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15.1.2018: Einmal den Pannenservice, bitte...

Veröffentlicht: 21.01.2018

Da es gestern und die ganze Nacht nicht geregnet hat, versuche ich nochmal mein Glück mit der Rawhiti Cave und stiefel gleich in Wasserschuhen und mit kurzer Hose los. Verblüfft erreiche ich das komplett trocken liegende Flussbett, wo sich vorgestern noch ein reißender Strom seinen Weg entlang bahnte. Umso besser.

Nach dem Schuhwechsel beginnt der schwierige Teil, der sehr beschwerliche Aufstieg über rutschige Felsen und Baumwurzeln, auf denen weder meine Hiking Boots noch Wanderstöcke Halt finden und mich ein ums andere Mal innerlich zu lautem Fluchen veranlassen. Innerhalb von 10 Minuten bin ich schweißgebadet. Immer weiter kämpfe ich mich, teils stauchelnd, bergauf bis endlich der ersehnte Höhleneingang in Sicht kommt. Für den Anblick hat sich die Schinderei definitiv gelohnt.

Mitten im Nirgendwo befindet sich eine der wohl coolsten, kaum beworbenen und noch dazu frei zugänglichen Natursensationen der ganzen Südinsel. Der Höhleneingang zählt mit 40 m Breite und 20 m Höhe zu den größten in ganz Neuseeland. Die Decke zieren dutzende Stalaktiten, in deren Gemäuern sogar Vögel nisten. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Eine Treppe führt in die Höhle hinein zu einer Plattform. Auf dem Weg dorthin bleibe ich mitten im Schritt wie angewurzelt stehen. Mitten auf dem schmalen Pfad im Halbdunkel sitzt eine untertassengroße Spinne. Ich hatte von diesen Giganten gehört. Die Beine der Nelson Cave Spider erreichen eine Länge von 13-15 cm. Der Körper misst stolze 2,5 cm. An diesem Ungetüm traue ich mich beim besten Willen nicht vorbei. Da quält man sich eine dreiviertel Stunde nach oben und dann scheitert es an einem Achtbeiner. Der Weg ist zu schmal, um sie mit gebührendem Sicherheitsabstand zu umgehen und zu rutschig, um über sie hinwegzuspringen. Flugs google ich, ob die Spinne springen und beißen kann. Sie jagt bevorzugt die ohnehin schon riesigen Wetas, indem sie sich von der Höhlenwand auf sie fallen lässt. Ein Biss ist bekannt, der als schmerzhaft, aber ungefährlich gilt. Eine halbe Stunde ringe ich mit mir, gehe alle paar Minuten nachschauen, ob die Spinne noch dasitzt und getraue mich weder, sie mit einem Stock aus der Ferne anzustupsen, noch über sie hinwegzusteigen. Als ich gerade aufgeben will, kommt doch noch jemand, den ich beherzt anspreche. Wenn er unversehrt passiert, würde ich mich (wahrscheinlich/hoffentlich) ebenfalls trauen. Der Schweizer nähert sich und stellt fest: "Ich glaube, es ist keine Spinne." "Was ist es dann", frage ich erstaunt. Er nimmt ein Stück Holz und wirft es auf die Spinne, die sich nicht zuckt. "Ich denke, es ist eine als Spinne getarnte Baumwurzel." Kurzerhand kickt er das Objekt der Angst vom Weg und ich bin mehr als beschämt. Ich habe mich tatsächlich vor einer Wurzel gefürchtet - wie peinlich. Da nun der Weg zur Plattform frei ist, komme ich also doch noch in den Genuss. Ein bisschen mulmig ist mir schon, ob einer der riesigen Stalaktiten nicht abbrechen und auf meinem Kopf landen könnte; daher sollte man auch nicht länger als nötig in der Höhle "herumlungern". Nun habe ich schon allerhand Zeit verloren und spute mich rückzu auf den wenigen ebenen, nicht rutschigen Passagen.

Da heute das Wetter stimmt, lohnt es sich, an einigen Aussichtspunkten entlang des Takaka Hill zu halten. Einer davon ist der Harwoods Lookout, dessen Parkbucht gerade einmal Platz für drei Fahrzeuge bietet. Ein kurzer Spaziergang von einer Minute führt auf eine kleine Plattform, von wo aus man das Takaka Valley überblickt.

Zurück am Auto ist es dann soweit. Von Anbeginn schloss die Kofferraumklappe nur mit sanfter Gewalt, jetzt aber geht sie gar nicht mehr zu. Prima! Hilflos spreche ich ein Ehepaar an, die die gute Idee haben, die Klappe mithilfe eines Seils zuzuhalten und so zumindest bis in die nächste Werkstatt fahren zu können. Zum Glück hat mir Eric die Wäscheleine dagelassen, welche mir jetzt gute Dienste erweist. Ich fahre also weiter und ignoriere sorgsam die orange aufblitzende Kofferraumkontrollleuchte. Als ich den Abzweig meines eigentlich nächsten Ziels passiere, beschließe ich, meine Mietwagenfirma Apex hinsichtlich des weiteren Vorgehens anzurufen. Ich könne das Auto in Nelson tauschen, sagt man mir. Aber ich habe doch schon meine Unterkunft für die nächsten zwei Tage im 60 km entfernten Marahau gebucht und bezahlt. Vorsichtig frage ich, ob es stattdessen nicht möglich wäre, in die Werkstatt nach Motueka (das liegt zumindest auf dem Weg) zu fahren oder, besser noch, mir jemanden vom AA (New Zealand Automobile Association; Äquivalent zum ADAC) vorbeizuschicken. Die Dame bejaht und kurze Zeit später erhalte ich eine SMS, dass in 60 Minuten Hilfe eintrifft. Einer der wenigen sonnigen Tage und ich verbringe ihn wartend auf einem Parkplatz. In der Zwischenzeit unterhalte ich mich mit einem ebenfalls allein herumreisenden Amerikaner und kraule einen kleinen Welpen, der mit Herrchen gerade für eine Pinkelpause anhält und auf Kommando "laufen lassen" kann. Nach ziemlich genau einer Stunde biegt ein junger Mann in einem Pick-up auf den Parkplatz und hat die Kofferraumklappe flugs repariert. Juchhu, ich kann weiterfahren und muss nicht in die Werkstatt.

Nach einer Unterschrift und einem nochmaligen Dankeschön statte ich dann auch dem Hawkes Lookout, auf dessen Parkplatz ich seit geraumer Zeit ausharre, einen Besuch ab. Auf dem Weg zur Besucherplattform bespaßt ein unmittelbar am Weg die Erde umgrabendes und sich am Baum schubbelndes Schwein die Ausflügler, welches sich so gar nicht von den Leuten gestört zu fühlen scheint.

Nach kurzer Überlegung steht fest, dass ich mein ursprüngliches Tagesprogramm trotz vorgerückter Stunde durchziehen will. Das Harwoods Hole hatte ich eigentlich von meiner Liste gestrichen, da die Anfahrt als mühsam gilt und die Aussicht kaum lohnenswert ist, aber ich musste sowieso schon auf einiges verzichten, da kann ich wenigstens das Harwoods Hole "mitnehmen". Auf der 12 km langen Schotterpiste komme ich ganz schön ins Schwitzen. Das Warnschild hat nicht gelogen. Die Straße ist so eng, dass sich ein aneinander Vorbeifahren zur echten Herausforderung entpuppt. Auf dem Hinweg habe ich Glück und treffe genau an drei breiteren Stellen auf Gegenverkehr. Rechts blickt man in einen gähnenden Abgrund - wie aufmunternd. Genau die Art Straße, die ich so gar nicht ausstehen kann: geschottert, übersät mit Schlaglöchern und großen Steinen, ungesichert, stellenweise steil und eng. So ziehen sich 12 km bei 20-30 km/h und ich bin froh, nach einer halben Stunde den überraschend gut gefüllten Parkplatz zu erreichen.

Nachdem ich den Einstieg ausfindig gemacht habe, laufe ich zügigen Schrittes durch den Wald bis es 15 Minuten vorm Ziel nochmal sehr steinig und glatt wird. Große und kleine Felsen gilt es zu überwinden, bis das zu meiner rechten auftauchende Warnschild das Ziel in unmittelbarer Nähe erahnen lässt. Es gibt keine Sicherheitsbarrieren, doch auch wenn die Versuchung groß ist, zu nah sollte man sich nicht an den 50 m breiten Abgrund wagen. Etwa 180 m geht es von hier aus ungebremst in die Tiefe. Die Höhle ist insgesamt 357 m tief und 70 m breit. Und wieder gilt es beim nächsten Mal "Der Hobbit" schauen genau aufzupassen. Ihr ahnt es sicherlich schon: wieder eine Filmlocation.

Auf dem Rückweg lohnt der Abstecher zum Gorge Creek Lookout, wenn auch er nochmal viel Puste erfordert. Über spitzes Karstgestein, was definitiv festes Schuhwerk erfordert, gelangt man an einen weiteren ungesicherten Aussichtspunkt, der bei starkem Wind absolute Vorsicht erfordert. Die Aussicht über das Takaka Valley und Gorge Creek ist dafür phänomenal. Hach, wenn mir nur nicht die Zeit im Nacken säße. Ich hasse es zu hetzen.

Mehr als froh, zurück am Highway wieder Asphalt unter den Rädern zu haben, fahre ich noch einmal zum Riwaka Resurgence, um zu überprüfen, ob der als kobaltblau ausgeschriebene Pool bei wolkenlosem Himmel von intensiverer Farbe ist als beim ersten Besuch, doch dem ist nicht so. Naja, einen Versuch war es wert. Vielleicht interpretiere ich kobaltblau auch einfach falsch. 

Um 19:30 Uhr, zwei Stunden später als geplant, erreiche ich meine Unterkunft für die nächsten zwei Nächte in Marahau. Wohlfühlen sieht anders aus, was vorrangig an der schieren Größe liegt. Beim Check-in bekommt man einen Übersichtsplan, auf dem die Hütten, Duschen, Küchen, usw. eingezeichnet sind. Die Hütten sind sauber und die Matratzen saubequem, aber jedem Tag kippen zwei volle Busse des Unternehmens "Stray" massenhaft junge Leute aus, die die Küchen und Bäder bevölkern und leider nicht selten einen Saustall hinterlassen. Gerade einmal 4 Kochfelder stehen in einer Küche zur Verfügung, dafür immerhin genug Kühlschränke. Kochen macht keinen Spaß, wenn man sich ständig auf die Füße tritt, aber der Tag ist ja zum Glück so gut wie rum und nach dem Abendessen und einer wechselwarmen Dusche flüchte ich in mein Zimmer. 

Antworten (1)

Matthias
Bei dem Harwoods Lookout könnte man meinen du bist in Deutschland unterwegs 😀

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