Hochwasser - FKK und ein Einzelzimmer

Regen. Die ganze Nacht hören wir ihn draußen, mal ruhig, mal wild, aber er ist da. Immer.

Heute gibt es Frühstück im Bett. Eine coole Idee unserer Unterkunft. Offizielles Frühstück erst ab 10 Uhr, doch wer schon früher los will, kann sich eine Tüte Frühstück an die Zimmertür liefern lassen.

Um 10 müssen wir das Zimmer räumen, es scheint, als habe der Regen nachgelassen. In Wirklichkeit will er uns nur richtig rauslocken, weg von Dach und Unterstand um dann wieder zu zeigen, wer der Chef ist!

Wir versuchen, einfach nicht an den Regen zu denken und genießen die schöne Strecke, abwechslungsreiche Wege, mal direkt entlang der Donau, mal durch Biotope, teilweise stehen uralte riesige Bäume am Weg. Birken, so alt, so mächtig, wie wir sie noch nie gesehen haben. Fotografieren ist uns bei dem Sauwetter zu blöd. Müssen wir die Eindrücke in Worten und Gedanken speichern. Es regnet in Strömen.

Heute sind wir Fahrradfahrer eine sehr solidarische Gruppe- das schwere Schicksal lässt uns näher zusammen rücken. Heute grüßt jeder jeden mal mit verzweifeltem Lächeln, mal mit aufmunterndem Lächeln oder mit gegenseitigem Mitleid.

Kurz vor Wien, eine Gruppe von einigen Radlern fährt seit ein paar Minuten direkt vor uns, Vollbremsung. Ein Gatter quer über den Weg. Schild: „wegen Hochwasser gesperrt“.

Da stehen wir nun gemeinsam blöd davor und wissen nicht, wie wir die Sache angehen könnten.

Eine nette Passantin erzählt uns, dass da schon einige einfach durchgefahren seien. Keiner kam zurück. Das lässt nun 2 mögliche Interpretationen zu: entweder ertrunken oder gut nach Wien durchgekommen. Wir gehen auf Nummer sicher, machen den anderen Radlern Mut und fahren HINTER ihnen.

Die Donau ist zwar voll und das Wasser reicht teilweise bis an unsere Fahrbahn hin, aber noch ist nichts überschwemmt. Als wir uns wieder in Sicherheit wiegen, überholen wir wieder. Immer wieder schön, die Kommentare beim Überholen zu hören „lass die mit den eBikes vorbei“. Ach ja, was soll ich sagen, mit dem schweren eBike fast 30 km/h zu fahren ist anstrengend, weil es ja nur bis 25 km/h unterstützt. Daher hab ich leider keine Energie mehr, das jemandem zu erklären.

Wir haben die Route so gewählt, dass wir Wien über die Donauinsel erreichen. Die Donauinsel wurde künstlich errichtet und ist das Naherholungsgebiet der Wiener. Als die Markierung „FKK“ auftaucht, denken wir kurz darüber nach, uns die Kleider vom Leib zu reißen, da die Regenhose jedoch so nass ist, dass sie fest am Bein klebt, lassen wir sie einfach an und keiner beschwert sich darüber.

Sehr schön. Hier hört jetzt endlich auch der Regen auf, was irgendwie egal ist, wenn du eh schon nass bist. Wenigstens ist es nicht kalt, je näher wir der Stadt kommen, desto wärmer ist es.

Wir radeln also durch das trockene Wien Richtung Zentrum und freuen uns auf: nasse Kleider aus, Hintern runter vom Sattel und Gulaschsuppe für hungrige Mägen.

Angekommen. Wir sind Mitten in Wien. Obwohl das fahren mit dem Rad in der Fußgängerzone erlaubt ist, schieben wir unsere Räder weiter Richtung „Graben“ einer Flaniermeile im Zentrum, nahe dem Staphansdom. Der Hintern dankt es uns und es ist weniger anstrengend die Menschen zu umkurven. Auf der Suche nach einem Caféhaus, das unsere Grundbedürfnisse stillt. Vorbei an schmucken Geschäften. Alle Weltmarken haben auch hier in Wien Ihre Dependance. Die Menschen denen wir begegnen wirken geschäftig, selbst beim Businesslunch in den Außenbereichen der vornehmen Restaurants ist der überwiegende Teil stets am Handy. Es wird sehr viel Wert auf Äußeres gelegt und die Kleidung, aber auch die Accessoires scheinen extrem wichtig. Der Flair einer Weltstadt eben. Dazwischen Touristen, Leute in Eile und auch einige Radtouristen wie wir. Endlich, wir erspähen in einer Seitenstraße ein Café, es ist relativ voll und sieht vertrauenserweckend aus. Ein passender Laternenmasten ist auch gegenüber, der unsere vollbepackten Drahtesel sicher abstützt. Wir finden einen freien Tisch mit Blick auf unser Gepäck. Der Kellner antwortet auf die Frage nach einer Karte, mit Wiener Schmäh: „Ich bin die Karte“ und beginnt ohne Pause und Luft zu holen aufzuzählen was es alles bei Ihnen gibt. Wiener Melange, Gulaschsuppe und ein Mineralwasser wird direkt bestellt. Spitze alles kommt und wir können den befürchteten Hungertod knapp aber sicher abwenden. Jetzt ins Hotel - 5 Minuten zu Fuß und als wir die letzte Kurve nehmen, sehen wir Schilder „Achtung Filmaufnahmen“. Nochmal alles zurechtgezupft, damit alles sitzt, denn wenn wir jetzt als Komparsen Teil des Filmes werden und später auf der großen Leinwand zu sehen sind, soll alles passen. Auch in unserem Hoteleingang macht sich die Filmcrew zu schaffen. OK, wir haben keinen Schauspieler gesehen, nicht mal ne Kamera, in unserem Hotelflur wurden lediglich die Akkus für irgendwas geladen und der Tonmann lief aufgeregt mit seinem Mikro über die Straße. Schade, da haben die Leute was versäumt, denn wir waren bereit. Die letzte Herausforderung war es noch die Räder einzeln und Hochkant in den Aufzug zu schaffen. Da das Hotel keine andere Abstellmöglichkeit hat bekommen unsere Räder ein Einzelzimmer! So nobel haben die 2 Bikes noch nie genächtigt. Ein wunderbares Abendessen in einem kleinen Lokal mit französischem Konzept und ein toller Riesling runden unseren Tag am Abend ab.