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Abschied?

Veröffentlicht: 09.02.2022

Das war es.

Nach gut 15 Tagen sind wir in Bordeaux angekommen. Es war ein sehr ruhiges segeln. Teilweise eher ein Dümpeln.

Ich hab den letzten Abschnitt in der Chief Mate Watch verbracht. Also von 4-8 Uhr. Nach sechs Wochen in der Dog Watch ist mir die Umstellung tatsächlich ein wenig schwer gefallen. Ich war sechs Wochen lang mit den selben Menschen in einer Wache.
Zu anfangs fand ich meine neue Wache auch super strapazierend, einfach weil niemand redete und wenn wurde viel über Schiffe und segeln gequasselt. Reizt mich jetzt nicht immer. Auch so vor dem Hintergrund, dass ich seit drei Monaten auf einem Schiff bin. Ich hab noch andere Interessen.

Die ersten 10 Tage wurde es immer kälter und auch feuchter. Eine weile hatten wir auch Nebelfahrt. Schon krass so, nichts zu sehen. Und dann ist da vielleicht ein Trawler. Die sind nie auf dem Ectis. Das Ectis ist sowas wie das Navi was auch Schiffe auf der Karte anzeigt. Trawler fischen oft wo sie nicht dürfen. Also mussten wir teilweise in den Wachen in den Ausguck. Also vorne zum Bug in den Nebel gucken.

Die eine Nacht hab ich Alice in den Ausguck begleitet. Viel Nebel. Bissl quatschen und Gesellschaft leisten. Naja und wie soll ich das erklären. Da war auf einmal ein, keine Ahnung, so acht Meter langes Vieh. Das sich wie so eine Schlange durch das Wasser windet und das direkt neben dem Schiff. Gruselig fragst dich direkt ob das gefährlich werden kann. Und auch was für ein Wesen das bitte sein soll. Also Seeschlangen, oder so waren doch Aberglaube.
Stellt sich heraus das es ein recht normaler Delfine war. Warum wirkte der so groß? Wegen dem flourezierenden Plankton. Bei der Dunkelheit hat der Delfine eine ewig lange Spur, die halt leuchtet, hinter sich hergezogen, sodass er für eine kurzen Moment in seiner Länge überdimensioniert aussah.
Es war sehr schön dem Delfin zuzusehen wie Kreise geschlagen werden, manchmal aus dem Wasser gehüpft wird und dann zwei weitere kommen und es ans synchron schwimmen geht. Immer mit langem Spuren aus leuchtendem Plankton. Ein wahrer Zauber.

In den letzten Tagen wurden wir sehr viel von Delfinen begleitet.

An sich ist die Biskaya eins der gefährlichsten Segelreviere. 8-10 Meter Wellen, enorme Tide und es wird schnell flach. Alles anstrengend.
Für die von euch, die die Schiffsposition verfolgt haben, wir sind ein sehr großen Bogen gefahren. In der Regel gibt es ein sehr großes Hochdruckgebiet über dem Atlantik. Aufgrund der Zentrifugalkräfte strömen die Luftmassen im Uhrzeigersinn von diesem Hochdruckgebiet ab. Den Wind nutzen wir um in die Karibik zu kommen und um über den Norden wieder nach Europa zu segeln. Dieses Hochdruckgebiet war nicht da wo es sein sollte. Den Bogen den wir in den Norden gefahren sind, beschreibt den Bogen um ein Hochdruckgebiet. Naja. Also kam der Wind vom Kontinent. Dementsprechend gab es keine extremen Wetterbedingungen wie 8 Meter Wellen. Wir hatten sehr ruhige See.

Was wir hatten waren niedrige Temperaturen. Das kühlste war glaub ich 7.5 Grad. Unschön dazu aufzustehen. Da hilft nur noch kuscheln.

Aber ganz ehrlich, ohne diesen Umweg oder diese ruhige See hätte ich die letzten Tage auf dem Schiff nicht so schön mit den Menschen verbringen können.

Ich hatte darüber geschrieben das ich über die hierarchischen Strukturen auf einem Schiff nachdenken will.

An sich, sind wir zum Glück nicht in extreme Wetterbedingungen gekommen. Aber ich dachte mir, wenn ich schon auf so einem großen Schiff mit so erfahrenen Segler*innen bin, wär doch der richtige Moment um zu erfahren ob der Captain, die eine Person mit Befehlsgewalt so viel Sinn ergibt
Naja gab's nicht. Ein paar "Erkenntnisse" hab ich trotzdem schon.

Ich verspüre nicht den geringsten Ehrgeiz Captain zu werden. Nicht die Bohne.

Der Zustand des Schiffes und damit auch der Erhalt der Firma und das Leben jeder einzelnen Person an Bord liegt in den Händen des Captain. Klar gibt es die Offiziere um Aufgaben zu übernehmen. Aber am Ende liegt die ganze Verantwortung auf den Schultern einer einzelnen Person.
Sorry aber da tust du mir eher leid.
Ich sag nicht das ich weiß wie es besser geht. Aber in demokratischen Institutionen oder auch einem Staat wie der BRD gibt sowas wie die "Gewaltenteilung" ,weil das "Vernunftwesen" Mensch akzeptiert hat, dass Menschen sich irren. Naja da draußen ist das wohl anders.

Ohne scheiß natürlich hätte ich weiter segeln können. Wegen den Menschen. Jeden Tag, den es länger gedauert hat hab ich genossen.

Ich war von Anfang an sehr nostalgisch. Ich fing an Leute zu vermissen. An das danach zu denken. Ich hab mich weniger auf das segeln oder so konzentriert. Ich hab mich viel auf die Menschen fokussiert.
Nochmal mit allen lange und intensiv reden über das was kommen mag und das was war und was wir hatten. Ich hab viel Zeit in anderen Wachen verbracht. Vor allem mit den Leuten aus der Captain's Watch. Da konnte ich gut labbern. Nicht über Schiffe.
Tatsächlich hab ich mir auch gern die Wachübergabe, von der ich kein Bestandteil war, angesehen. Nochmal daneben stehen. Noch sind sie hier alle auf dem Schiff.

Wir haben viel über das erste Crossing geredet. Von Teneriffa nach Marie-Galante. Es wirkt Jahre her und es liegt ja auch schon gut zwei Monate zurück. Aber es sind auch nur zwei Monate. Es ist soviel passiert. Wir als Shipmates haben echt viel erlebt. Wir haben viel Zeit mit einander verbracht.

Ich mag das segeln. Ich halte das Projekt für sehr wichtig. Aber über diese drei Monate waren es immer die Leute auf dem Schiff aus denen ich am meisten gezogen hab. So viel schöne und auch intime Gespräche. Wir haben uns alle gut kennengelernt. Haben über drei Monate in dem selben Raum geschlafen. Hatten Probleme unter einander und miteinander. Bei einigen bin ich mir recht sicher das es nicht Bekannte von früher werden.

Und es wird nie wieder so sein. Viele sind auf das Schiff gekommen, weil sie an dieses Projekt glauben. Das Ganze war oft mit dem Wunsch den Atlantik zu überqueren gekoppelt. Niemand ging hiertrister Arbeit nach, für den Großteil war es ein neues Lebenskonzept. Manche von uns sind Burnout gefährdet oder frisch aus dem Abi, andere stehen mitten im Job andere haben den Job gekündigt. Ich werde nie wieder mit einer Crew segeln die so intim, so lieb, so achtsam und hilfsbereit miteinander umging wie hier. Wahrscheinlich. Auf Segelschiffen gibt es große Fluktuation an Menschen. Auch auf unserer Reise sind einige gegangen.
Das was ich hier mit den Menschen erlebt hab. Das ist viel.
Wie ich Menschen hier kennenlernen durfte
Das ist viel.

Und dafür bin sehr dankbar.
Wie haben wir auf Wiedersehen gesagt?

Der Zeitplan war sehr eng. Wir haben am Freitag angelegt. Am Samstag früh sollten wir das Schiff verlassen.

Das war die Ansage. Uff.

Wir haben das beste draus gemacht.

Die ruhige See hat auch viel geholfen um langsam auf Wiedersehen zu sagen.
Am Donnerstag haben wir in der Flussmündung geankert. Wegen der Tide gibt es bestimmte Zeiten des Anlegens.
Am Freitag sind wir dann zum Pier motort. Gute 7 Stunden lang. Die Sonne schien. Die Gironne war sehr ruhig. Es wurden Vorbereitungen für das anlegen getroffen. Wer wollte konnte nochmal ans Steuer. Ich hab den Großteil in der Sonne gesessen und gequatscht. Sachen packen. Ich bin richtig angekommen.
Tja und 21 Uhr haben wir festgemacht, hat nur 5 Minuten gedauert.
Dann ging es erst richtig los. Festmacher-Biere und Wein alle umärmeln sich und sprechen Glückwünsche aus. Zweimal Atlantik. Wow
Ich weiß nicht mehr wie es angefangen hat aber irgendwann lief Mucke in der Galley. Und gefühlt waren alle in diesem Raum am tanzen. Nochmal alle Songs die wir die 3 Monate lang gehört haben, nochmal alle Lieder, wo so viele Assoziationen hochkommen. Ich hab dann noch meine Wache getauscht sodass ich noch zwei Stunden zum ausnüchtern hatte. Wir hatten natürlich immernoch Hafenwache. Bei einem Tidenhub von 5 Metern ist das auch recht wichtig. Aber der Galley Floor war wie so ein Kessel, jeder hat seinen Dampf nochmal abgestampft.

Am nächsten morgen haben wir unseren Alkohol aus dem locker geholt, Reise- und Impfpass eingesammelt, unser Certificate of Service unterschreiben lassen und uns verabschiedet.
9923 nautische Seemeilen. Fast vier Monate.
Die zehntausend hab ich schon voll hehe.
Was ein Ritt.
Zu fünft waren wir in einem Hostelroom. Waren es ja nicht anders gewohnt.
Letzte abende in Bars und Pubs. Ein bisschen Bordeaux erkunden. Fuck ist diese Stadt schön.
Tja und langsam gehen immer mehr Leute. Werden es immer weniger die in Bordeaux sind. Und irgendwann bin auch ich gegangen.
Abschiede. Nie leicht. Dieser hier ist irgendwie okay. Es wurde nochmal alles gemacht.
War nicht das angenehmste sich mit Corona und was geht, was will ich und so auseinander zu setzen. Aber es gibt Neuigkeiten.
Ich segel weiter. Nicht von Bordeaux. Aber von Teneriffa.
Es ist auch ein wenig diese Antwort, auf die ich gewartet hab.
Es wird super komisch mit andern Leuten dieses Schiff zu segeln. 
Es geht also sogar bald weiter.

Und es wird gut. Aber ich segel rüber um nicht zu fliegen. Die Leute, meine erste Shipmate Crew werde ich vermissen.


Antworten (1)

Asta
wauh

Frankreich
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