Reisebericht Äthiopien
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Physiotherapie Addis Guzo & Ausflug

Veröffentlicht: 06.03.2020

Ich arbeite jetzt seit drei Wochen im Addis Guzo Wheelchair Center. Meine Mitarbeitenden sind Misile, die bereits seit fünf Jahren bei Addis Guzo arbeitet und Abel, der direkt von der Ausbildung kommt und weniger Erfahrung hat. Mit den beiden zu arbeiten macht Spass und das Klima stimmt! 

Immer morgens kommen die Kinder mit einer Begleitperson (meistens die Mütter) bis am Mittag ins "Daycare", je nach Tag ca. 4-6 Kinder. Die meisten Kinder kommen 2x/Woche für ca. 4 Monate, dann gibt es ein Follow-up, in dem die Physiotherapieeinheiten schrittweise reduziert werden. Viele der Kinder haben eine Cerebralparese, einige Spina Bifida, Hydrocephalus etc. Fast immer gibt es keine klare Diagnose, geschweige denn Untersuchungsresultate. Wir sprechen uns am Morgen spontan ab, wer welches Kind behandelt, manchmal macht es gerade Sinn, ein Kind zu zweit zu behandeln und manchmal wechseln wir uns ab. Und manchmal haben die Kinder gerade andere Bedürfnisse als Physiotherapie wie z.B. essen/trinken oder Windeln wechseln. Es kommen viele Kleinkinder ab ca. 1,5 bis 7 -jährig. Ziel der Physio ist die Kinder einerseits physiotherapeutisch möglichst im Sinne der "normalen Entwicklung" zu behandeln, andererseits die Eltern zu instruieren. Beispielsweise bezüglich Essen eingeben oder Heimbehandlung durch Angehörige. Auch werden Hilfsmittel, wenn passende zur Verfügung stehen, abgegeben. Weiter gehört auch das passive Stehen im Stehtisch  als fester Teherapiebestandteil bei den meisten Kindern dazu. Das Wichtigste ist auf jeden Fall, dass die Kinder Spass haben. Es gibt einen Spiel- und Erlebnisgarten mit Schaukel, eine kleine Hängematte, verschiedene Sitzmöglichkeiten und Rollstühle und viele Spielsachen. 

Unterstützung kriegen wir im Daycare neben Mebrat, die alle Kinder gut kennt, die Räume putzt, kocht und hilft wo nötig auch von Kirsten. Kirsten ist eine amerikanische Heilpädagogin, sie kommt unregelmässig zweimal wöchentlich vorbei. Ihr Schwerpunkt liegt in der Kommunikation der Kinder, sie arbeitet u.a. mit adaptivem Lernen und mit Feedback. Sie bringt diverse spannende und innovative Gadgets mit, oder lässt sie vom Addis Guzo Techniker anfertigen.  Manchmal ist auch Hewan, eine "Sozialarbeiterin" (psychosocial counseling) im Daycare, sie kennt alle Kinder und Familien und ist eine wichtige Unterstützung.

Am Nachmittag kommen erwachsene Kundinnen und Kunden. Auch diese haben ganz unterschiedliche Krankheitsbilder. Ungefähr die Hälfte der Erwachsenen sind alte Menschen, die einen Schlaganfall erlitten oder muskuloskelettale Beschwerden aufweisen. Hier geht es auch darum konkrete Aktivitäten zu erlernen, die körperliche Fitness zu trainieren und auch die Beweglichkeit zu erhalten.  

Diese Woche durfte ich einen Halbtag mit auf einen Besuch in zwei anderen Centern. Eines war ein "Center for Mentally Challenged Children". Dieses Center bestand neben der Physiotherapie, die im Sinne einer Frühförderung ähnlich funktioniert wie bei Addis Guzo und auch ähnliches Klientel hat. Vor allem aber aus einer grossen Schule für Kinder mit Down Syndrom und anderen geistigen Beeinträchtigungen. Die Schule hat mich begeistert, alles sah aus, als würde es super funktionieren, die Kinder hatten Freude und es war ein sehr alltagsnaher Unterricht. Neben unterschiedlichen Unterrichtsmodellen gab es einen Garten, eine Gruppe, die gerade Geschirr spülte, eine Stickgruppe etc. 

Danach gingen wir noch ins Joy Center for Autism. Hier werden Kinder und junge Erwachsene mit Autismus aufgenommen und mit viel Herz und gutem Willen behandelt. Leider verfügte das Personal nicht über eine fundierte Ausbildung zum Fachpersonal für die Betreuung autistischer Menschen und die Infrastruktur war suboptimal für dieses Klientel. Nichtsdestotrotz ist es für die Kinder sicher besser in diesem Zentrum, als zuhause eingesperrt und teilweise sogar an Ketten gebunden zu sein. Dieser Besuch war etwas schwieriger zu verarbeiten. Ich war dann froh zu Addis Guzo zurückzukehren und etwas scharfes Zmittag zu essen, was meine Gedanken etwas vom Gesehenen abwendete. 

Antworten (1)

Stefan
lieber alex, vielen dank für diesen bericht. extrem spannend. da ich selber - als ausgebildeter- auch mit autistischen menschen zusammenarbeite, kann ich dir versichern, dass auch eine ausbildung leider nicht immer ausreicht, um die handlungsweise dieser sehr besonderen menschen zu verstehen und ihre signale richtig zu deuten. ist es bereits rassistisch, ein wenig positiv überrascht zu sein, dass es in addis abeba eine spezialisierte institution für menschen mit autismus-spektrum gibt? vermutlich leider schon. jedenfalls ist es für eine gesellschaft sicher nicht ein schlechtes zeichen, dass man die spezielle situation dieser menschen erkannt hat und auch bereit ist, dieser mit besonderen mitteln zu begegnen. ein bisschen neidisch bin ich auf dich, dass du all diese erfahrungen sammeln kannst (- aber ich bin auch ein alter sack, der langsam anfangen sollte soviel wie möglich zurückzugeben, von dem was ihm gutes widerfahren ist). geniesse es und trage es in deinem inneren weiter mit. ich wünsche dir weiterhin viele horizonterweiternde begegnungen und das nicht nachlassende gefühl, gutes zu tun und gleichzeitig dabei beschenkt zu werden. herzlich stefan

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