In Allahs Händen

04.03.23 Meski Der Zahn der Zeit nagt am Campingplatz „Die Blaue Quelle“ und seiner Umgebung. Doch Marokko ist das Land der Kontraste, und so hatte ich heute hier ein Erlebnis, das gegensätzlicher nicht sein könnte: Auf den Dächern der Läden am Rande des Platzes habe ich 17 Hundewelpen entdeckt, die gerade fünf Wochen alt sind. Wie sie toben, scherzen, raufen – das pure Leben! Sie haben zwei Mamas, unter deren wachsamen Augen sie groß werden dürfen. Versorgt werden sie von den Ladenbesitzern, die sie weiter vermitteln, wenn sie alt genug sind. Bis dahin gibt es für die Kleinen nur eins: High Life!    

Und wie schon in Merzouga ist es ein Hassan, der uns hier unter seine Fittiche nimmt und uns in allen Fragen weiter hilft. So hat er für mich und mein Handy heute vormittag bereits eine neue Ladung Gigabyte organisiert, und nachmittags wird er mit uns die Kasbah und die alte Moschee besuchen. Im Gegensatz zu seinem Namensvetter in Merzouga geht Hassan hier auch einem regulären Beruf nach. Er ist Händler und betreibt den Souvenirshop Depot Norman auf unserem Campingplatz. Das ist nicht der einzige Unterschied: Unser aktueller Hassan ist 56 Jahre alt, schon lange verheiratet und hat vier Kinder im Alter zwischen zehn und 27 Jahren.

Ich hatte im Gespräch mit ihm erwartet, dass er über die schlechte Situation auf dem Campingplatz „Die Blaue Quelle“ klagt, seit vor zwei Jahren das Wasser ausblieb. Aber ich treffe einen Mann, der mit sich und der Welt im Reinen ist. „Ja, die Quelle ist versiegt“, sagt er, „aber das ist keine Überraschung. Es hat seit acht Jahren nicht mehr richtig geregnet, und es ist nicht das erste Mal, dass das passiert. Wenn es wieder mal richtig regnet, wird auch das Wasser wieder fließen.“ Wann das sein wird, das weiß er nicht. „Das liegt in Allahs Händen.“

Er will auch nicht über seine Geschäfte klagen. „Ich bin zufrieden“, sagt er mit einem Schulterzucken. „Die Touristen kommen auch so.“ Allerdings sitzt das Geld nicht mehr so locker wie in früheren Jahren. Schuld daran seien die Krisen, die in Marokko, die in der Ukraine, die in der ganzen Welt. „Aber meine Familie und ich werden nicht verhungern. Wir werden immer etwas zu Essen haben.“

Der Zustand des Campingplatzes bereitet ihm da schon eher Sorgen. Die Sanitäranlagen sind schmutzig und kaum noch zu gebrauchen. Über kurz oder lang wird sich das auf die Besucherzahlen auswirken, das ist unvermeidlich. „Aber was sollen wir machen“, sagt Hassan. Das sei Sache der Kommune. Die zuständigen Herren würden in Errachidia sitzen und Däumchen drehen. „Die haben ihren Posten für fünf Jahre und bekommen jeden Monat ihr Geld. Denen ist doch völlig egal, was mit uns passiert.“ Das ärgert Hassan natürlich, aber davon bekommt er keine grauen Haare mehr. „Ich gehe bald in Rente“, sagt er. „Dann wird alles verkauft.“ Und was danach kommt: Inschallah – wie alles liegt auch das in Allahs Händen.

Am nachmittag führt er uns zur alten Kasbah von Meski. Sie wurde vor etwa 140 Jahren errichtet und bot in ihrer Blütezeit etwa 1.200 Menschen Platz. Hier wurde mit Lebensmitteln gehandelt, aber nicht für Geld, es wurde nur getauscht. Hassan ist in der Kasbah aufgewachsen, doch als er etwa zehn Jahre alt war, beschlossen die Bewohner, ein Angebot des Königs anzunehmen. Jedem Einwohner der Kasbah schenkte er 200 Quadratmeter Boden. „Das war sehr viel“, sagt Hassan. Und der Boden wertvoll, denn er lag direkt neben der Straße. So verließen sie vor etwa 45 Jahren ihre Kasbah, deren Dach sie abrissen und für den Bau ihrer neuen Häuser verwendeten. Das war natürlich das Todesurteil für die alte Kasbah, die heute nur noch ein Trümmerfeld ist – schade, dass Allah da nichts Besseres eingefallen ist …