2022 - Juni - Es fährt ein Zug nach Nirgendwo

Es passiert immer wieder und es kann jeden treffen: Zugausfall mitten im Nirgendwo. Uns traf es heute in Fürstenberg (Havel). Das ist ein Bahnhof, der ICEs nur als "Durchzug" kennt. 

Aber das Wetter war schön und wenn ich ehrlich bin, war ich froh, dass wir uns nun an der frischen Luft die Beine vertreten konnten. Ein kurzer Stopp sollte es werden, weil der Zugführer seine Lok neu starten musste. 

Das Wetter blieb schön, aber die Lok wollte nun gar nicht mehr. Jeder Versuch sie wieder zum Laufen zu bringen, scheiterte offensichtlich. 

Schon die erste Durchsage des Zugbegleiters klang dann auch nach einer größeren Angelegenheit. Er offerierte Reisenden, die die Fahrt nun abbrechen wollten, gerne auch die Rückfahrt antreten zu können. 

Ein Regionalzug würde demnächst nach Berlin fahren. Oder auch möglich: Einen anderen Regionalzug nach Rostock nutzen. Allerdings würde der sehr sehr voll sein, wegen des 9-Euro-Tickets. Okay, das wollten wir dann doch nicht. Denn unser Reiseziel war ja Binz. 

Das Hoffen ging weiter. 

Inzwischen hatten nicht nur die Raucher und ich den Zug verlassen. 

Eine neue Durchsage: Uns wird ein Ersatzzug geschickt. Wahrscheinliche Abfahrt in einer Stunde von Gleis 1. Wir standen auf Gleis 2 und das hätte gehießen, Treppe runter und Treppe wieder hoch. 

Nur Voreilige stürmen nach so einer Info sofort los. Aber einige taten es doch...

Inzwischen nutzte ein cleverer Fürstenberger (von der Havel) die Gelegenheit für eine Unterschriftenaktion. Er bat die vielen Gestrandeten doch mit ihm für einen besseren Bahnhof in Fürstenberg (Havel) einzutreten. Allein diese Unterführung wäre doch jede Unterschrift wert.

Neue Durchsage: Der Ersatzzug wird nun doch auf Gleis 3 einfahren, direkt gegenüber. (Mist, wer jetzt schon das Gleis 1 geentert hatte.)

Nächste Durchsage: Kann weiter dauern. Eigentlich sollte nämlich unser neuer Zug nach Hamburg fahren. Nun mussten diese Reisenden mühsam "überzeugt" werden, ihren Zug nun zu verlassen.

Aber dann: Nach mehr als 2 Stunden fährt unser Ersatzzug ein. Wagen 21 bis 27 sind exklusiv für uns, Hamburger seien nicht mehr an Bord. Aber nicht wundern, die Wagen 31 bis 38 werden sich nicht öffnen lassen. Da sind nämlich schon andere Leute drin. Damit kein völliges Durcheinander passiert, durften die nun nicht an die frische Luft. 

Aber auch eine unserer Türen war nun bockig: Selbst alle Zugbegleiter mit vereinten Kräften konnten das Ding nicht dazu bewegen, sich zu öffnen. 

Gestählt und abgehärtet von zwei Stunden voller schlechter Nachrichten, war uns das dann doch nur ein Schulterzucken wert. Eine Gruppe Amerikaner aber hatte diese Fahrt als Ganzes desillusioniert. So sagte einer zum anderen: "It's funny, untill now, I've believed in german engeniering". 

Deutsche Wertarbeit sorgt jetzt aber doch dafür, dass 

wir im neuen Zug unsere wilde Fahrt fortsetzen. Stralsund scheint in Sichtweite, aber wir haben nun eh schon Verspätung, da lassen sie nun die anderen Züge erstmal durch. Und dann auch noch das: Störung an einem Bahnübergang und einem Stellwerk. 

Immerhin hat unsere Schicksalsgemeinschaft jetzt einen Namen, wir sind die "Gestrandeten". Das heißt wir haben Privilegen: Kostenlose Getränke und Snacks aus dem Bordrestaurant und zusätzlich noch für jeden der abgestempelte Antrag für eine Erstattung von der Deutschen Bahn. 

Wird ein teurer Tag für die Bahn, die kann einem direkt leid tun. 

Zumal jetzt alles noch zusammen kommt: Die Zugtoiletten im hinteren Zugteil sind ausgefallen. Alle müssen in Stralsund zu uns nach vorne kommen. Das sind die, die vorhin in Fürstenberg (Havel) nicht aussteigen durften. 

Kaum sind alle im Zug, bockt die Tür von vorhin schon wieder. Diesmal will sie nicht schließen. Lautes Gepiepe ohne Ende. Daraufhin folgender Kommentar eines Fahrgastes "Alle weg vom Tisch ... Wiederbelebung zwecklos". 

Doch dann, es ist wirklich wahr, tosender Applaus der Fahrgäste. Wir fahren!!!

Über 3 Stunden Verspätung, glückliche Menschen verlassen den Zug!

Thank you for traveling with Deutsche Bahn.