Salam ya Amman
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Semesterstart

Veröffentlicht: 30.09.2019

Samstag + Sonntag, 28. + 29. September

6:30 am. Heute ist der Tag der Verabschiedung. Die Summer School endet offiziell, und alle, die nicht zum Semester in Amman bleiben, treten jetzt wieder die Heimreise an. Nachdem wir zunächst Amaka, Sarina und Pepa in den Shuttle-Bus zum Flughafen verabschieden, steht nun auch der Abschied von Rania und Noor an. Besonders mit Rania habe ich viele Stunden verbracht und viel von ihr gelernt und hoffe sehr, dass wir uns irgendwann wiedersehen. Sie wäre auf jeden Fall ein guter Grund, um in nächster Zukunft mal in den Libanon zu reisen. Alle, die jetzt abreisen, werden uns jedoch fehlen. Wir sind in den letzten Tagen als Gruppe wirklich zusammengewachsen.

Schließlich verlassen uns auch unsere Auslandssemester-Kolleg*innen: Markus, Jesús und Sophia fahren heute schon nach Amman und ziehen in ihre Wohnungen, während Rebecca und ich noch eine Nacht in Madaba bleiben. Wir können erst Mitte Oktober in unsere Wohnung einziehen, und müssen uns bis dahin woanders die Zeit vertreiben. Das Hotel hier in Madaba ist ein guter Ort, um nach den stressigen letzten Wochen nun ein bisschen abzuspannen. Wir verbringen den ganzen Tag am Pool, Rebecca schreibt einen Reisebericht für ihre Lieben zu Hause, ich muss noch die Reflexionsberichte für die Uni fertigmachen. Um 23:59 Uhr habe ich es geschafft und die Berichte per Mail verschickt. Punktlandung.

7:00 am. Zum letzten Mal gehe ich eine Runde schwimmen, danach zum letzten Mal unser gewohntes und geliebtes Frühstück im Hotel. Wir packen dann unsere restlichen Sachen zusammen und sitzen mit Sack und Pack um 8:40 Uhr in einem bestellten Taxi Richtung GJU Madaba. Dort findet heute morgen die erste von einigen Semester-Begrüßungs-Veranstaltungen statt. Unser Taxifahrer darf mit seinem Auto nicht auf den Campus fahren, weshalb wir davor aussteigen und mit unseren großen Rucksäcken den Weg zu Gebäude C finden müssen. Vollbeladen fühlen wir uns ein bisschen, als würden wir hier auf dem Campus einziehen, und das denken sich wohl auch alle anderen Studierenden, die jetzt schon zahlreich hier auf dem Campus herumwuseln und uns mit neugierigen Blicken beäugen.

Im großen Vorlesungssaal sitzen wir kurz darauf nun mit allen Studierenden zusammen, die von diversen deutschen Partneruniversitäten zum Auslandssemester hier sind, etwa 60 insgesamt, aus unterschiedlichsten Studiengangsrichtungen. Wir vermuten schon, dass unser Kurs am Ende hauptsächlich von internationals besetzt sein wird. Unserem Gepäck sei Dank, werden wir nun sogar in der ersten Rede eines GJU-Vertreters erwähnt, der mit Blick auf uns sagt, dass einige von uns heute erst in Jordanien angekommen seien, wie er gesehen habe. Man sollte nie vorschnell urteilen, denke ich mir nur in diesem Moment. 

Als nächstes spricht die Leiterin des "GJU Office of Industrial Links". Ja, das gibt es wirklich. Stolz erzählt sie uns, dass die GJU so viele Verbindungen zur Wirtschaft unterhält, wie sonst keine andere Universität im Nahen Osten. Wie schon einmal in den letzten Tagen frage ich mich, warum die Verbindung von Universität und Industrie hier als etwas Positives gesehen wird. Nach ihr spricht dann noch ein anderer Professor der GJU, der uns Infos zu touristischen Orten in Jordanien gibt und Hotels am Toten Meer anpreist, in denen man für 100 Dinar pro Nacht nächtigen kann. Bis zum Gruppenbild am Ende der Veranstaltung, auf dem wir mit allen anderen uns fremden Studierenden fotografiert werden, von denen wir die meisten wohl nie wieder sehen werden, wirkt wirklich alles an dieser Veranstaltung skurril.

Nach Kaffee- und Falafel-Pause nimmt uns nun Rakan in seine Obhut, ein Mitarbeiter der GJU, der sich nun um mit uns um unsere Registrierung und Einschreibung kümmert. Nachdem wir unseren Semester-Beitrag in einer großen Bank bezahlt haben, die sich hier mitten auf dem Campus befindet, registrieren wir uns als nächstes für die Arabisch-Kurse. Ich entscheide mich als Einzige dafür, sowohl den Kurs mit Jordan Colloquial Dialekt, als auch den Hocharabisch-Kurs zu besuchen. Ich will wirklich alles mitnehmen, was geht.

Nach etwa zwei Stunden hin und her auf dem Campus sind wir fertig, und holen unser Gepäck aus Rakans Raum ab. Uns ist davor schon aufgefallen, dass man seine Bürotür von innen nur öffnen kann, wenn man gleichzeitig einen Knopf an der Wand presst, und auch von außen muss man einen Sicherheitscode eingeben, damit sich die Tür öffnet. Ich frage ihn, warum die Büros hier denen in einem Hochsicherheitstrakt ähneln und bin ein wenig überrascht, als er mir sagt, dass man den vielen fremden Leuten, die hier jeden Tag auf dem Campus ein- und ausgehen, eben nicht trauen kann. „Ali Baba“, raunt mir Jesús ins Ohr. Unser Gepäck ist auf jeden Fall noch da und wir lassen uns von Rakan jetzt erklären, mit welchem Bus wir von hier nach Amman kommen. Die öffentlichen Busse sind hier die günstigste Fortbewegungsmöglichkeit, können jedoch ein wenig tricky sein, wenn man kein arabisch spricht und nicht genau weiß, welcher Bus an welchen Ort fährt. Wir lassen uns von Rakan die Linien auf arabisch aufschreiben und versuchen am Straßenrand vor der GJU stehend dann unser Glück. Und es funktioniert unkomplizierter, als gedacht: für nur einen Dinar, also etwa 1,20€, sitzen wir kurz darauf in einem klapprigen Bus, mit dem wir nun die 35 km bis nach Amman fahren.

Dort angekommen nehmen Rebecca und ich ein uber-Taxi zu unserem Hotel. Gefangen in Ammans Verkehr brauchen wir für die eigentlich nur paar-minütige Strecke eine ganze Stunde und stehen dann vor einem großen, grauen Gebäude auf einer Verkehrsinsel mitten in Downtown: das Jordan-Tower Hotel, in dem wir uns zunächst einmal für 5 Nächte eingebucht haben. Die Gegend hier kommt mir bekannt vor. Dunkel erinnere ich mich daran, dass wir hier mit Adib vorbeigefahren sind, als er uns gesagt hat, dass wir in dieser Gegend besser nicht nach Wohnungen suchen sollen. Naja. Es ist ja nur für eine absehbare Zeit.

Das Hotel wirkt menschenleer, bis auf den Rezeptionist, der uns jetzt den Zimmerschlüssel überreicht. Unser Zimmer ist spartanisch eingerichtet: zwei Betten und ein Schrank, Gemeinschaftsbad auf dem Flur. Wir werden die nächsten Tage ohnehin nicht viel Zeit hier verbringen und müssen jetzt auch direkt wieder los, zu einer nächsten Einführungsveranstaltung auf dem GJU Campus in Amman. Mit Blick auf den Verkehr beschließen wir, die eineinhalb Kilometer zu Fuß mithilfe von Google Maps zu gehen, was eine gute Entscheidung war: als wir in eine kleine Seitenstraße einbiegen, stehen wir auf einmal mitten in einem Markt. Es riecht nach Fisch, Gewürzen und frischen Kräutern. Meine Augen können sich gar nicht sattsehen an dem farbenfrohen Gemüse und Obst, das hier verkauft wird. Das muss einer der Märkte sein, auf denen man die günstigsten und besten Lebensmittel kaufen kann, wie mir Hannah am Anfang der Summer School einmal erzählt hat. Wir sind leider in Eile und rauschen durch Verkaufsstände und Menschengewusel hindurch. Wir werden hier die nächsten Tage sicherlich noch einmal vorbeikommen.

Etwa 20 Minuten zu spät kommen wir zur nächsten Einführungsveranstaltung. Diese ist nun ausschließlich für unseren Social Work Kurs, der aus etwa 25 Leuten besteht. Das Verhältnis von jordanischen zu ausländischen Studierenden: eine Jordanierin. Der Rest von außerhalb. Ich bin froh, dass wir durch die Summer School schon andere Kontakte geknüpft haben, und somit nicht nur in einer Auslandssemester-Blase stecken. Nach ein paar organisatorischen Details geht es dann um 17 Uhr auch schon zu unserer ersten Vorlesung: Mental Health.

Unsere Dozentin, eine Jordanierin, die perfektes Englisch spricht, macht direkt einen guten Eindruck. Wir stellen uns der Reihe nach vor und sie nimmt sich für alle von uns Zeit, um mehr über unsere Erfahrungen und Beweggründe für das Studium zu erfahren. Ihre Art erinnert mich an Hannah, was nach den Ereignissen der letzten Tage unheimlich wohltuend ist. Ein paar ihrer Sätze prägen sich direkt in mein Bewusstsein sein. „We are emotional beings and we are emotionally engaged.“, und “Our minds are very powerful but can also be very stupid.” Ich habe das Gefühl, wieder in einer menschlichen Welt angekommen zu sein. Unsere erste Schnupper-Vorlesung wird nur einmal unterbrochen, als ein Militärflugzeug mit tosender Lautstärke gefühlt direkt über der GJU vorbeifliegt. Unsere Dozentin schüttelt den Kopf. Sie könne es nicht verstehen, wie so etwas in einem Land sein könne, in dem hunderttausende von Menschen mit Traumata leben, die unter anderem durch eben solche Geräusche verursacht wurden.

Wir haben das Pflichtprogramm für heute geschafft und kommen nun noch zu einem kleinen Gathering auf der Uni-Terrasse zusammen, wo schon ein paar Studierende aus den letzten Jahrgängen auf uns warten. Unter anderem auch Adib, Mahmoud, Bara’a und Bushra. Es ist schön, wieder mit ihnen Zeit zu verbringen (auch wenn wir uns im Grunde genommen nur 2 Tage nicht gesehen haben), und ich freue mich sehr auf die nächste Zeit in Amman. Adib und Mahmoud bringen uns dann im Auto zurück in unser Hotel. Nach 10 Uhr, wenn die Geschäfte hier in Downtown langsam schließen, nicht mehr auf den Straßen aufhalten. Das ist ihre Empfehlung. Rebecca und ich genießen noch ein wenig die Aussicht der Hotel-Dachterrasse und das rege Treiben, das immer noch auf den Straßen herrscht, und fallen später müde in unsere Betten.


Ich habe die Vokabeln in der letzten Zeit mal wieder ein wenig vernachlässigt...

Echo- صدى

Insel- جزيرة

Fee- حوريَة

Esszimmer- سفرة

Turm- بُرج

Gast- ضيف

Muskelkater- العضلا

frei- طليق

Ferien- عطلة

Guten Appetit- صحة وهنا

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