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27.10.2023 – Vier Tage auf dem Milford Track

Veröffentlicht: 05.11.2023

„Die schönste Wanderung der Welt“, so bezeichnete die Dichterin Blanche Baughan den Milford Track in einem in der Londoner Zeitschrift „The Spectator“ erschienenen Artikel vor rund 100 Jahren. Ob es sich bei der Wanderung nun tatsächlich um die schönste der Welt handelt oder nicht, sei mal dahingestellt. Fakt ist, dass es sich beim Milford Track um den berühmtesten und bekanntesten Wanderweg in Neuseeland handelt und es doch schade wäre, wenn man diesen verpassen würde. Aber fangen wir mal von vorne an. Zum ersten Mal gehört haben wir von der Wanderung in Australien, als wir bei John und Linda auf der Farm gearbeitet haben. Als wir an einem Abend von unseren Neuseeland-Plänen erzählten, fragten uns die beiden, ob wir denn auch den besagten Wanderweg laufen würden. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir natürlich keine Ahnung, was der Milford Track ist. Noch am selben Abend haben wir diese kleine Bildungslücke geschlossen. Da es euch wahrscheinlich genau so geht, hier eine kurze Zusammenfassung. Der Milford Track – eine atemberaubende Kombination an abenteuerlichen Wanderwegen entlang von Seen mit mehreren hundert Meter Tiefe und kristallklarem Wasser, schneebedeckte Berggipfel, grüne saftige Täler, Regenwälder und die Sutherland Falls, der höchste Wasserfall Neuseelands. Die Wanderung beginnt ihre 53 Kilometer an der Spitze des Lake Te Anau und führt über Hängebrücken, Stege und einen Bergpass. Im ersten Moment klang das natürlich wie das perfekte Abenteuer und damit wie für uns gemacht. Die Ernüchterung folgte jedoch prompt. Es gibt auf dem Milford Track drei offizielle Hütten, auf denen man schlafen muss und die im Vorfeld gebucht werden müssen. Und obwohl die Ende Oktober beginnende Saison noch nicht einmal gestartet war, war für die kommenden Monate schon alles ausgebucht. Wir verwarfen den Gedanken also schnell wieder und machten anderweitige Pläne. Und wie es dann manchmal so ist, auf einmal geht doch ganz schnell. Mehr aus Interesse als einer konkreten Hoffnung schaute Helene etwa eine Woche vor dem Start der Saison noch einmal ins Buchungsportal und siehe da, es waren wieder Plätze buchbar. Ohne über die Konsequenzen nachzudenken, buchten wir einfach mal so den Milford Track. Start war am 24. Oktober, womit wir die ersten sein sollten, die den Track in dieser Saison wanderten. Zum Zeitpunkt der Buchung waren wir noch bei den beiden Gletschern im mittleren Bereich der Westküste und eigentlich wollten wir noch ein paar Tage in der Region bleiben. Wieder einmal warfen wir unsere Pläne über den Haufen und machten uns auf den Weg in den südlichsten Bereich der Westküste, dem Fjordland. Einen Tag vor dem Start erreichten wir Te Anau, von wo der Milford Track startet. Bevor es dann aber wirklich losging, gab es noch ein paar Sachen zu erledigen. Zum einen mussten wir einen Transfer buchen, weil der Start- und Endpunkt der Wanderung abgelegen liegt und nur per Boot zu erreichen ist. Dann mussten wir uns noch um Schlafsäcke und einen Kochtopf kümmern, da die Hütten nur über eine sporadische Ausstattung verfügen. Und zu guter Letzt stand noch ein Einkauf ein, immerhin brauchten wir Nahrungsmittel für vier Tage. Nachdem wir endlich alles beisammenhatten, musste noch gepackt werden. Ich habe ja bereits erwähnt, dass die Hütten über eine sporadische Ausstattung verfügen und wenn ich sporadisch schreibe, meine ich auch sporadisch. Es gibt Schlafsäle mit Stockbetten, die man sich je nach Hütte mal mit 19 und mal mit neun anderen Wanderern teilt. Es gibt ein paar Kochstellen mit Gasplatten, einen Gemeinschaftsraum mit einem Holzofen und ein paar Toiletten. Und das war es dann auch. Kein Kopfkissen und Decken, keine Mülleimer, kein Geschirr, kein warmes Wasser und auch keine Dusche. Man muss eigentlich alles selbst mitbringen. Am Ende waren die Rucksäcke gepackt und wir waren bereit für das Abenteuer Milford Track.

Tag 1

Für uns begann der Tag mit einem kurzen Abstecher zum Besucherzentrum des Departments of Conservation, das sämtliche Nationalparks in Neuseeland verwaltet. Hier holten wir uns die letzten Informationen und den Wetterbericht für die kommenden Tage. Die Wetteraussichten sorgten dabei nicht unbedingt dafür, dass unsere Aufregung weniger wurde. Neben viel Regen waren nämlich auch Temperaturen um die 0 Grad und teils Schnee angesagt. Doch getreu dem Motto „Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung“ ließen wir uns davon nicht abschrecken. Am Mittag wurden wir erst mit dem Bus und dann mit der Fähre zum Startpunkt des Milford Tracks gebracht. Dabei gab die Bootsfahrt schon einen Vorgeschmack auf die wunderschöne Fjordlandschaft, die uns in den kommenden Tagen erwarten sollte. Wie vorhergesagt setzte auf dem Weg mit der Fähre der erste Regen ein. Glücklicherweise ist die erste Etappe sehr leicht. Die Strecke von der Glade Wharf, dem Startpunkt, zur Clinton Hut, der Unterkunft für erste Nacht, beträgt nur fünf Kilometer und führt mit nur rund 80 Höhenmetern durch sehr leichtes Terrain. Trotzdem hat die kurze Strecke einiges zu bieten. Die Etappe führte uns über die längste Hängeseilbrücke des Millford Tracks, durch einen üppigen Buchenwald und einige schöne Stellen am Clinton River bis wir an der Hütte ankamen. Hier suchten wir uns als erstes einen Schlafplatz, tauschten die nassen Wanderklamotten gegen unser einziges Set an trockenen Klamotten und machten uns mit den 38 anderen Wanderern bekannt, die uns in den kommenden Tagen begleiten sollten. Am Abend folgte dann noch die erste Kochsession, wobei hierbei der Minimalismus im Vordergrund stand. Ich erinnere nochmal, wir hatten einen Kochtopf, eine Tupperschüssel und zwei Esslöffel dabei. Sämtliche Beilagengerichte schieden also aus. Weshalb am ersten Abend Nudeln mit Pesto serviert wurden. Im Anschluss an das Abendessen stand noch der Ranger-Talk an. Hier versorgte uns der Ranger mit den wichtigsten Infos für die morgige Etappe und dem Wetterbericht. Und dann ging es auch schon ins Bett, schließlich stand für den nächsten Tag die erste große Etappe an und der Wecker sollte um 6.30 Uhr klingeln.

Tag 2

Der nächste Tag begann wie der letzte aufgehört hatte, mit Regen. Nachdem wir uns aus den Schlafsäcken rausgeschält und unsere wenigen Habseligkeiten wieder in den beiden Rucksäcken verstaut hatten, bereiteten wir uns ein schnelles Frühstück zu. Porridge mit ein paar Nüssen und Trockenobst mussten als Mahlzeit am Morgen reichen. Danach tauschten wir noch schnell die Adiletten gegen die Wanderschuhe und losging die zweite Etappe von der Clinton zur Mintaro Hut. Was erwartete uns hier? Die kurze Antwort auf die Frage lautet: 17,5 Kilometer und etwa 350 Höhenmeter. Die etwas ausführlichere Antwort lautet: Zu Beginn sollten wir einem stetigen Anstieg zum Lake Mintaro folgen, wo der Clinton River entspringt, der uns seit dem Start des Tracks begleitete. Der Weg führte uns weiter über eine große, offene Ebene und schlängelte sich an vielen Wasserfällen vorbei, bevor es eigentlich den ersten Blick auf den MacKinnon Pass geben sollte – oder eben auch nicht. Zwar wies ein Schild darauf hin, allerdings verhinderte eine dichte Wolkendecke jegliche Sicht. Kurz darauf folgte der erste größere Anstieg, als es ein Flussbett hinauf ging. Danach waren es nur noch wenige Kilometer, bis wir unser Ziel gegen frühen Nachmittag erreichten. Glücklicherweise hatte sich das Wetter im Laufe des Tages gebessert, sodass wir mit halbwegs trockener Wanderausrüstung inklusiver recht guter Sicht belohnt wurden. Und weil 17,5 Kilometer noch nicht genug waren, setzten Helene und ich noch einen drauf. Der Ranger der ersten Hütte hatte uns am Morgen mitgegeben, dass für den kommenden Tag wieder schlechtes Wetter angesagt sei und dass diejenigen, die eine halbwegs gute Sicht vom Pass haben wollten, eventuell im Anschluss an die Etappe noch den Aufstieg wagen und im Anschluss wieder zur Hütte zurückkehren sollten. Die eigentliche Passüberquerung war für den dritten Tag geplant. Nachdem wir unsere Sachen auf der Hütte abgestellt und uns kurz gestärkt hatten, machten wir uns an den Aufstieg. Etwa eine Stunde kletterten wir den Serpentinenanstieg hinauf, bis wir am McKinnon Memorial ankamen. Das Memorial erinnert an Quintin McKinnon, der im Jahre 1888 die Strecke von Lake Te Anau nach Milford, heute bekannt als der Milford Track, entdeckte. Obwohl zu Beginn nicht klar war, ob wir wirklich einen Ausblick zu sehen bekommen, wurden wir für die Mühen belohnt. Fast den gesamten Aufstieg hatten wir freie Sicht auf das Clinton Valley. Oben angekommen konnten wir für wenige Sekunden auch den Blick auf die andere Seite des Berges genießen, bevor die Wolken wieder aufzogen. Um pünktlich wieder auf der Hütte zurück zu sein, verweilten wir nur eine halbe Stunde am Memorial, bevor wir uns wieder an den Abstieg begaben. Nach dann insgesamt 23 Kilometern und etwa acht Stunden Wandern hatten wir uns unser Abendessen absolut verdient. Auf Nudeln mit Pesto folgte dieses Mal ein Risotto. Zugegeben, es kam aus der Tüte, lecker war es trotzdem. Im Anschluss folgte wieder der Ranger-Talk. Nachdem das Wetter über den Tag recht gut mitgespielt hatte, sollte sich das für den kommenden Tag wieder ändern. Schon als wir abends unser Essen zubereitet hatten, begann es in Strömen zu regnen. Bis zu 140 Liter Niederschlag pro Quadratmeter, dazu einsetzender Schneefall und Sturmböen waren für den dritten Tag unserer Wanderung angesagt. Aufgrund der schlechten Vorhersage stand sogar eine Schließung des Tracks im Raum, weshalb für den nächsten Morgen 8.00 Uhr ein weiterer Ranger-Talk anberaumt wurde. Mit einer guten Portion Spannung verzogen wir uns in die Schlafsäcke und betteten uns für die zweite Nacht.

Tag 3

Der Ranger hatte nicht zu viel versprochen, als wir am nächsten Morgen aufwachten, sahen wir schon die Wassermassen, die die Felswände und vom Himmel herunterkamen. Die ganze Nacht über hatte es wie aus Kübeln geregnet. Eigentlich waren wir überzeugt davon, dass wir unter den Bedingungen nicht loslaufen dürften, umso überraschter waren wir, als wir dann doch die Freigabe bekamen. Mit auf den Weg gab uns der Ranger noch den Hinweis, dass etwas Eile geboten sei, denn ab Mittag sollte der Regen auf dem Pass in Schnee übergehen. Ohne viel Zeit zu verlieren, ergriffen wir sämtliche Regenschutz-Maßnahmen und starteten auf die dritte Etappe, die mit 13 Kilometern und 600 Höhenmetern die härteste werden sollte. Trotz aller Maßnahmen dauerte es keine fünf Minuten, bis wir klitschnass waren. Da wo am Vortag noch ein normaler Weg war, war heute ein kleiner Bach, der sich den Weg ins Tal suchte. Dazu kamen noch Wasserfälle, die aus den Bergwänden strömten. Teilweise standen wir bis zum Knöchel im Wasser und mussten aufpassen, nicht einfach mitgerissen zu werden. Nach fast drei Stunden erreichten wir den Pass auf 1.154 Metern. Das Wetter hatte sich mit der Zeit immer weiter verschlechtert, heftige Sturmböen von über 100 Kilometern pro Stunde wehten uns Eisregen und Schnee ins Gesicht. Hinzu kamen diese unglaublichen Wassermassen. In diesem Moment hat es wirklich keinen Spaß gemacht und wir wussten nicht, wie wir den Berg wieder heil herunterkommen sollten. Eine richtige Wahl hatten wir jedoch nicht, Umdrehen war aufgrund der Gegebenheiten keine Option, sodass uns nur die Flucht nach vorne blieb. Kurz nachdem wir den Abstieg begonnen hatten, kamen wir an ein Absperrschild, das darauf hinwies, dass der normale Weg gesperrt sei und man dem Notfall-Weg folgen sollte. Wer jetzt denkt, dass der Notfall-Weg eventuell eine sichere Alternative darstellen sollte, lag falsch. Wir kletterten Abhänge hinab, rutschten kleine Wasserfälle hinunter und hangelten uns an Felsvorsprüngen vorbei. Und das alles bei Starkregen und Windböen. Hier sind wir an unsere Grenzen gekommen. Einen kleinen Umweg, um den mit 500 Meter höchsten Wasserfall Neuseelands zu sehen, die Sutherland Fall, ersparten wir uns aufgrund der Bedingungen und erfreuten uns aus der Ferne des Anblicks. Trotz allem erreichten wir gegen Nachmittag endlich die Dumpling Hut, wo wir die Klamotten sofort zum Trocknen aufhingen und es uns vor dem Holzofen bequem machten. Mit aufgewärmten Risotto und einer Currysauce ging ein Tag zu Ende, der uns wohl noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Tag 4

Da war er schon, der letzte Tag unserer Wanderung. Über Nacht hatte sich der Regen verzogen und uns erwartete zum Abschluss ein kalter, aber klarer Wintermorgen im Frühling. Der Schnee war oberhalb von 600 Metern liegen geblieben und sorgte für eine atemberaubende Bergkullise. Das einzige, was den Morgen trübte, waren die nassen Schuhe. Während die übrigen Klamotten getrocknet waren, mussten wir für die anstehenden 18 Kilometer wieder in die noch nassen Schuhe steigen. Es lohnte sich aber, schließlich sollte die letzte Etappe landschaftlich die schönste werden. Viele wunderschöne und sehr gut gefüllte Wasserfälle (immerhin etwas, wofür der viele Regen gut war), Hängebrücken, kristallklare Bäche gepaart mit viel Sonnenschein ließen die Zeit wie im Flug vergehen. Nach vier Tagen, 53,5 Kilometern (mit kleineren Umwegen und zusätzlichem Aufstieg rund 63) und 1.960 Höhenmetern erreichten wir glücklich und ohne größere Blessuren – ein paar Blasen am Fuß ausgenommen – den Sandfly Point, das Ende des Milford Tracks. Von hier aus ging es mit dem Boot nach Milford Sound, wo schon ein Bus wartete, der uns zurück nach Te Anau bringen sollte, wo unser Auto und eine heiße Dusche auf uns wartete. Ob es sich tatsächlich um die schönste Wanderung der Welt handelt, können wir abschließend nicht sagen. Was wir allerdings sagen können, ist, dass wir die Zeit auf jeden Fall genossen haben und sehr dankbar sind, dass wir kurzfristig die Möglichkeit bekommen haben, den Milford Track und damit den bekanntesten Great Walk Neuseelands zu wandern. Trotz aller Widrigkeiten durften wir eine wunderschöne Natur erleben, tolle Menschen kennenlernen und uns selbst an unsere Grenzen bringen. Was für ein Abenteuer!

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