Voll Bock auf bayrischen Wald
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Karabiner, Kässpätzle und Klamm

Veröffentlicht: 04.08.2021

Für heute haben wir uns im Kletterpark angemeldet. Einfach so, weil man das mal machen wollte. Also wir waren beide schon mal, aber schon lange her.

Petra erzählt:

Man muss mal Grenzen testen, dachten wir. Also eigentlich ich und eigentlich wollte ich die Grenze nicht testen, sondern überschreiten, denn ich wusste vom letzten Mal, dass die Grenze nicht sehr weit oben ist.

Zuerst gibt es eine gewissenhafte Einführung durch das Personal - jeder bekommt einen Helm und einen Gurt mit verschiedenen Karabinern, die einem genau erklärt werden. Dann stehen unterschiedliche Parcours zur Auswahl. Grün leicht, dann gelb, blau… bis schwarz für die Profis.

Die Parcours sind schön in den Wald gebaut, die Bäume hierbei mit integriert, ohne ihnen zu schaden. Es handelt sich also um eine sportliche Spielerlei im Freien.

Sportlich mit Kraftaufwand ist es erst in den schwereren Kategorien, sportlich mit Balance und Geschick ist vielleicht eine treffende Beschreibung für die leichten Abschnitte. Und der Mut! Was für die einen völlig banal erscheint, bedarf beim anderen schon eine große Portion Mut und Überwindung. Ich wusste das und war mir so sicher, dass ich es mit dem Verstand und dem Willen schaffe, sehr weit zu kommen.

Ich will das Ganze mal ruhig und vorsichtig angehen, also Start bei grün- Anfänger 2-3 Meter Höhe. Ich bin erst aufgeregt, ob ich das mit den Karabinern alles richtig mache, Mario ist hinter mir und anfangs frage ich ihn immer, ob alles stimmt, denn es hängt ja in 2 Meter Höhe mein Leben davon ab. Im Laufe der 13 Stationen bekomme ich Sicherheit, zumindest, was die Karabiner angeht. Die Höhe ist auf den festen Plateaus am Baum kein Problem, es ist eher das furchtbare Wackeln bei einzelnen Elementen. Dort, wo man läuft und sich nicht festhalten kann, kacke ich mir fast in die Hose, obwohl das Hirn doch weiß, dass ich an 2 Karabinern gesichert bin und ein gutes Gleichgewichtsgefühl habe. Obwohl heute ein kühler und bedeckter Tag ist, bin ich nach dem Parcours völlig verschwitzt, aber in manchen Momenten hatte ich vielleicht ein bisschen Spaß.

Nächster: gelb. 3-4 Meter Höhe. Erst überlege ich, ob ich Mario bitte, vor mir zu laufen, aber entscheide mich dann doch, dass er mir den Rücken freihalten soll. Erste Hühnerleiter hoch zum erstes Plateau, da überkommt es mich und ich Dreh auf dem Plateau völlig durch. Es kommt mir vor, als ob es viel zu hoch für mich ist. Das Gefühl, dass ich jetzt da etwas angefangen habe, das erst nach 11 Elementen zu Ende ist und ich keine Chance habe, der Gefahr zu entgehen, hinter mir die anderen weiter wollen, ich keine Zeit habe, mir das eine Stunde lang zu überlegen, es immer wackeliger wird und immer höher. Ich steigere mich so rein, dass ich hysterisch werde, und heulen will und vergesse, wie das mit dem Atmen geht. Völlig bescheuert, weil ich hysterische Weiber nicht ausstehen kann, muss ich fast schon lachen, bin aber in Lebensgefahr und kann deshalb nur versuchen, Mario zu erklären, dass er sofort jemanden rufen muss, der mich hier runterholt. Ein Guide wird gerufen, und ab dem Moment, in dem ich weiß, dass ich jetzt mit der Leiter hier runter darf, bin ich wieder normal. Ich habe dann die Zeit genutzt, um Mario zu fotografieren.

Um das Höhenerlebnis nun positiv zu beenden, haben wir nochmal den grünen Parcours gemacht und ich glaube, ich könnte mit Geduld und viel Übung noch mehr schaffen, zumindest merke ich bei zweiten Mal, dass es besser läuft und weniger Angsthormone produziert werden. Oder die sind schon aufgebraucht für heute.

Marios Sicht der Dinge:

Super, die Einführung ist absolviert, die Verwendung und Priorisierung der Karabiner hab ich auch intus: Jetzt gehts los! Auf einer Liste der verschiedenen Parcours steht schwarz und rot ganz oben: Schwarz für Kletterprofis, extra benötigten Karabinern und der Einstieg nur mit Anmeldung beim Guide gestattet. Rot eine Stufe drunter, doch auch hier ist Erfahrung notwendig. Grün ist die unterste Kategorie, Gelb liegt darüber, dann kommt blau, dann orange. Ich hab mal die untersten 2 Kategorien gedanklich gestrichen, fixiere die blaue Tour an und marschiere in Richtung Einstieg los…… STOP! Petra teilt mir ihren Gedanken mit und möchte bei grün einsteigen. OK denke ich - warum nicht. Wir sind relativ früh unterwegs, es sind nur Wenige im Kletterwald unterwegs und ich kann die Lage noch nicht richtig abschätzen. Was ist wie schwierig. Wir starten jetzt bei grün. Der Einstieg ist relativ leicht, die Höhe für mich kein Problem - wir sind etwa 2-3 Meter über dem Boden - das Sichern mit den Karabinern funktioniert sehr gut. Der Anspruch der Tour steigt von Aufgabe zu Aufgabe und ich bin nicht unglücklich mit der grünen Tour als WarmUp. Wir jonglieren und zittern uns über Seile, Leitern und durch Röhren, die allesamt mächtig wackeln und kippen. Am Ende geht es mit einer Seilrutsche nach unten. Wieder am Boden, ist mir klar, dass die Höhe für mich keine Rolle spielt. Die Absicherung ist perfekt und wir so keinem Risiko ausgesetzt. Auf gehts, nächste Kategorie! Die Hängeleiter nach oben auf die erste Plattform. Petra vor mir. Plötzlich bekommt Petra derart großen Respekt vor der Höhe und den Abständen zwischen den schmalen auf Drahtseilen angebrachten Brettchen, dass nix mehr geht. Auch mein Beruhigen und der Glaube an die perfekte Sicherheit hilft nicht. Der herbeigerufene Guide und ich sprechen Petra gut zu, die es selbst nicht fassen kann, was gerade in ihr vorgeht. Mittlerweile völlig ruhig, steigt Petra über eine lange, extra herbeigebrachte Leiter sicher nach unten. Ich denke kurz darüber nach, ob ich mit Petra hier abbreche, doch als sie unten ist und es ihr gut geht, entscheide ich mich, den Parcours fertig zu machen. Die Aufgaben legen hier nochmal etwas zu und ich absolviere alle ohne Probleme. Zum Abschluss gibt‘s hier 2 Seilrutschen hintereinander - die erste ist echt lang und ich sause von Plattform zu Plattform. Tolles Gefühl. Unten angekommen freue ich mich, dass Petra sich wieder von dem Ereignis erholt hat und den ersten, den grünen Parcours wiederholen möchte. Ich mache mich mit Petra nochmals auf die grüne Tour, den wir bei der Wiederholung sehr gut meistern und viel Spaß dabei haben. Gutes Gefühl und für das 2. mal in einem Kletterpark, ganz gut geschlagen. Mir fällt auf, dass wir beide a.) das einzige Paar ohne Kinder sind und b.) den Alterschnitt nach oben treiben…. Ich schmunzle und bin stolz auf uns. Wir unterhalten uns noch mit dem Guide der Petra „gerettet“ hat, der übrigens auch ein Schreinermeister ist und gerade seine Mittagspause macht. Die Leute dort sind ALLE sehr nett, freundlich und immer hilfsbereit.

Den Nachmittag verbringen wir mit einem Rundgang in Waldkirchen der mit einer Portion Kässpätzle abgeschlossen wird. Danach machen wir einen kleinen Spaziergang zur Saußbachklamm, von der Google uns gesagt hat, man müsse sie sehen. Und da hatte Google recht, denn hier ist es wirklich sehr schön. Ein Bach hat sich den Weg durch große Granitblöcke ins Tal gebahnt, wunderschön ist es hier in der Schlucht und unsere schweren Beine, die uns der gestrige Tag verschafft hat, freuen sich über die leichte Strecke. Dank des trüben Wetters sind auch nicht so sehr viele Menschen hier. Wir können uns vorstellen, dass es hier bei Sonnenschein am Wochenende zugeht wie bei uns zu Hause im Strümpfelbachtal, zumal hier auch noch eine Wirtschaft direkt in der Klamm ist.

Der Rest des Tages dient wieder der Erholung, dem Lesen, Recherchen über Höhenangst (und darüber, wie man sie bekämpft und Gedanken, ob man sie bekämpfen muss. Wann muss man im täglichen Leben schon mal unbedingt auf einer wackligen Strickleiter, der einige Stufen fehlen, in 4 Meter Höhe laufen?).

Außerdem freuen wir uns, dass sich unser Blog in die Top-Ten der besten Reiseblogs vorgearbeitet hat, jetzt planen wir noch unseren letzten Tag morgen und dann war‘s das schon wieder. 

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