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Salcombe und Plymouth

Veröffentlicht: 16.08.2019

Der Strom drückte uns langsam auf Legerwall - eine Steilküste mit vorgelagerten Felsen. Der achterliche Windhauch füllte kaum die Genua. Ich beschloss wieder einzukuppeln. Mit Standgas und einem fürchterlichen Geräusch an der Welle hatten wir sogar etwas Vortrieb. Langsam konnten wir uns aus der gefährlichen Legerwallsituation befreien. So tuckerten wir langsam gen Salcombe, ca. 4,5 Nautische Meilen entfernt. Dann kam sogar noch etwas Wind auf. Unser Schutzengel hatte uns nicht verlassen. Wir riefen Salcombe Harbour über Kanal 80 und schilderten unsere Notlage. Sie versprachen uns eine Schlepphilfe zu leisten, sobald wir über die Barre vor der Bucht seien - draußen auf hoher See ist die Coast Guard zuständig. Mittlerweile machten wir sogar fast 3 Knoten und tasteten uns durch die betonnte Einfahrt. Kurze Zeit später kam eine Barkasse mit zwei Männern von der Harbour Patrol, die uns Schlepphilfe gaben und uns an eine Mooringtonne brachten. Beim Aufstoppen an der Mooringtonne gab es ein lautes Geschepper und danach - nichts. Keine Propellerwirkung mehr - der Propeller, bzw. der Wellenschaft muss die Verbindung mit der Flexkupplung des Getriebes verloren haben. Marcus, einer der Männer aus der Barkasse, erkannte sofort das Malheur. War ich bis dato noch davon ausgegangen, dass ein Fischernetz, bzw. die Entfernung desselbigen uns aus unserer misslichen Lage befreien könne, so verflogen jetzt diese Illusionen. Es musste ein größeres Problem sein. Ich fragte Marcus, ob die SY aus dem Wasser gehoben werde könne. Ja, sagte er, es gäbe eine Möglichkeit die SY herauszuheben. Im Hafen gäbe es einen selbstfahrenden Lifter mit zwei Gurten, der bis zu 10 Tonnen heben könne. Da war ich ja schon mal froh, die Taishan zeigte bisher nie mehr als 10 to Gesamtgewicht. Aufgrund des aufkommenden schlechten Wetters mit Böen bis 8 Bft. können wir aber erst am Montag bei Hochwasser um 13 Uhr aus dem Wasser kommen. Ich stimmte dem Vorschlag zu, da ich Schlimmes befürchtete. Wir blieben also am Wochenende an der Mooring und fuhren mit dem Wassertaxi nach Salcombe, besichtigten das Haus von Otto Overbeck und vertrieben uns die Zeit. Die Bucht von Salcombe und auch der Ort ist wirklich grandios.

Am Montag war es dann soweit. Pünktlich kam Marcus mit einem etwas stabileren Mann, der sich als der Eigentümer der "Aufzugshilfe" herausstellte. Die Taishan wurde seitlich an die Barkasse gebunden und entlang des Mooringfeldes stromaufwärts verbracht. Kaum waren wir am Hafenbüro vorbei, verklemmte sich das Ruder. Das Steuern auf der Taishan erwies sich nun als unmöglich. Aber der Kran war in Sichtweite.

Das Zeitfenster war mit 3 h etwas kurz, da bei ablaufendem Wasser die Taishan auf die Seite kippen würde. Doch dann wurde der "Lifter" - ein selbstfahrender Kran mit 4 hydraulischen Stempeln und 2 Gurten unter die Taishan geführt.

Die Spannung stieg. Ich befürchtete einen Propellerschaden und einen Ruderschaden. Langsam wurde die Taishan  angehoben und das Unterwasserschiff kam aus dem Wasser. Der Propeller war mit einem Fischernetz umwickelt. Allerdings war die Welle mit dem Prop nach achtern verschoben und blockierte das Ruder! Bei dem Lankieler wird der Propeller in einem Propellertunnel geführt, der den Prop, so die gängige Meinung, vor Fischernetzen und freischwimmenden Leinen  schützen würde. Weit gefehlt. Das Fischernetz konnte relativ einfach entfernt werden. Gott sei Dank war weder der Propeller beschädigt noch das Ruder. Die nach hinten gerutschte Welle blockierte "nur" das Ruder. Welch ein Glück, dass die Welle sich erst beim Abschleppen nach hinten verschob. Nicht auszudenken, wenn uns dies auf Legerwall passiert wäre! Ein netter Engländer gab uns den Tipp, den über die Grenzen von Salcombe bekannten Mechaniker - Jamie - anzurufen. Der könne sich das Problem anschauen und in der Regel könne der alles zu einem akzeptablen Preis. Nach meinen Erfahrungen mit der WEST-Marina in Brighton überkam mich eine gewisse Skepsis. Doch Jamie, den wir sofort anriefen, versprach in 30 Minuten da zu sein. Und richtig, nach 30 Minuten fuhr ein weißer Lieferwagen mit zwei Männern auf das Gelände. Ein ca. 45 jähriger Mann, Jamie und ein junger Mann, Gorden (sein Lehrling) stiegen aus dem Wagen und kamen auf uns zu. Ohne große Worte erklommen wir über eine Leiter die Taishan. Jamie schaute sich den Schaden an und ging sofort ans Werk. Wir hatten wahnsinniges Glück, einen so kompetenten Mechaniker zu bekommen. Nach kurzer Rücksprache mit dem Chef des Shipyards konnte die Taishan in den Gurten gehängt bleiben, da eh keine Böcke zur Verfügung waren. Zudem war die Ebbe bereits im vollen Gang. 

Jamie und Gorden waren derweil damit beschäftigt den Wärmetauscher und weitere Teile am Motor zu entfernen, um sich zum Getriebe vorzuarbeiten. Es geht also auch so - ohne den Motor auszubauen wie bei WEST-Marine. Die Schadensdiagnose lautete: nichts ist kaputt, aber die Spacken, die in der WEST-Marine die Antriebswelle und die neue Flexkupplung eingebaut hatten, haben die Schrauben zur Fixierung der Antriebswelle nicht vernünftig angezogen. Somit hatte sich die Welle gelöst und ist nach achtern gerutscht. Bei einem Kurzkieler wäre diese Welle und der Propeller ganz rausgerutscht und auf den Grund des Meeresbodens gesunken.

Jamie und Gorden arbeiteten bis abends um 20 Uhr. Letztendlich wurden die Welle wieder nach vorne geschoben und die Schrauben fest angezogen. Unglaublich, wie gut die Arbeit von statten ging. Ich rechnete mit einem Preis von ca. 500 Pfund und - bezahlte die Hälfte, wobei ich noch ein anständiges Trinkgeld drauflegte. Die Nacht verbrachten wir dann in der "aufgehängten" Taishan, was eigentlich verboten ist - aber es gab keine freien Zimmer mehr in Salcombe. Am nächsten Tag sollte die Taisahn um 1530 Uhr (aufgrund des Hochwassers) ins Wasser gesetzt werden. Jamie wollte seine Arbeit final überprüfen und versprach, zur selben Zeit dazu zu kommen. 

Am nächsten Tag war es dann soweit. Als die Taishan angehoben werden sollte (sie war auf 2 Balken abgelassen) versagte die Lifthilfe. Die Lastwaage zeigte 12 Tonnen. Jetzt kommen wir hier nie mehr weg schoss es mir durch den Kopf. Aber die Engländer sind findig, sie schoben die hydraulischen Stützen zusammen, um den Anstellwinkel der Gurte zu verändern. Und tatsächlich, langsam wurde die Taishan von den Klötzen gehoben und der Lifter setzte sich in Bewegung und fuhr den Slip (betonierter Weg ins Wasser) hinunter. Jamie und ich enterten die SY und kontrollierten alles auf Dichtigkeit. Dann wurde der Motor angeworfen und der Vor- und Rückwärtsgang getestet. Alles ok. Wie froh waren wir alle. Wir bekamen Applaus von den Schaulustigen, die die Szenerie bevölkerten. Anette kam an Bord und wir legten ab. Obwohl schon 16 Uhr, wollte ich noch bis Plymouth fahren. Wir mussten allerdings die ganze Zeit unter Motor gegenan. Ein guter Test für die Maschine - was diese bestand. In Plymouth gingen wir in den Plymouth Yacht Haven mit sehr luxuriösen Bädern und Toiletten. Hier warten wir jetzt auf besseres Wetter - wobei der Wind immer nur aus Westen kommt. Doch morgen schwächt sich  der Wind etwas ab und wir werden versuchen nach Falmouth zu kommen, von wo wir dann die Biskaya Überquerung angehen werden. Evtl. schon am Montag



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