Salam ya Amman
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Assignment über assignment.

Veröffentlicht: 24.11.2019

Freitag – Sonntag, 22. – 24. November

7:30 am. Mir fällt erst wieder ein, dass Freitag ist, als ich an der fast menschenleeren Hauptstraße entlangjogge. Freitagmorgende sind wirklich meine Lieblingsmorgende. Als ich meine Runde um den Second Circle herumdrehe, sehe ich eine Familie, die mitten auf dem Circle mit Picknickdecke ihr Freitagsfrühstück veranstaltet. Freitage sind hier in Jordanien in der Regel Familientag, und das allwöchentliche gemeinsame Freitagsfrühstück in vielen Familien ein Muss. Der riesige Second Circle, von dem insgesamt 6 Straßen abführen, mag vielleicht auf den ersten Blick ein eher ungewöhnlicher Ort für diese Familientradition sein. Aber die zahlreichen Bänke, die auf dem Kreisel platziert sind, sind auch unter der Woche zu Hauptverkehrsstoßzeiten stets besetzt. Die Menschen hier in Amman sind einfach sehr gesellschaftlich, ganz egal an welchem Ort.

Nach einem ausgiebigen Frühstück (es ist immer noch etwas von dem Kokoskuchen da, den ich letzten Samstag gebacken habe), besorge ich einen kleinen Schokokuchen, um auf unserer Dachterrasse ein Geburtstagsfoto für Emmi zu machen, und verbringe dann den Rest des Tages im Manara. Die Temperaturunterschiede, die derzeit zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang herrschen, sind echt ein bisschen verrückt. Während ich tagsüber auf der Manara-Terrasse die strahlende Mittagssonne noch in meinem Top genießen kann, friere ich später auf dem Heimweg so sehr, dass ich meine Hände und Füße zu Hause bei Wärmflasche und Tee erst einmal wieder auftauen muss. Um mit diesen Temperaturen den ganzen Tag über auswärts klarzukommen, hilft nur die Zwiebeltechnik.

7:30 am. Der Tag heute im Schnelldurchlauf: joggen, Frühstück, arbeiten im Manara, Abgabe des ersten assignments, weiterarbeiten, immer noch im Manara. Als ich mich nach einem wunderschön anzusehenden Sonnenuntergang am Abend dazu zwinge, meine Konzentration aufrechtzuerhalten, steht auf einmal ein junger Mann vor mir, dessen Gesten ich zuerst nicht so recht deuten kann. Ich nehme meine Kopfhörer aus den Ohren, um ihn zu fragen, was los ist, als er mir ein kleines Heft entgegenstreckt. Er hat mich gezeichnet. Ich will lieber nicht wissen, wie lange er mich aus der anderen Ecke des Raumes schon beobachtet hat, um die Zeichnung anzufertigen. Detailgetreu, mit Laptop und Schal, den ich mir wärmend um meine Schultern gelegt habe.

Der junge Mann heißt Hamza, studiert Ingenieurwesen, und hat schon ganz viele andere tolle Zeichnungen und Porträts in seinem Block. Er zeichnet zum Entspannen, was er immer wieder zwischendurch von wahllosen Personen und Gegenständen macht. Gut zeichnen können ist echt was Tolles. Solange man Block und Stift hat, bekommt man einfach nie Langeweile.

7:30 am. Heute, noch einmal Kräfte sammeln, um das nächste fällige assignment abzugeben, und die Präsentation dafür zu halten. Wieder mit der Clara-Rudaina-Sophia-Eva-Gruppe – die Chaos-Gruppe, aber unsere absolute Lieblingsgruppe. Wir treffen uns zweimal, vor arabisch und vor der Vorlesung, und schaffen es, in den letzten Minuten alles zu finalisieren. Am Ende sind wir selbst überrascht, wie gut alles funktioniert. Ich glaube, der einmalige Teamspirit, den wir haben, ist das größte Geheimnis. Wir sind wirklich froh, dieses lange und anstrengende Wochenende überstanden zu haben – morgen dann noch unser Ton-Projekt bei Tarabot, dann können wir erst einmal ein bisschen durchschnaufen.

Wir bleiben nach der Vorlesung noch eine Weile im Raum sitzen, um letzte Details für das Projekt morgen zu besprechen, und sind dann die letzten, die das Gebäude verlassen. Ich finde noch die Fernbedienung für die Heizung im Raum, die immer von den Security-Mitarbeitern aufbewahrt wird, weshalb ich sie noch abgeben will. „Say: ‚Tfadal, Amo!‘“, empfiehlt Rudaina mir. Ich weiß, dass „Amo“ „Onkel“ bedeutet, und weigere mich strikt, das zu einem fremden Security-Mann zu sagen. „No no no. This is, how we say it! It‘s a matter of respect!” Auch das weiß ich. Ältere Leute in der jordanischen Gesellschaft haben einen wirklich hohen Stellenwert, und mir wurde schon einmal gesagt, dass es höflich ist, ältere (fremde) Leute mit „Onkel“ oder „Tante“ anzusprechen. Trotzdem kommt es nicht über meine Lippen, weshalb Sophia das übernimmt, und sie von dem Security-Guard ein Kompliment für ihr arabisch bekommt. Vielleicht kann ich beim nächsten Mal ja auch über meinen Schatten springen.


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