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Çeşme & IMECE

Veröffentlicht: 22.11.2019

Nach Izmir ging es für mich schließlich nach Çeşme, um dort für die Organisation 'IMECE' als freiwillige Helferin zu arbeiten. Çeşme bezeichnet zum einen den Ferienort und zum anderen die Halbinsel dieser Region. Es finden sich dort neben historischen Hinterlassenschaften, wie die Burg in Çeşme aus dem 16. Jh., zahlreiche Ferienhäuser und Yachten, die von Einheimischen und türkeistämmigen Menschen aus dem Ausland vor allem in den Sommermonaten genutzt werden. Die Gegend zählt nicht ohne Grund zu einer der exklusivsten Urlaubsorte in der Türkei. In Çeşme und anderen Städten in der Region ist im Sommer viel geboten und die kleinen bunten Gassen laden zum Schlemmen und Einkaufen ein. Zudem kann man sich an einem der zahlreichen, zum Teil türkisblauen Strände, erholen. Historisch gab es bereits ab Mitte des 3. Jahrtausend v. Chr. (teilweise auch schon früher) im Umkreis der Stadt erste Provinzen, die ab dem 2. Jahrtausend v. Chr. Handelsbeziehungen nach Kreta führten. In der Neueren Geschichte ist vor allem die Seeschlacht von Çeşme im Juli 1770 bedeutsam. Dabei wurde die osmanische Flotte von der Flotte Russlands geschlagen.

Nur wenige hundert Meter von dieser Urlaubsidylle entfernt, liegt das Dorf der türkischen Organisation IMECE. Diese wurde 2014 als Studierendeninitiative gegründet, um die Einheimischen, denen es ökonomisch und sozial am schlechtesten ging, zu unterstützen. Seit 2015 hat sich der Fokus auf die zahlreichen Geflüchteten verschoben, die auf den Weg waren (und immer noch sind), eine Überfahrt auf die griechische Insel Chios zu wagen. Unterstützt wird IMECE seitdem auch von der Stuttgarter Hilfsorganisation 'Stelp'. Bis 2016 bestand die Hauptaufgabe darin, die Menschen an der Küste mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Kleidung zu versorgen und ihnen zugleich von der gefährlichen Überfahrt abzuraten, was jedoch nur selten erfolgreich war. Nach dem EU-Türkei Abkommen ist die Anzahl dieser Versuche nach Europa zu gelangen deutlich zurückgegangen, da die türkische Küstenwache vermehrt kontrollierte und stärker Präsenz zeigte. Zunehmend sitzen seitdem tausende Geflüchtete in der Türkei fest, weshalb der Fokus der Arbeit seither auf rund 20 Flüchtlingscamps in der Region um Izmir liegt. Die Menschen dort leben meist ohne Strom und fließend Wasser sowie in einfachen Zelten und alten Gebäuden. Somit war es auch eine meiner Aufgaben, zusammen mit anderen Freiwilligen und Mitarbeitenden, in diese Camps zu fahren und Hygieneartikel zu verteilen bzw. mit den Kindern zu spielen.

Darüber hinaus wurde 2018 das Solar Age Project ins Leben gerufen. Dabei werden geflüchtete Frauen in Solar Workshops ausgebildet, um eigene solarbetriebene Geräte bzw. Powerbanks zu bauen. Sie leben dafür eine Woche umsonst im IMECE-Dorf. Während die Freiwilligen auf ihre Kinder aufpassen, erhalten die Frauen täglich von den 'Solar-Moms' Unterricht. Die Letztgenannten sind türkische Mitarbeiterinnen, die ein halbes Jahr im 'Barefoot College' in Indien ausgebildet wurden. Ziel ist es, die Emanzipation und Einkommensselbstständigkeit der Frauen zu fördern (genauere Informationen zu dem Projekt gibt es hier: http://imecesolar.org/?page_id=388).

Zuletzt noch ein paar Sätze zu dem IMECE Dorf an sich: Das Dorf besteht aus mehreren Containern, einem Freiwilligenhaus, einem großen Zelt, Spieplatz und Kinderraum, Gemüse- und Obstfeldern, der Solar-Werkstatt, einer Küche und einem Essbereich sowie Ziegen, Hühnern und Katzen. Folglich gab es so auch genug auf dem Grundstück zu tun. Neben Reperaturen und anderen handwerklichen Dingen, ernteten wir viel eigenes Obst und Gemüse. Ziel der Organisation ist es, irgendwann so unabhängig wie möglich zu leben.

Die Zeit bei IMECE war wirklich eindrucksvoll und lehrreich. Das Durchhaltevermögen und der Optimismus der Mitarbeiter*innen, die dort schon seit mehreren Jahren aktiv sind und unter schwierigsten  Umständen ohne festes Einkommen arbeiten, ist durchweg beeindruckend. Aufgrund dessen endet mein Reiseblog hier zwar, aber dennoch wird die Unterstützung dieser Arbeit auch in Deutschland weitergeführt.


Hier gibt es weitere Informationen zu IMECE, Stelp und dem Barefoot College:

IMECE: http://imecesolar.org/ ; Spendekampagne: https://www.gofundme.com/f/the-imece-village-project?fbclid=IwAR0Pj0ZMM_TAj8m8usR-5-imqcBTdffy-lCXQdaAvCFeB0c-vvvWvEPd7Fs

Stelp: https://stelp.eu/

Barefoot College: https://www.barefootcollege.org/



Antworten (1)

Rolf
Sehr gut geschrieben und informativ.Klasse und zu empfehlen👍😃