Grün am Wegesrand
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La Cucaracha

Veröffentlicht: 17.02.2020

Ich bin kein Insektenfreund. Krabbeltiere haben unter meinem Tisch nichts zu suchen. Und doch war ich in der Vergangenheit tolerant: Ich akzeptierte Tiere an fremden Orten und passte mich an. Hab auch die ein oder andere Kakerlaken-Bude im Ausland bewohnt oder besucht und das amüsiert zur Kenntnis genommen. Grandioses Futter für Gespräche am Lagerfeuer. Doch jetzt als Mama fühlt sich das gerade ganz schrecklich an. Und am liebsten würde ich allen Kakerlaken dieser Welt den Garaus machen. Allen.

Wir sind in den Tropen. Es ist egal, was man anhat (bei uns: tendenziell wenig), es gibt sehr leckere Früchte, und Wind und Sonne sind grandios. Unsere Rucksäcke fangen aber auch einfach so an zu schimmeln, unsere Kleider sind konstant feucht, und es gibt jede Menge riesige Krabbelviecher. Der Ort hier am Strand, wo wir seit einigen Wochen sind, ist bekannt für seine vielen Mücken und für riesige Kakerlaken. 

Schon direkt am ersten Morgen, in der schützenden Dunkelheit, machte ich die Bekanntschaft mit einem Monstrum seiner Art. Das hat nichts mit der winzigen Küchenschabe, die uns einmal in der Schweizer Sommerhitze besucht hat, zu tun. Diese Viecher sind Panzer. Sie sind so ziemlich gegen alles gerüstet, was sie zerstören will: Druck, Wasser, Hitze, Menschen. Vielleicht sind sie deshalb so träge, wenn sie entdeckt werden. Es scheint sie nicht gross zu stören. Bei dem Aufeinandertreffen hatte ich einen Flashback von meiner Zeit in Zentralasien: Ich hatte damals beobachtet, dass Kakerlaken nicht wie andere Tiere instinktiv möglichst weit weg vom Menschen zu laufen. Es wirkt auf mich so, als seien sie leicht desorientiert und kämen mir auf der Flucht (vor mir!) manchmal gefährlich nahe. Daran wurde ich erinnert, weil die Kakerlake in unserer Hütte hier am Strand in Costa Rica direkt auf mich zugerannt kam. Wir haben es unsere jüngsten Tochter in den letzten Tagen zum Glück abtrainiert, nachts mehrmals Milch zu trinken (nicht primär wegen der Kakerlaken, mehr wegen dem Töpfchentraining), sonst hätte ich nach einigen Wochen wohl einen Herzinfarkt gehabt. Denn Kakerlaken kommen in der Nacht, sie suchen überall nach leckeren Essensresten. Wir haben uns angewöhnt, das komplette Essen im Kühlschrank zu lagern, und abends behutsam alle Arbeitsflächen und den Boden zu säubern. 

Geholfen hat es nicht wirklich: sogar neben unserem Bett, also fernab jeglicher Essensbestände, traf ich regelmässig unsere krabbelnden Mitbewohner. Bei dem Gedanken, dass sie meine Kinder begutachten, wurde mir ganz schlecht.

Die nachtaktiven Kakerlaken wechseln sich grandios ab mit den Ameisen. Die sind hier nämlich tagaktiv. Mit Ameisen kenne ich mich aus, denn in der Schweiz hatten wir in unserem alten Haus jeden Frühling Besuch in der Küche. Doch immer, wenn ich schwanger war oder gerade ein Baby hatte, merkte ich, wie meine Hormone die Oberhand gewannen. Die Vorstellung, dass 1000 Ameisen mein Baby angreifen würden, artete zu einer Alltagsfantasie aus. Wenn ich in einem Jahr „nur“ Kleinkinder hatte, konnte ich entspannter damit umgehen. 

Über mehrere Jahre hatte ich Tricks und Kniffe gefunden, die Besucherströme einzudämmen. Letztendlich ging es darum, ihnen den Weg durch die Wände zu versperren, denn eigentlich lag unsere Küche nur im Durchgangsgebiet für sie. Doch je wärmer der Frühling war, umso mehr Ameisen reisten auf einmal durch die vielschichtigen Wände des Altbaus. Und hier in den Tropen ist es vor allem eins – sehr warm. Während im Garten hier grosse Blattschneideameisen noch grössere Stücke von Blättern durch das Gras tragen, besuchen uns in der Küche gaaanz ganz kleine Ameisen. Und die sind wirklich beeindruckend effizient: Sobald nur ein Reiskorn neben dem Herd liegenbleibt, bildet sich innerhalb weniger Minuten eine Autobahn. Sehr lobenswert – aber bitte nicht in unseren vier Wänden!

Vor ein paar Tagen haben wir die Unterkunft gewechselt. Von der Hütte zur Einliegerwohnung. Es ist für unsere Reiseverhältnisse und für einheimische Verhältnisse sehr schick und gut gemacht. Doch die Wohnung wurde jetzt jahrelang nicht genutzt und die Vermieter haben in Windeseile ihren Kram, den sie dort gelagert haben, herausgenommen und alles hergerichtet. Dazu gehörte es offensichtlich auch, Gift gegen Insekten zu sprühen, denn als wir ankommen, begrüssten uns mehrere tote Kakerlaken. Sie lagen einfach zuckend auf dem Boden. Mittlerweile gibt es im Garten einen Kakerlaken-Friedhof.

Doch das war nicht alles, denn seitdem hatten wir jede Nacht weiterhin Besuch von den riesigen Panzern. Offensichtlich sind sie jahrelang ein- und ausgegangen, und sind jetzt eher neugierig als abgeschreckt, dass wir hier sind. Am ersten Morgen wirkte das Gift immer noch, und gigantische Tiere verschwanden im Klo. Morgens wachte ich auf, als eine Babykakerlake über meinen Arm krabbelte. Es war wirklich eklig. Den Besitzern tat es total leid, und sie verrieten uns auch, dass man nur die Ecken und Leisten des Zimmers besprayen muss, denn das sind die Wege der Kakerlaken zur Tür. Da haben wir mal flugs die Kinderspielsachen aus dem Eck geholt! 

Zusätzlich besucht uns noch ein Nagetier, das seine Köttel auf den Arbeitsplatten und dem Boden hinterlässt. Es wurde von Tag zu Tag besser. Und trotzdem war ich froh, als wir nach einer Woche in die Wohnung nebenan wechseln konnten, die dann frei wurde. Sie war von einem Paar mit Katze bewohnt worden und siehe da, die Katze hat ihren Eindruck hinterlassen: Zumindest keine Mäuse und auch weniger Kakerlaken.

Uns bleibt nichts anderes übrig, als alles sauber zu halten, und den Rest zu akzeptieren. Bis jetzt läuft mir immer noch ein Schauer über den Rücken, doch ich kenne mich: Mit der Zeit wird das völlig normal und irgendwann kann ich darüber lachen. Am Lagerfeuer.


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