen. Eine Frau kommt und schnell ist klar, hier muss ein Notkaiserschnitt durchgeführt werden, es ist 7 Uhr. Um halb 11 ist es dann endlich soweit und das Kind hat tatsächlich überlebt, wir atmen auf und freuen uns, der Operateur wundert sich, er wusste nicht, dass es sich um einen Notfall handelt. Die Mutter ist psychisch am Ende, sie ist aber auch erst 15. Fast alle Mütter sind zwischen 14 und 20, die Älteren gebären wahrscheinlich als Erfahrene daheim. Gepflegt werden die Patientien von den „Guardians“, das sind Angehörigen. Das Pflegepersonal richtet eigentlich nur die Medikamente hin oder machen Verbandswechsel.

So vergehen hier die Tage doch recht schnell und ich muss oft schmunzeln was man hier jeden Tag so sieht, wie gearbeitet und gelebt wird: die meisten Leute müssen immer irgendwo hin, zu Fuß oder mit dem Fahrrad, mit riesigen Ladungen Holz, Kanistern, Ziegen usw. hinten drauf gespannt. Manchmal auch mit dem Moped, dann wird gern ein alter Bauhelm mit einem Schnürsenkel versehen und als Motorradhelm verwendet. Safety first. Neben uns wird ein Haus „ausgebaut“. Dazu werden halb zerbröselte Backsteine benutzt. Metermaß, Wasserwaage, Kreissäge oder was man sonst so brauchen könnte gibt es nicht oder wird nicht benutzt. Das Ergebnis sieht aus wie Frühstücksspeck, macht nix, das Wellblech ist ja auch krumm. Weiter unten im Krankenhausgelände stutzen vier Männer den Rasen, mit vorne umgebogenen Macheten hauen sie auf die Erde. Mit dieser Technik schaffen sie immerhin eine ca. 20x20m große Fläche. Die Sense hat hier anscheinend noch keiner erfunden und einen Stihl Vertrieb habe ich auch noch nicht gesehen. Aber andererseits haben auf diese Weise viele Menschen Arbeit bekommen. Das Geld können sie dann auf ihr Handy laden, das fungiert hier nicht nur als Guthaben zum Telefonieren, sondern auch als eine Art Bankkonto.

Nun ist die Hälfte der Zeit am Krankenhaus ist schon fast vorbei. Ich bin weiter gespannt auf die nächsten Wochen!

Antworten