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2022 - Juni - Beelitz-Heilstätten

Veröffentlicht: 11.06.2022

Na, wie findet ihr meine Fotos von den Beelitz-Heilstätten? Macht euch der Anblick des Verfalls vielleicht auch traurig oder findet ihr ihn einfach nur schlimm, gruselig oder sogar grauenhaft? Tatsächlich wurden mir genau diese Worte von euch als Kommentare auf meine Bilder von den baufälligen Gebäuden geschickt.


Dabei geht es in den Beelitz-Heilstätten alles andere als traurig oder gruselig zu. Denn obwohl hier diverse Objekte in schlechtem Zustand stehen und sie deshalb als Lost Places bezeichnet werden, ist dies absolut kein vergessener Ort.

Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Anders als erwartet, wurde der Verfall gut gesichert und touristisch aufgearbeitet. Das heißt die verfallenen Räumlichkeiten wurden extra etwas "arrangiert". Einmal wurde ein altes Bett aufgestellt oder ein Liegestuhl auf der Terrasse platziert.

Man kann Fototouren buchen oder wie wir eine der Führungen mit geschichtlichen Erklärungen besuchen. Diese sind sehr empfehlenswert, aber natürlich hat das alles seinen Preis: Schon die Fahrt auf den Parkplatz kostet 3 Euro. Der Eintritt in den Park schlägt dann mit 13,50 Euro pro Person zu Buche (inklusive Baumkronenpfad). Und wer eine der Führungen mitmachen möchte, darf noch einmal bis zu 15 Euro löhnen. Es gibt aber auch Familienkarten. 

Das macht auch Sinn, denn die Beelitz-Heilstätten sind ein lohnendes Ausflugsziel für Groß und Klein. Für die Kinder gibt es natürlich diverse Spielgeräte und den bereits erwähnten Baumkronenpfad finden sicher alle spannend.

Aber gerade Geschichtsinteressierte werden auf ihre Kosten kommen. Denn das Objekt führt uns in eine Zeit, in der es noch ganz andere Gesundheitsprobleme gab als heute.

So wurde die ehemalige Lungenheilanstalt ab 1898 nach und nach vor allem für Tuberkulose-Kranke Arbeiter erbaut. TBC kann heute mit Antibiotika gut behandelt werden. Damals aber gab es dies nicht und wer arm war, hatte noch schlechtere Chancen auf Heilung. 

Während sich reichere Erkrankte in Davos erholten, lebten die Arbeiter oft in engen Hinterhöfen und unter schlechten hygienischen Bedingungen. Gerade in Berlin wohnten damals so viele Menschen unter diesen katastrophalen Bedingungen, dass sich die Krankheit noch schneller ausbreiten konnte.

Zwar hatte Robert Koch den Erreger 1882 entdeckt, aber das hieß nicht, dass es gegen TBC nun ein Heilmittel gab. Aber unter Reichskanzler Otto von Bismarck wurde 1883 die allgemeine Krankenversicherung eingeführt. Und das führte dazu, dass sich nun auch Arbeiter und Arbeiterinnen in einer Kureinrichtung erholen konnten.

Das war für TBC-Erkrankte eine langwierige Angelegenheit. Die auch als Schwindsucht bekannte Krankheit führte oft dazu, dass die Menschen extrem ausgemergelt und schwach waren. In den Beelitz-Heilstätten wurde deshalb viel Wert auf gute Ernährung gelegt. Direkt auf dem Gelände wurden Schweine, Rinder und Hühner gehalten und dann natürlich geschlachtet, verarbeitet und verspeist. Dazu gab es viel frische Luft, Kneipp-Anwendungen und außergewöhnlich aufwendige hygienische Maßnahmen. So gab zum Beispiel einheitliche Kleidung, die jeder zu Beginn der Kur bekam. Diese wurde dann regelmäßig in der eigenen Wäscherei im Kochwaschgang gereinigt. Und wenn die Patienten durch ihren Aufenthalt wieder an Gewicht zugelegt hatten, wurde sie in der Schneiderei geändert. 

Auch die Belüftung war ausgeklügelt und funktionierte sogar schon vor der Elektrifizierung. Wer mag, kann sich hierüber in einer eigenen Tunnelführung informieren. Überhaupt waren alle Bauwerke von namenhaften Architekten konzipiert und sollten schon von ihrer Ausstrahlung her nicht an ein Krankenhaus erinnern. Stattdessen gab es Wandelhallen und man konnte flanieren.

Eine Freude gab es allerdings nicht: Männern und Frauen wurden streng getrennt voneinander untergebracht! Der heute zu besichtigende Teil der Anlage war der Frauentrakt der Beelitz-Heilstätten. 

Obwohl es natürlich auch während der beiden Weltkriege Bedarf an Kureinrichtungen gegeben hätte, wurden die Beelitz-Heilstätten stattdessen als Lazarett genutzt. So erholte sich hier auch Adolf Hitler im Jahr 1916. Und während der sowjetischen Nutzung, nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde Wladimir Putin hier behandelt. Im Jahr 1990 gab es dann noch einen prominenten Patienten: Erich Honecker, der sich wegen seines Leberkrebses hier erholen musste. Damals waren die Beelitz-Heilstätten noch in sowjetischer/russischer Nutzung. Das blieb bis 1994 so und sie waren damit sogar das größte Militärhospital außerhalb ihres eigenen Landes.

Obwohl das russische Militär das Gelände und die Objekte 1994 quasi besenrein übergeben hatten, geschah danach lange gar nichts. Nur teilweise wurde saniert oder neu gebaut. Durch Insolvenz kam es dann zum Stillstand, Vandalismus und Verfall. 

Das was hier aber hier auf meinen Bildern seht, ist nur der Teil, der jetzt touristisch genutzt wird. Näheres dazu unter http://www.baumundzeit.de/.

Andere Teile der Beelitz-Heilstätten sind inzwischen saniert und werden als Wohnungen oder Kliniken genutzt.

Was einmal aus den verfallenen Gebäuden wird, kann ich nur mutmaßen. Die Eintrittsgelder werden auf jeden Fall für Dachsanierungen und ähnliches genutzt. Aber ob das Lost-Place-Image nicht auch weiter genutzt werden soll, könnte ich mir durchaus vorstellen. 


Dazu ein kleiner Nachtrag: Inzwischen habe ich erfahren, dass auch Hollywood hier fleißig gedreht hat. So entstanden hier Teile des Films "Das Piano" und ebenso von "Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat".

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