Salam ya Amman
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Iraq Al-Amir, die Zweite

Veröffentlicht: 10.11.2019

Samstag, 9. November

7:30 am. Heute Morgen gehe ich wieder joggen und mache mich dann nach Dusche und Frühstück auf den Weg zum 3rd Circle. Rudaina holt uns dort heute früh für einen kleinen Ausflug ab. „Uns“, das sind Sophia, Clara und ich. Wir sind zusammen in einer Gruppe für eines unserer Seminare, für das wir ein Projekt in einer Organisation planen müssen. Wir haben bei unserem Treffen letzte Woche die Idee besprochen, mit einer Gruppe junger Mädels bei Tarabot einen Töpferkurs zu machen. Sophia und ich haben uns dabei an die Iraq Al-Amir Women’s Cooperation erinnert, bei der wir während der Summer School zu Besuch waren. Es ist die Initiative, die in der Nähe von Amman Frauen aus der Region beschäftigt, die dort nach alter Tradition Papier, Textilien und Gegenstände aus Ton herstellen. Sie bieten auch Workshops an und wir haben heute dort einen Termin vereinbart, um abschätzen zu können, was bei Tarabot realisierbar ist.

Zum Glück hat Rudaina ein Auto – falls hier an den etwas abgelegenen Ort in dem wunderschönen bergigen Gebiet außerhalb Ammans ein öffentlicher Bus hinfährt, ist das sicherlich mit einem mittelgroßen zeitlichen Aufwand verbunden. Mit Rudaina als sicherer Taxifahrerin erreichen wir das Gelände der Cooperation jedoch problemlos, und ich habe ein kleines Flashback aus der Summer School: alles sieht noch genau so wundervoll und idyllisch aus wie vor ein paar Wochen, als wir zum ersten Mal hier waren. Ich erkenne Yisra, die Frau, mit der Rudaina den Termin vereinbart hat, und die uns damals schon alles erklärt hat. Sie spricht kaum englisch, aber glücklicherweise haben wir mit Rudaina als Jordanierin eine perfekte Übersetzerin in unserer Gruppe. 

Yisra arbeitet schon seit 1996 hier bei Iraq Al-Amir und kann uns alle Töpfer-Handschritte anschaulich erklären. Die meisten der Schalen und Tassen, die hier zum Verkauf angeboten werden, sind mit der Töpferscheibe hergestellt, was zumindest für heute noch zu viel für uns ist. Wir können jedoch auch ohne Töpferscheibe ein paar hübsche Dinge herstellen und sind uns sicher, dass die Mädels bei Tarabot auch viel Spaß dabei hätten.

Nachdem wir uns an ein paar Schlüsselanhängern und Schalen ausprobiert haben, machen wir dann noch einen kleinen Selbsttest. Nach Inspiration von einem Workshop zum Thema „Body-centered social work“, den wir letzte Woche in einem unserer Seminare in der Uni hatten, wollen wir in das Töpfern noch ein wenig Tiefgang bringen. Wir würden den Mädels gerne den Auftrag geben, mit verbunden Augen eine Tonskulptur herzustellen, die ausdrückt, wie sie sich in ihrem Körper fühlen. Um auch selbst diese Erfahrung zu machen, binden wir uns nun also alle einen Schal um die Augen, nehmen einen Klotz Ton in die Hand und legen los.

Erwartungsgemäß ist das gar keine so einfache Aufgabe: während wir alle versuchen, aus dem unförmigen Klotz die gewünschte Skulptur zu bilden, halten wir uns gegenseitig auf dem Laufenden, wie groß unsere Köpfe und wie lang unsere Hälse sind – gefühlt, versteht sich, sehen können wir ja nichts. Wir haben wirklich viel Spaß zusammen, aber ganz abgesehen davon ist das blinde Formen eine wirklich besondere Erfahrung. Ich merke, dass ich in meinem Alltag viel zu wenig Gebrauch von meinem Tastsinn mache, und es ist faszinierend zu merken, dass meine Hände auch ohne meine Augen die Skulptur formen, die ich mir innerlich vorstelle. Natürlich sehen unsere Formen am Ende dann doch nicht ganz so aus, wie wir es uns gedacht haben, aber wir sind alle zufrieden mit unseren Werken. Wir müssen nun nur noch ein wenig Gedankenschmalz für die genaue Ausführung der Aktivität bei Tarabot stecken. Aber für heute, erst Mal genug mit Töpfern.

Spontan steht nun noch ein zweiter Programmpunkt an: Yisra hat nebenbei erwähnt, dass gerade Olivensaison ist, weshalb die Farmer hier in der Gegend gerade jeden Tag mit der Olivenernte beschäftigt sind. Yisra hat uns angeboten, uns das auch einmal anzuschauen, was wir uns natürlich nicht entgehen lassen. In Rudainas Auto fahren wir also eine schmale, sehr steile Straße weiter hoch in die Berge und klettern oben angekommen Yisra hinterher durch einen Zaun hinein in eine Olivenplantage. Zwischen Sträuchern und Bäumen versteckt tauchen irgendwann ein paar Frauen auf, die uns mit freundlichen und neugierigen Augen begrüßen. Sie gehören alle zu einer Familie, wie Yisra uns sagt, und sind nun für die etwa zweimonatige Saison täglich mit Olivenpflücken beschäftigt. 

Wir sind schon durch den kurzen Fußmarsch nass geschwitzt – die Temperatur hier ist noch deutlich heißer als in Amman und die Mittagssonne brennt noch mit voller Kraft auf unsere Köpfe. Das Olivenpflücken lässt die Schweißperlen nun unaufhörlich weiter meinen Rücken hinunterlaufen. Ich kann mir nur vorstellen, welche körperliche Kraft die zweimonatige Olivenernte kosten muss. Aber es ist auch eine unheimlich schöne Stimmung hier, zwischen den Schwestern, ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder, die sich hier zwischendurch kleine Geschichten erzählen, was Rudaina für uns übersetzt. Unter einem Olivenbaum sitzt eine ältere Frau, die mit einem kleinen Bunsenbrenner vor sich stehend Tee für die Arbeiter*innen kocht. Ich hätte wirklich Lust, mehr Zeit mit der Familie hier zu verbringen. 

Nicht die richtige Arbeitskleidung tragend (aus den Oliven tritt schon teilweise das Öl aus, was zwar ganz wundervoll riecht, aber auch großes Fleckenpotenzial hat), verlassen wir die Plantage nach schon etwa einer Stunde wieder. Aber vielleicht schaffen wir es ja, hier noch einmal für ein ganzes Wochenende herzukommen, um dann mehr mit anpacken zu können.


Antworten (1)

Hannah
<3 جميل