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The bad Teil 1 / Eine Räubergeschichte

Veröffentlicht: 05.08.2017

Ganze viermal hat sich unser Taxifahrer verfahren, obwohl die Unterkunft gerademal zwei Strassen nebendran war. Das Quartier ist aber auch unübersichtlich!

Ich mag kolumbianische Taxifahrer. Sie sind sichtlich bemüht, dich sicher an deinen Zielort zu bringen und erzählen dir wundervolle Anekdoten. Und..Taxi fahren ist das mit Abstand sicherste und komfortabelste Fortbewegungsmittel.

Früh übt sich. Kleine Süßigkeitenverkäuferin im Touri Großraumtaxi.

Medellin! 
Die Stadt mit dem Hipsterviertel el poblado, wo sich Samstagmorgens biovegane Weltsamariter-Touris, Dealer und koksnasige Sprößlinge der High Society zu einem Einfranken-Hotdog am Straßenrand treffen.

Die Straße in der wir wohnten könnte genau so gut ein Vorort von Zürich sein. Das Viertel ist umgeben von Grün, alles ist sauber, sicher und...teuer. Das war nicht immer so....

Der letzte Teil meiner kleinen Geschichtsstunde durch Kolumbiens dunklere Vergangenheit endet hier...wo einst alles anfing. In der Stadt mit dem wohl berühmtesten Verbrecher nach Al Capone. 
Pablo Escobar Gaviria. Vom eigenen Vater verstoßen, welcher seine kriminelle Karriere nicht unterstützen wollte. Den Weg bahnte er sich bereits mit neun Jahren, seinem ersten Diebstahl. Unterstützung bekam er von seiner Mutter. Ein größenwahnsinniger Narzist mit sozialem Charakter. 
Seltsam? Nicht unbedingt.

Wenn mich eines an diesem Kapitel fasziniert hat, dann die befremdlich anmutende Verabeitung eines der traurigsten Kapitel des Landes. Als ein Mann mächtiger war als die gesamte Regierung und alle verfeindeten Parteien sich für einmal zusammenschloßen, ihn zu jagen und zu vernichten. Als wäre er der Teufel, ja das Böse selbst.  
Bild der Hacienda Napoles, einst Besitz Escobars wurde fast komplett zerstört. Fotografiert im Haus von Roberto Escobar, seinem Bruder.

Aber ganz so einfach scheint das mit dem Gut und Böse nicht zu sein, denn Faszination und Abscheu liegen manchmal nah beieinander und oftmals, wie ich selbst nebst vielen Medellineros feststellen mußte, geht das eine nicht ohne das andere. Denn nicht immer ist für Alle das scheinbar offensichtlich Gute auch gut und das Böse nur böse und ganz oft existiert das eine nicht ohne das Andere.

Als ich für meine Recherchen nach Escobars Geschichte im Internet suchte, fand ich per Zufall die Nummer einer der unzähligen Escobar-Touren in Medellin, und tatsächlich keinerlei Infos außer der Nummer. Die Antwort auf meine Anfrage kam rasch und am nächsten Tag wurden wir mit einem Minivan abgeholt. 

"Er habe Pablo gekannt." Sie seien Nachbarn und Freunde gewesen, hätten gemeinsam Fußball gespielt und bei seiner Familie zu Abend gegeßen, verriet mir der Mann hinter dem Steuer. Den Namen konnte ich mir nicht merken, doch sein Gesicht und die Art, wie er sich präsentierte machte mich neugierig. 
Pablos letzter Aufenthaltsort. Das Monacogebäude. Jetzt strikte Sperrzone, da alle Eigentümer Escobars verstaatlicht wurden. Wir haben Glück. Es soll kommende Woche abgerißen werden. Ein weiterer Schritt des Vergeßens.

Pablo sei kein schlechter Mensch gewesen, erzählt mir unser Guide. Nicht für Alle. Er sei auch so eine Art Robin Hood gewesen. 
Er habe schließlich für die Armen Wohnungen bauen lassen. 

"Mit Blutgeld", denke ich mir, getraue mich aber nicht die Worte laut auszusprechen. 
Als wir den Friedhof mit Escobars Grab betreten und die übrigen Besucher auf seinem Grab stehen um es zu fotografieren, überkommt mich das erste Mal dieses seltsame Gefühl, was mich dazu bringt aus der Ferne zu fotografieren. 
Aus Respekt vor dem Toten, dem Mörder von Tausenden Menschen, der Respekt verdient hat? Würde verdient hat? Und was denkt sich der alte Mann, der seit Escobars Tod dessen Grab regelmäßig pflegt? 

Die letzte Station der Tour führt uns zu Roberto Escobars Haus. Wir treffen seinen Bruder. Fast taub und blind nach einem Anschlag auf ihn. Die Einschußlöcher sind in seinem Haus noch zu sehen, der alte Mann, klein mit Brille und Mütze steht umgeben von Leibwächtern im Garten und begrüßt uns zum Kaffee.
An Sarkasmus kaum zu übertreffen. Eine Kaffeecke für Touris im Haus der einst mächtigsten und brutalsten Brüder Kolumbiens, die ganze Familien ermorden ließen, wenn sie das angebotene Bestechungsgeld nicht annahmen.
Geführte Touren in Robertos Haus. Man kann sich Bilder von Escobar für schlappe 10 000 Pesos signieren lassen. Das Foto mit Roberto ist kostenlos. 
Roberto Escobar. Bruder und Finanzchef des brutalsten Drogenboßes der Welt und Nummer Zwei der einst meistgesuchten Männer der Welt. Heute, eine lebende Touristenattraktion. 

Auf dem Rückweg durch die Vorstadt Medellins und ehemaligem Herrschaftsgebiet Escobars, denke ich noch ein paar Minuten darüber nach, während ich unseren Guide für ein kleines Trinkgeld bitte, mir noch ein paar exklusivere Fotos von Escobar zuzusenden. Während ich den Satz sage, kommt wieder dieses Gefühl hervor, daß ich bereits vom Friedhofbesuch her kenne.  

Pablos legendär gewordene Person, das personifizierte Böse für die Einen, die Geld, Macht oder Menschen durch ihn verloren haben und heroischer Wohltäter, Freund und Kämpfer für die Anderen, die Ausgestoßenen und Gejagten. Einer, der die korrupten Behörden jahrelang als Spielball nutzte und diejenigen unterstützte, die ihr zum Opfer fielen. Einer von der Strasse, einer der Ihrigen.  
Die Tourigruppe in Escobars Haus. Links zwischen den Girls, Roberto Escobar.Vorne unten unser Guide.

Ich fange nach den Gesprächen und den Erzählungen an zu verstehen, dass Kolumbien und seine Drogengeschichte nicht nur politisch, sondern auch, und darum viel komplexer, gesellschaftsethisch und emotional fast schon symbiotisch verarbeitet. Oder wer von uns würde T-Shirts und Mützen von einem Verbrecher und Maßenmörder mit der Aufschrift "el Patron" verkaufen, oder sich Arm in Arm mit einem Verbrecher fotografieren laßen und dafür noch Geld bezahlen. Warum wir es trotzdem tun, liegt an der Zwielichtigkeit.
Unser Guide "verhandelt" mit der Polizei vor Escobar's ehemaligem Anwesen.

Lüge und Wahrheit, Gut und Böse, Moral und Unmoral liegen hier seltsam angenem nah zusammen, auch darum, da Alles zeitlich noch so unmittelbar erscheint. 

Die wirkliche Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen und die wahren Gewinner sind im Moment vorallem die Touristen, die fleißig signierte Bilder kaufen, sich billiges Koks einwerfen und den kleinen Mädchen Süßigkeiten abkaufen. 

Sehr zur Freude von Drogenkartellen, Onkel Roberto und Juan Manuel Santos, dem amtierenden Präsidenten, der mit eiserner Hand und diplomatischem Geschick gegen Drogen, und für den Frieden mit den Paramilitärs, korrupt aber immerhin erfolgreich, kämpft. 

Und dann sehe ich den aktuellen Artikel über Popeye, dem Chefkiller Escobars, der 250 Menschen tötete und nun nach seiner Freilaßung in die Politik möchte. Öffentlich, und als wenn es das Selbstverständlichste der Welt wäre. 
Das Bild, als er selbstgefällig ranghohen Politikern die Hand schüttelt, ein Schlag ins Gesicht für alle Familien seiner Opfer. 

Am Ende bleibt mir noch ein Zitat von Pablo Escobar hängen, das mir unser Guide stolz vortrug, bevor ich euch noch ein paar meiner Escobar Lieblingsbilder nicht vorenthalten möchte und im zweiten Teil dann doch noch etwas von meinem Eindruck dieser gewaltigen Stadt und ihrem Kampf ums Vergeßen erzähle.

"Ich bin kein reicher Mann, ich bin ein armer Mann mit sehr viel Geld"
Pablo Escobar


Privatbilder von Pablo und Ranghohen des Medellinkartells.
Escobar kaufte monatlich 250000 Gummibänder ein um die Geldscheine zu bündeln. Sein Vermögen unschätzbar.
Archivbild der Polizei nach der Verhaftung Angehöriger des Kartells
Der Tod Escobars ist bis heute umstritten. Die einen glauben an Suizid, die anderen an die Ermordung durch die kolumbianische Polizei.
Pablo und sein Sohn vor dem weißen Haus, während CIA und DEA nach ihm in Kolumbien suchen.
Pablos Original Esstisch im Wohnzimmer. Er saß oben, rechts sein Leibwächter und links seine Frau. Die Legende sagt, daß drei Fliegen vor Escobars Todestag an diesem Tisch um ihn herum flogen und sein Leibwächter spürte, daß etwas Schlimmes passiert. Escobar glaubte ihm nicht.























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